Öffentliche Zugänglichmachung eines Werkes für den Unterricht
Das Oberlandesgericht (OLG) in Stuttgart hat mit seinem Urteil vom 4.4.2012 unter dem Aktenzeichen 4 U 171/11 entschieden, dass Teile eines urheberrechtlich geschützten Werkes von einer Schule nicht im Rahmen eines Onlinezuganges zu Unterrichtszwecken genutzt werden dürfen.
Damit gab das OLG der Berufung der Klägerin gegen das Urteil der Vorinstanz (LG Stuttgart) statt.
Es verurteilte die Beklagte, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 250000 Euro zu unterlassen, Teile des Werkes "M d P" ohne Genehmigung der Klägerin elektronisch zu verbreiten, vervielfältigen, öffentlich zugänglich zu machen oder machen zu lassen, indem sie ihren Studierenden Teile des Werkes im Internet herunterzuladen oder zu speichern oder auszudrucken.
Ferner wurde die Beklagte verurteilt, Auskunft an die Klägerin über den Umfang der Verbreitungen zu erteilen, vor allem hinsichtlich der Zeiträume und Zeitpunkte der Zugänglichmachung und Anzahl der Zugriffe seit der Zugänglichmachung.
Außerdem wurde die Beklagte zur Zahlung eines Schadensersatzes verurteilt.
Streitig war zwischen den Parteien, ob das Zurverfügungstellen von Buchteilen über eine Lernplattform zulässig ist.
Die Klägerin hält Nutzungsrechte an dem Werk "M d P" (im Folgenden Meilensteine genannt). Es handelt sich um Informationen über Psychologie, die studienbegleitend eingesetzt werden.
Die Beklagte ist eine staatliche Fernuniversität und betreibt als solche eine elektronische Lernplattform M, zu der die Nutzer einen Zugang mit Passwort erhalten. In einem Semester nutzten über 4000 Studenten des Studiengangs Psychologie rund 90 Seiten aus dem als Pflichtlektüre genannten Buch in Form einer PDF-Datei.
Nach Abmahnung durch die Klägerin hat die Beklagte die Nutzung unterbrochen. Ein Ausdruck des Werkes ist weiter möglich.
Streit besteht zwischen den Parteien, ob das Einscannen und Anfertigen der PDF-Datei eine unzulässige Handlung im Sinne der §§ 16, 17, 19a, 97 und 101 des Urhebergesetzes (UrhG) darstellt bzw. ob die Handlungen nach § 52a UrhG gerechtfertigt seien. In diesem Zusammenhang wird ein Verstoß gegen Art. 14 und 3 des Grundgesetzes (GG) thematisiert.
Das Landgericht gab der Klage teilweise statt. Die Downloadmöglichkeit wurde auf 48 Seiten, 10 % des Werkes, beschränkt.
Das Speichern von mehr als drei Seiten sei zu verhindern. Das Einscannen und Onlinestellen von PDF-Dateien mit Zugang sei ein Verstoß gegen §§ 19a, 15 UrhG. Die Beklagte sei unabhängig von der Seitenzahl gehalten gewesen, ein Dateiformat zu verwenden, das die Speicherung durch die Studenten verhindert.
Gegen das Urteil legten beide Parteien Berufung ein. Das OLG gab der Berufung der Klägerin statt.
Der § 52a UrhG verstoße nicht gegen Art. 14 GG.
Die Klägerin sei tunlichst an der wirtschaftlichen Verwertung ihrer Werke zu beteiligen. Dieses Recht sei auch nicht übermäßig einzuschränken. Der Beklagten komme die Beweislast für den Fall zu, dass hier eine Ausnahme vorliegen solle. Dieser Beweis sei jedoch nicht erbracht worden.
Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart, Urteil vom 4.4.2012, Aktenzeichen 4 U 171/11