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Filesharing: Minderjährigkeit schützt doch nicht vor Haftung

OLG Hamm, Urteil vom 28.01.2016, Az. I-4 U 75/15


Filesharing: Minderjährigkeit schützt doch nicht vor Haftung

Seit der Morpheus-Entscheidung des BGH (Urteil vom 15.11.2012, Az. I ZR 74/12) steht fest, dass Eltern, die ihren Kindern die Teilnahme an Tauschbörsen verboten haben, nicht für deren Urheberrechtsverletzungen haften. Dies bedeutet aber nicht, dass niemand für den Schaden aufkommen muss. Vielmehr kann der Rechteinhaber versuchen, das Kind in Haftung zu nehmen. Bereits ab sieben Jahren gilt die gesetzliche Vermutung, dass das Kind zur Einsicht in das Unrecht seiner Handlung fähig und damit für diese verantwortlich ist (§ 828 Abs. 3 BGB). Indem sich Eltern mit dem Hinweis exkulpieren, sie hätten ihr Kind über die Gefahren von Tauschbörsen aufgeklärt, stärken sie –meist ungewollt – diese Vermutung. Exemplarisch zeigt dies eine Entscheidung des Oberlandesgerichtes Hamm (Urteil vom 28.01.2016, Az. I-4 U 75/15).
 
Sachverhalt
Der zum Tatzeitpunkt zwölf Jahre alte Sohn eines Anschlussinhabers lud mit dem Filesharing-Programm µTorrent illegal das urheberrechtlich geschützte Computerspiel "Bus Simulator 2012" herunter. Von seinem Rechner luden wiederum andere Nutzer des Peer-to-Peer-Netzwerks das Spiel herunter.
 
Die Vertreiberin des Computerspiels mahnte den Anschlussinhaber in der Folge ab. Dieser antwortete, die fragliche Datei sei vom Rechner seines Sohnes ins Internet hochgeladen worden. Er habe seinen Sohn ausdrücklich angewiesen, keine Spiele, Musik, Filme oder Programme aus dem Internet herunterzuladen oder an Dritte weiterzugeben.
 
Dennoch erwirkte die Vertreiberin von "Bus Simulator 2012" vor dem Landgericht Berlin eine einstweilige Verfügung gegen den Anschlussinhaber. Nachdem dieser Widerspruch eingelegt und nochmals erklärt hatte, er habe seinem Sohn Filesharing untersagt, hob das Landgericht Berlin die einstweilige Verfügung wieder auf.
 
Danach mahnte die Vertreiberin des Computerspiels den Sohn ab. Dieser wies alle Ansprüche zurück und verweigerte die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung, woraufhin die Vertreiberin Klage vor dem Landgericht Bielefeld erhob. Der Sohn wehrte sich mit dem Argument, ihm hätte zum Tatzeitpunkt altersbedingt die zur Erkenntnis seiner Verantwortlichkeit notwendige Einsicht gefehlt. Das Landgericht sah dies freilich anders. Es verurteilte ihn zu Unterlassung, Schadensersatz (510 Euro nebst Zinsen) und Zahlung der Abmahnkosten (780 Euro nebst Zinsen).
 
Dagegen erhob der Beklagte – weitestgehend erfolglos – Berufung an das Oberlandesgericht Hamm.
 
Urteilsbegründung
Die Richter halten den Beklagten für einsichtsfähig und damit verantwortlich für die Tat. Einsichtsfähigkeit besitze, wer nach seiner Verstandesentwicklung fähig sei, die Gefährlichkeit seiner Handlung zu erkennen und sich der Verantwortung für die Folgen bewusst zu sein. Ab einem Alter von sieben Jahren werde die Einsichtsfähigkeit vermutet. Die Darlegungs- und Beweislast für eine fehlende Einsichtsfähigkeit liege beim anspruchsbelasteten Minderjährigen. Beim Beklagten, einem zum Tatzeitpunkt fast dreizehnjährigen Gymnasiasten, vermag das Gericht nach dessen Anhörung keine intellektuellen Defizite auszumachen.
 
Es geht davon aus, dass der Beklagte schuldhaft, das heißt zumindest fahrlässig, wenn nicht gar vorsätzlich, gehandelt hat. Bei einem Minderjährigen zähle, ob er gemäß Alter und Entwicklungsstand den Schadenseintritt hätte voraussehen können und ob es ihm möglich und zumutbar gewesen sei, sich dieser Erkenntnis gemäß zu verhalten. Nach Auffassung des Senats weiß ein fast Dreizehnjähriger, dass Raubkopien im Internet kursieren und dass er diese nicht herunterladen darf. Dies gelte umso mehr, als er von seinen Eltern über die Gefahren des Internets belehrt worden sei. Diesbezüglichen Relativierungen früherer Aussagen seitens der Eltern und des Beklagten schenkt das Gericht keinen Glauben. Kindern dieser Altersgruppe sei es sowohl möglich als auch zumutbar, sich so zu verhalten, dass sie keine Urheberrechte verletzten. Die Ausführung des Beklagten, die fragliche Datei sei im Internet als "free download" gekennzeichnet gewesen, halten die Richter für eine Schutzbehauptung. Ohnehin hätte er einem solchen Hinweis aufgrund der Belehrungen seiner Eltern nicht vertrauen dürfen.
 
Auch bezüglich des Weiterverbreitens habe der Beklagte sorgfaltswidrig gehandelt. Das Gericht stellt auf die Aussage des Beklagten ab, er habe gewusst, dass er Dateien auf seinem Rechner habe freigeben müssen, um das fragliche Computerspiel herunterzuladen. Damit hätte er die Gefahr der Weiterverbreitung erkennen müssen. Seine Ausführung, er habe nicht erkennen können, dass er mit der Datei-Freigabe den Upload von Dateien ermögliche, kann der Senat nicht nachvollziehen. Unglaubwürdig scheint den Richtern auch der Versuch, im Laufe des Verfahrens – trotz anfänglichem Eingeständnis – die Kenntnis der Datei-Freigabe zu bestreiten.
 
Das Oberlandesgericht Hamm bestätigt daher das Urteil der Vorinstanz in allen wesentlichen Punkten. Einzig bei den Abmahnkosten nahm es eine Änderung vor. Da es sich um einen Freistellungs- und nicht um einen Erstattungsanspruch handle, sei keine Verzinsung zulässig.
 
OLG Hamm, Urteil vom 28.01.2016, Az. I-4 U 75/15


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