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Ermittlungssoftware „Observer" der Firma Guardaley ungeeignet

AG Schorndorf, Urteil vom 05.02.2015, Az.: 2 C 567/14


Ermittlungssoftware „Observer" der Firma Guardaley ungeeignet

Das Amtsgericht Schorndorf weist eine Klage der KSM GmbH, Geschäftsführer Benjamin Krause, Otto-von-Guericke-Ring 15, 65205 Wiesbaden, vertreten durch die  Rechtsanwälte Baumgarten Brandt, Friedrichstraße 95, 10117 Berlin, auf Schadensersatz und Erstattung von Abmahnkosten nach einer Filesharing-Abmahnung gleich unter mehreren Gesichtspunkten ab.


1. Zum Einen seien die geltend gemachten Ansprüche verjährt. Die Verjährungsfrist betrage 3 Jahre.

2. Zudem war die eingesetzte Ermittlungssoftware „Observer" der Firma Guardaley (zumindest) im Jahr 2009 nicht geeignet, die behauptete Rechtsverletzung und vor allem deren kausale Zuordnung zum richtigen Störer zu ermitteln.

3. Auch sind die mit der Klage geltend gemachten Abmahnkosten nicht zu erstatten, da es auf der Hand liegt, dass die Klägerseite bei der Vielzahl der Fälle mit ihren Prozessbevollmächtigten besondere Vereinbarungen im Hinblick auf eine Pauschalvergütung, Reduzierung etc. getroffen hat und somit in den Einzelfällen niemals tatsächliche Ansprüche in der geltend gemachten Höhe bestehen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Es kann dahingestellt bleiben, inwieweit der Klägerin die geltend gemachten Forderungen gegen den Beklagten zustanden. Denn diese sind jedenfalls verjährt, §§ 199 ff BGB.

Im Einzelnen:
Hinsichtlich des geltend gemachten Schadensersatzanspruches gemäß Lizenzanalogie, § 97 Abs. 2 UrhG, greift nicht die 10-jährige Verjährungsfrist gern. § 102 UrhG i.V.m.§ 852 BGB, sondern die 3-jährige Regelverjährungsfrist des § 195 BGB ein.
Diese Bestimmungen sind bei dem vorliegend geltend gemachten Anspruch auf Ersatz des Lizenzanalogieschadens in Filesharing-Angelegenheiten nicht anzuwenden. Es wird insoweit auf die Entscheidungen des AG Bielefeld vom 06.03.2014, 42 C 368/13 und AG Düsseldorf vom 24.07.2014, 57 C 15659/13, jeweils recherchiert injuris, verwiesen.

Voraussetzung für die genannten Vorschriften ist, dass „etwas erlangt" wurde. Es handelt sich nach Wortlaut und Systematik mithin um bereicherungsrechtliche Ansprüche. Nachdem in den Fällen des sogenannten Filesharing gerade keine tatsächlichen Lizenzkosten umgangen und dadurch Aufwendungen erspart werden, sondern es sich lediglich um eine abstrakte Berechnungsweise bzw. Hilfkonstruktion über § 97 Abs. 2 UrhG bei der Berechnung eines vermeintlich entstandenen Schadens handelt, sind es hier nicht bereicherungsrechtliche Ansprüche, sondern Schadensersatzansprüche, die geltend gemacht werden. Auf diese sind die o.g. Vorschriften nicht anzuwenden.

Es greift damit die 3-jährige Regelverjährungsfrist gern. § 195 BGB ein.

Abzustellen ist hierbei im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB auf den Zeitpunkt der Kenntnisnahme des vermeintlichen Urheberrechtsverstoßes durch die Klägerin.

Dies gilt auch hinsichtlich der Ansprüche auf die Abmahnkosten, es ist auch diesbezüglich nicht etwa erst auf den Zugang des Abmahnschreibens beim Beklagten abzustellen.

