Haftet Chef für Filesharing am Arbeitsplatz?
Das Amtsgericht (AG) Charlottenburg von Berlin hat mit seinem Urteil vom 08.06.2016 unter dem Az. 231 C 65/16 entschieden, dass eine Firma nicht für Urheberrechtsverstöße ihrer Mitarbeiter haftet, denen sie einen Internetanschluss zur Verfügung gestellt hat. Wenn die Firma (bzw. der Inhaber als verantwortlicher Anschlussinhaber) darlegen kann, zum fraglichen Zeitpunkt den Anschluss gar nicht habe genutzt haben können, kann er damit die Vermutung der Täterschaft widerlegen. Eine Störerhaftung scheidet aus, weil es keine anhaltslosen Prüf- oder Belehrungspflichten gegenüber volljährigen Personen gibt. Die Mitarbeiter sind grundsätzlich selbst für ihre Handlungen verantwortlich.
Damit hat das AG Charlottenburg die Klage einer Tonträgergesellschaft abgewiesen. Diese hält die Verwertungsrechte an dem Musikwerk „Lioness: Hidden Treasures” von Amy Winehouse. Die Klägerin hatte die GmbH G beauftragt, in Internet-Tauschbörsen nach Urheberrechtsverletzungen zu fahnden.
Der Beklagte ist Inhaber eines Internetanschlusses gewesen, den er in seiner Firma betrieb. Es handelt sich bei der Firma um ein Ladengeschäft mit einer Werkstatt für Schmuckherstellung.
Mit anwaltlichem Schreiben ließ die Klägerin wegen des Anbietens des o.g. Werkes in einem Netzwerk abmahnen und den Beklagten zur Zahlung eines Schadensersatzes auffordern. Sie behauptet, der Beklagte habe das Album im Internet angeboten. Das stehe nach Auskunft des Internetanbieters auch fest, da die entsprechende IP-Adresse zur fraglichen Zeit dem Beklagten zugeordnet war. Dies hat der Beklagte mit Nichtwissen bestritten.
Er behauptet, zu keinem Zeitpunkt das Werk im Internet zum Download angeboten zu haben. In seiner Firma seien regelmäßig 10 Mitarbeiter beschäftigt, die Zugriff auf den Internetanschluss hätten. Zum behaupteten Zeitpunkt sei er gar nicht im Geschäft gewesen und sein Computer dort sei auch gar nicht eingeschaltet gewesen. Nur die Zeugin Z sei dort gewesen. Die Zeugin habe die Tat bestritten, sie habe aber eingeräumt, Kenntnisse in Bezug auf Filesharing zu besitzen. Auch andere Mitarbeiter hätten Zugang zur Werkstatt. Sie hätten die Weisung, keine illegalen Downloads über den Anschluss vornehmen zu dürfen. Der Router werde durch ein WPA2-Passwort geschützt.
All dies bestreitet die Klägerin mit Nichtwissen.
Das AG wies die Klage ab, da die Klägerin keinen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz habe. Zwar sei sie die Inhaberin der Rechte an den fraglichen Werken. Einwandfrei sei auch erwiesen, dass der Upload des Werkes vom Anschluss des Beklagten erfolgt sei. Die Täterschaft des Beklagten habe sie aber nicht nachweisen können. Diesbezüglich obliege ihr die Beweislast. Es gebe zwar eine tatsächliche Vermutung, aus der die sekundäre Darlegungslast des Beklagten folge, welcher geltend gemacht habe, dass eine andere Person die Verletzung begangen haben müsse. Damit sei aber keine Umkehr der Beweislast verbunden und auch keine Verpflichtung, die über die prozessuale Wahrheits- und Erklärungspflicht hinausgehe. Der Anschlussinhaber genüge der sekundären Darlegungslast vielmehr dadurch, dass er auf andere Personen hinweist, die als Täter für die Rechtsverletzung in Frage kommen. Im Rahmen des Zumutbaren könne er auch Nachforschungen tätigen müssen.
Vorliegend handele es sich aber nicht um einen privaten Anschluss, so dass bereits fraglich sei, ob die tatsächliche Vermutung entsprechend anwendbar sei. Jedenfalls sei er aber der sekundären Darlegungslast nachgekommen. Es sei nicht plausibel, dass der Beklagte der Täter gewesen sein soll, da er im Gegensatz zur Zeugin Z über das Wochenende gar nicht im Geschäft anwesend gewesen sei.
Auch hafte der Beklagte nicht als Störer. Denn die Störerhaftung dürfe sich nicht über Gebühr auf Dritte erstrecken. Die Haftung des Störers habe die Verletzung von Prüfpflichten zur Voraussetzung, deren Umfang sich nach der Zumutbarkeit bestimme.
Den Beklagten treffen bezüglich seiner erwachsenen Mitarbeiter keine solchen Prüf- und Belehrungspflichten im Hinblick auf den Internetanschluss. Es könne daher auch dahinstehen, ob er eine entsprechende Belehrung vorgenommen habe.
AG Charlottenburg, Urteil vom 08.06.2016, Az. 231 C 65/16