Hessen soll Schadensersatz für Landeswappen zahlen
Wappen sind traditionelle Zeichen, Symbole für Personen, Familien und auch Gemeinwesen. Alle deutschen Bundesländer führen spezielle Wappen, und das Land Hessen macht hier keine Ausnahme. Das hessische Wappen zeigt auf blauem Grund einen rot-weißen Löwen und eine große goldene Krone. Dieses Wappen hat der Künstler Gerhard Matzat im Jahr 1948 entworfen. Das neu gebildete Land Hessen hatte einen Wettbewerb für die Gestaltung eines Wappens ausgeschrieben. Die prämierten Arbeiten waren allerdings zu kompliziert, weil das Wappen auch für Briefköpfe oder Schilder von Notaren verwendet werden sollte. Wilhelm Heise, der damalige Leiter der Städelschule in Frankfurt, beauftragte seinen Meisterschüler Matzat. Der entwarf den hessischen Löwen, der das Bundesland bis heute repräsentiert.
Nun verlangt Avietta Matzat-Rogoschina, die 79-jährige Witwe des Künstlers, dass das Land Hessen Tantiemen zahlen soll. Ihre Rechtsanwältin Helga Müller erklärt in einem Schriftsatz von über 30 Seiten die Gründe für diese Forderung. Die Witwe ärgert sich darüber, dass ihr 1994 verstorbener Mann nur 180 DM erhalten hat, obwohl 300 DM für den Entwurf des Wappens festgesetzt worden waren. Erst zwei Jahre vor seinem Tod seien weitere Zahlungen von 2.000 DM monatlich geflossen. Bis heute erhält die Witwe aus diesem „Ehrensold“ noch 500 Euro. „Viel zu wenig“, moniert die Anwältin. „Das reicht ja noch nicht einmal für die Miete.“
Auch der Witwe genügt das nicht. Zunächst einmal habe der Künstler große Mühe mit dem Entwurf des hessischen Wappens gehabt. Er habe sich mit der Heraldik befassen müssen. Zudem habe er über die Zahl der Löwenkrallen entscheiden müssen. Hessen wurde aus den Provinzen Kurhessen und Nassau und ebenfalls aus dem Volksstaat Hessen gebildet. Letzterer bestand aus Starkenburg und Oberhessen. Aus der Sicht des Künstlers wurde Hessen also aus vier Komponenten gebildet, symbolisiert durch die Zahl der Raubtierkrallen.
Doch damit nicht genug. Das hessische Wappen findet sich auf Briefpapier, auf Tassen und Tellern, auf Schuhen und Briefmarken. Man könnte diese Aufzählung weiter fortsetzen, und genau hier hakt die Matzat-Witwe ein. Das Land hat nach ihrer Ansicht niemals die Nutzungsrechte für das Wappen erworben. Die Anwältin ist der Meinung, dass Matzat allein durch die Annahme des Geldes keinesfalls einen Kaufvertrag abgeschlossen habe. Die Witwe fordert deshalb Lizenzgebühren, weil ihr Gatte der Urheber des Wappens sei. Zwar betont ihre Rechtsanwältin: „Es geht um die Grundsatzfrage, um Anerkennung, nicht ums Geld.“ Doch offensichtlich spielt das Geld doch eine Rolle in diesem Streit. Bis ein Vertrag geschlossen wird, verlangt Frau Matzat-Rogoschina immerhin einen Vorschuss in Höhe von 50.000 Euro.
Die Rechtsanwältin begründet die Forderungen auch damit, dass das Land durchaus die Nutzung des Wappens gestatte, aber vermutlich müsse der jeweilige Nutzer eine Gebühr zahlen. „Frau Matzat-Rogoschina strebt keine Unterlassung an, aber sie will an den Einkünften beteiligt werden.“ Außerdem soll Gerhard Matzat als Schöpfer Landeswappens wieder in Erinnerung gebracht werden. Seine Leistung soll durch die Nennung seines Namens im Staatsarchiv und auf der Internetseite des Landes gewürdigt werden.
Für die Hoheitszeichen ist das Innenministerium zuständig. Dort will man den Sachverhalt sowie die damalige Rechtslage genau prüfen. Experten bezweifeln jedoch, dass die Forderungen der Künstlerwitwe erfolgreich sein werden.