Hinsichtlich der Kenntnis der Klägerin ist nach deren eigenem Vortrag vorliegend auf die Erfassung und Kenntnisnahme durch die klägerseits beauftragte Überwachung durch die Firma Guardaley mittels der Software „Observer", mithin auf den Zeitpunkt 11.09.2009 (vgl. Anlage K2, Vortrag der Klägerin unter Ziffer 3. der Klagschrift), und nicht erst auf den Erhalt der Daten von der Telekom nach Erlangung des Beschlusses des LG Köln, auszugehen. Gemäß §199 Abs.1 Nr. 2 BGB ist für den Verjährungsbeginn entscheidend die Erlangung der Kenntnis des Gläubigers von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners. Diese Erlangung der Kenntnis trat auf Klägerseite - nach ihren eigenen Angaben - bereits mit dem Erhalt der Überwachungsdokumentation durch das von ihr beauftragte Unternehmen, mithin noch im Jahre 2009 ein.
Verjährungshemmende Maßnahmen, hier die Beantragung des Mahnbescheides im Dezember 2013 gern. § 167 ZPO erfolgten damit erst nach Ablauf der Verjährung, welche demnach bereits Ende 2012 eintrat, §§ 195,199 BGB.

Unabhängig von der Verjährung bestehen die Ansprüche der Klägerseite nicht.

Hinsichtlich der Ermittlung der IP Adresse ist mit OLG Köln, 1-6W 242/11, vom 20.01.2012, recherchiert in juris, davon auszugehen, dass das Computerprogram „Observer" - jedenfalls in Jahr 2009 - nicht geeignet war, behauptete Rechtsverletzungen (und vor allem deren kausale Zuordnung zum richtigen „Störer") zu ermitteln. Eine nachträgliche Überprüfung durch einen gerichtlich beauftragten Sachverständigen käme einem unzulässigen Ausforschungsbeweis gleich. Die Anordnung der Auskunft nach § 101 Abs. 9 UrhG wäre rechtswidrig (vgl. OLG Köln aaO, Tenor und Begründung) und nicht verwertbar.

Zum Nachweis im Rahmen des § 286 ZPO genügt die vorgelegte Dokumentation jedenfalls nicht. Zur Einholung eines gerichtlichen Gutachtens bestünde insoweit kein Anlass, nachdem mit Sicherheit davon auszugehen ist, dass ein Sachverständiger zu Vorgängen aus dem Jahre 2009 mangels - rechtsfehlerfrei erlangter - Anküpfungstatsachen keinerlei Feststellungen mehr treffen kann.

Auch ein Anspruch auf Ersatz der Abmahnkosten besteht unabhängig von der Frage der Verjährung und des Bestehens eines Anspruchs gern. 97 Abs. 2 UrhG auch aus folgenden Gründen nicht:

Hinsichtlich des geltend gemachten Anspruchs auf Erstattung der Abmahnkosten kommt es zwar wegen des Wortlautes des § 250 Satz 2 BGB nicht auf die Frage an, ob Zahlungen durch die Klägerseite an ihre Prozessbevollmächtigten auch tatsächlich geflossen sind. Erstattungsfähig sind die Abmahnkosten/vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten jedoch nur dann, wenn davon auszugehen ist, dass der Anspruch in der verlangten Höhe auch tatsächlich besteht. Hier liegt aber - wie von Beklagtenseite vorgetragen- auf der Hand, dass die Klägerseite bei der Vielzahl der Fälle mit ihren Prozessbevollmächtigten besondere Vereinbarungen im Hinblick auf eine Pauschalvergütung, Reduzierung etc., getroffen hat und somit in den Einzelfällen niemals tatsächliche Ansprüche in der geltend gemachten Höhe bestehen. Der Vortrag der Klägerseite ist damit unsubstantiiert bzw. nicht nachvollziehbar. Auf die entsprechenden Einwendungen der Beklagtenseite ist weder weiterer Vortrag der Klägerin noch die Vorlage von Nachweisen erfolgt.

Mithin wäre auch dieser Anspruch unabhängig von der Verjährung als unbegründet abzuweisen gewesen.

Nach alledem war die Klage insgesamt als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Die Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit stützen sich auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

AG Schorndorf, Urteil vom 05.02.2015, Az.: 2 C 567/14 (nicht rechtskräftig, Stand 10.02.2015)


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Kommentare (1)

  • Alex News

    13 Februar 2015 um 21:09 |
    Sehr schön, warum wird aber nicht der Prozessbetrug gesehen und weiter geahndet, wenn seit dem 15.04.2011 dieser Umstand mit dem Observer bekannt ist?
    Pikanterweise wurde dies durch BB mittels Gutachten selbst festgestellt und dem LG Berlin mitgeteilt. In diesem Schreiben steht ausdrücklich, dass es zu rechtsgrundlosen Abmahnungen gekommen sein und RS zu Regressforderungen gegenüber den RI kommen könnte.

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