Öffentliche Wiedergabe von TV-Programmen im Verein
Mit Urteil vom 8. August 2016 (Az. 4 O 335/15) hat das Landgericht Halle entschieden, dass ein Verein, der für seine Mitglieder eine Gemeinschaftsantenne betreibt, lizenzpflichtig ist. Das Gericht geht von einer öffentlichen Kabelweitersendung nach § 20b UrhG aus. Ausschlaggebend war, dass die Zahl der möglichen Nutzer im Kabelnetz des Antennenvereins weder durch seine Satzungen noch durch tatsächliche Gegebenheiten begrenzt ist.
Insofern unterscheidet sich der Fall von der Situation, die der "Ramses"-Entscheidung zugrunde lag, in der der Bundesgerichtshof eine Lizenzpflicht verneinte (BGH, Urteil vom 17.09.2015, Az. I ZR 228/14). Dort beschränkte sich die Antennengemeinschaft auf die Wohneigentümer eines – mit 343 Wohneinheiten allerdings sehr großen – Wohnblocks.
Sachverhalt
Der Beklagte betreibt als Verein eine lokale Gemeinschaftsantenne, an die rund 250 Haushalte angeschlossen sind. Da er für das Weitersenden der Rundfunkprogramme keine Lizenzabgabe zahlte, begehrte die GEMA auf dem Wege einer Stufenklage Auskunft über die Zahl der Endkunden und die erzielten Einnahmen.
Gegen die Auskunftsklage wehrte sich der Beklagte mit dem Argument, er sei nicht lizenzpflichtig. Eine Kabelweitersendung nach § 20b UrhG liege nicht vor, zumal er die Rundfunkprogramme nicht öffentlich zugänglich mache. Er ermögliche lediglich den Privatempfang für seine Mitglieder. Sein Wirkungsbereich sei auf die bestehenden Wohneinheiten in seinem Ortsteil beschränkt. Außerdem verfolge er keine kommerziellen Interessen.
Aus den Gründen
Das Landgericht Halle heißt das Auskunftsbegehren der GEMA gut. Es kommt zum Schluss, dass der Beklagte die empfangenen Rundfunksignale im Sinne des § 20b UrhG weitersendet und folglich lizenzpflichtig ist.
Das Gericht hält fest, das Kabelweitersenderecht des § 20b UrhG sei ein Spezialfall des Senderechts nach § 20 UrhG. Es setze mithin eine öffentliche Wiedergabe voraus. Unter "Öffentlichkeit" sei nach der vom Bundesgerichtshof rezipierten EuGH-Rechtsprechung eine "unbestimmte Zahl potentieller Adressaten" zu verstehen, die sich aus "recht vielen Personen" zusammensetze.
Um festzustellen, ob die Zahl der potentiellen Adressaten des Beklagten unbestimmt ist, prüft die Kammer zunächst seine Vereinssatzung. Entscheidend sei, ob der Verein die Möglichkeit habe, seine Mitgliederzahl in nicht unerheblichem Maß zu erhöhen. Das sei vorliegend der Fall. Weder der Vereinszweck des Beklagten noch die Bestimmungen über die Mitgliedschaft sähen eine Beschränkung vor. Vielmehr stehe die Mitgliedschaft beim Beklagten auf Antrag allen natürlichen und juristischen Personen offen, die den Anschluss an sein Kabelnetz wünschten.
Die Richter aus Halle untersuchen sodann, ob tatsächliche Gegebenheiten vorliegen, die einem unbeschränkten Mitgliederzuwachs entgegenstehen. Die Ausführung des Beklagten, er versorge nur die bereits bestehenden Wohneinheiten innerhalb seines Ortsteils, vermag sie nicht zu überzeugen. Der Beklagte könne sein Wirkungsgebiet auf andere Ortsteile ausweiten. Denkbar sei ebenso, dass er seine Mitgliederzahl im angestammten Wirkungsgebiet aufgrund von Neubauten oder baulicher Verdichtung erweitern könne. Darin liege der entscheidende Unterschied zur "Ramses"-Entscheidung des Bundesgerichtshofs. Letztere betreffe die Antennengemeinschaft eines einzelnen Wohngebäudes, bei dem nicht mit einer Erhöhung der vorhandenen Wohneinheiten zu rechnen sei.
Angesichts der dreistelligen Mitgliederzahl des Beklagten ist nach Ansicht des Landgerichts auch das zweite Kriterium des Öffentlichkeitsbegriffs, dass es sich um "recht viele Personen" handelt, erfüllt.
Im Übrigen bezweifelt die Kammer, dass die Tätigkeit des Beklagten keinen kommerziellen Hintergrund hat. Wenn es in seiner Satzung heiße, er verfolge "nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke", lege dies nahe, dass er sekundär einem Erwerbszweck diene. Zudem lasse sich der Satzung nicht entnehmen, was mit allfälligen Überschüssen geschehe. Ohnehin sei ein Erwerbszweck für das Vorliegen einer öffentlichen Weitersendung nicht zwingend erforderlich.
LG Halle, Urteil vom 08.08.2016, Az. 4 O 335/15