Höhe des Schadensersatzes bei Filesharing
Das Amtsgericht München urteilte am 07. März 2014 in einem Rechtsstreit zwischen einem Nutzer einer Online-Tauschbörse und den Rechteinhabern des illegal verbreiteten Werkes zugunsten des Beklagten, der die verlangten Abmahnkosten als unvertretbar hoch ansah.
Der Beklagte stritt dabei nicht ab, sich das urheberrechtlich geschützte Werk, ein Musikalbum, tatsächlich über die Tauschbörse beschafft zu haben, sondern beanstandete lediglich die Berechnung des Streitwertes. Die klagenden Rechteinhaber argumentierten, der Beklagte habe das Musikalbum zur Tatzeit 59 Tauschbörsennutzern zugänglich gemacht. Bei einem Verkaufspreis von 11,- € entging den Klägern also ein Umsatz von 649,- €, in Verbindung mit Anwaltskosten und Schadensersatz forderten die Kläger neben einer Unterlassungserklärung die Zahlung von insgesamt 1.200,- €. Der Beklagte gab die Erklärung ab, erklärte sich aber nur zur Zahlung einer Summe in Höhe von 150,- € bereit. Er gab an, das Album zur rein privaten Nutzung kopiert zu haben. Die Weiterverbreitung des Werkes durch die verwendete Software befand sich außerhalb seiner Kontrolle, es könne also nicht von einem gewerblichen Ausmaße die Rede sein.
Die Kläger sahen darin zumindest eine fahrlässige Handlung, die eine Schadensersatzforderung rechtfertigt. Um eine "wirkungsvolle Abwehr" gegen Raubkopierer zu gewährleisten und mit Bezug auf vorherige Urteile anderer Gerichte, die ähnlich hohe Kosten gestatteten, verteidigten die Kläger die Summe, die zwischenzeitlich auf mehrere Tausend Euro erhöht wurde. Der Beklagte erklärte sich schlussendlich bereit, eine Gesamtforderung von etwa 1.500,- € zu zahlen, die Verwertungsgesellschaft bestand auf einer höheren Summe.
Den entstandenen Schaden schätzten die Richter auf etwa 350,- €, was noch weit unter dem Betrag liegt, den der Beklagte zu zahlen bereit ist, weshalb die Klage als unbegründet abgewiesen wurde. Die Berechnung des Schadens anhand der verlorenen Umsätze wurde als irrelevant angesehen und durch die Vergütungssätze der GEMA ersetzt. Weiterhin wird der Betrag nach Auffassung des Gerichts durch die Handlung des Beklagten eingeschränkt: Dieser gab an, die heruntergeladenen Musikstücke auf CD gebrannt und die Dateien daraufhin von seinem Computer gelöscht zu haben, weshalb nicht angenommen werden kann, dass eine illegale Verbreitung über diesen Zeitpunkt hinaus stattgefunden hat.
Als Berechnungsgrundlage des Schadens wählten die Rechteinhaber die Lizenzanalogie. Diese sieht vor, die Urheberrechtsverletzung unter Berechnung einer zum Zeitpunkt realistischen Lizenzgebühr als fiktiven Vertrag zu berechnen, um so den Beklagten nicht schwerer zu belasten, als es eine legitime Inanspruchnahme eines Lizenzvertrages getan hätte. Das Gericht sah jedoch ein Problem in der Anwendung dieses Modells, das für gewerbliche Urheberrechtsverletzungen vorgesehen ist, auf Tauschbörsen. Die Rechteinhaber gaben selbst an, keine Lizenzverträge für einen "weltweiten Online-Vertrieb", wie das Filesharing betrachtet wird, anzubieten. Eine genaue Berechnung fiel dadurch schwer.
Selbst unter Einbeziehung freier Schätzungen sehen die Richter keine Rechtfertigung für einen Schadensersatzanspruch von mehr als 600,- €, einer selbst bei erfolgreichen Alben gängigen Summe, sowohl bei Vergleichen als auch bei gerichtlich verhandelten Schadensersatzansprüchen. Da der Künstler deutschsprachige Werke veröffentlicht, bleibt der Schaden auf ein primär deutschsprachiges Publikum begrenzt. Zudem zitierten die Richter eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamburg, das sich gegen "unvertretbar hohe Beträge" aussprach. Auch wurde die auf das Verfahren noch nicht anwendbare, da erst vor kurzem getroffene Entscheidung des Bundestages, unseriöse Abmahnpraktiken gesetzlich einzudämmen, als Grund für einen niedrigeren Schadensersatzwert genannt. In ihren Schlussworten warnten die Richter für einen Missbrauch der Urheberrechtsgesetze zum Zwecke der Gewinnerzielung.
AG München, Urteil vom 07.03.2014, Az. 158 C 15658/13