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Betrachten von Videostreams ist kein Urheberrechtsverstoß

AG Potsdam, Urteil vom 09.04.2014, Az. 20 C 423/13


Betrachten von Videostreams ist kein Urheberrechtsverstoß

In der ersten Hälfte des Jahres 2014 rollte eine enorme Abmahnwelle über Deutschland hinweg. Eine Anwaltskanzlei hatte versucht, die Nutzer eines Streamingportals bereits dafür mit Schadensersatzforderungen zu konfrontieren, weil diese lediglich einen urheberrechtlich geschützten Film angesehen hatten. Von einem Download oder dem Verbreiten des Werkes konnte also keine Rede sein. Das Amtsgericht Potsdam wies dieses Vorgehen nun zurück.

Es war kein Einzelfall
Der Spruchkörper der brandenburgischen Landeshauptstadt hatte sich mit einer Feststellungsklage zu befassen. Sie wurde von dem Kläger erlassen, der juristisch überprüft wissen wollte, ob die Beklagte – eben jene Anwaltskanzlei – tatsächlich im Namen und im Auftrag ihres Mandanten, dem Produzenten des Films, einen Anspruch gegen ihn durchsetzen darf. Denn der betagte Privatbürger hatte im Dezember 2013 ein Abmahnschreiben erhalten, in dem ihm das Ansehen eines Pornofilms unterstellt wurde. Inklusive der Anwaltsgebühren sollte er dafür eine Geldleistung in Höhe von rund 1.350 Euro aufbringen und eine Unterlassungserklärung abgeben. Vergleichbare Fälle hat es Schätzungen zufolge hunderttausendfach im Jahre 2014 in Deutschland gegeben.

Liegt ein Beweisverwertungsverbot vor?
Die Anwaltskanzlei hatte mit einer speziellen Software zuvor das Filmportal überwacht und dabei die IP-Adressen jener Nutzer gespeichert, die bestimmte – dem Rechteinhaber gehörende – Werke geschaut hatten. Mit diesen IP-Adressen wurde sodann beim Landgericht Köln im August 2013 ein Beschluss erwirkt, wonach die Deutsche Telekom AG als Provider die Klarnamen und Adressen der ermittelten Anschlussinhaber freigeben und der Kanzlei übermitteln musste. Sie wiederum versandte auf diese Basis die Mahnschreiben. Da sich die Anwälte aber einer unwahren Behauptung gegenüber dem Landgericht Köln bedient hatten, ist es bereits fraglich, ob die auf diese Weise gesammelten Daten überhaupt verwendet werden dürften. Das Amtsgericht Potsdam vermied dazu leider eine klärende Aussage.

Keine Verwendung des Internetzugangs
Glaubhaft konnte der Kläger darüber hinaus vortragen, dass er den auf ihn zugelassenen Anschluss für das Internet nicht selbst genutzt habe. Er bewohnt das Haus mit seinem volljährigen Sohn. Da jedoch die beklagte Anwaltskanzlei in dem Verfahren nicht vor Gericht erschienen war, konnte sie ihrerseits nicht darlegen, wie sie die IP-Adresse des Klägers erlangt hatte. Der Spruchkörper ließ später in seinem Urteil aber anklingen, dass auch dabei nicht alles mit rechten Dingen zugegangen sein dürfte. Im Zweifelsfall hätte also hier die Verwertung der Beweise genauer geprüft werden müssen. Ob der Sohn hingegen den in Rede stehenden Film ansah, ist unerheblich. Auf ihn hatte sich das Mahnschreiben nicht bezogen.

Die Klage hat Erfolg
Mit seinem Vorbringen erwirkte der Kläger, dass der gegen ihn gerichtete Schadensersatzanspruch unbegründet blieb. Hauptsächlich bewertet wurde dabei der Umstand, dass nicht erkennbar war, wie der Kläger den Film überhaupt geschaut haben soll – besitzt er seinerseits doch keinen Computer. Dennoch vermied das Gericht damit auch eine strenge Auseinandersetzung mit der Frage, ob ein Streaming – also das ledigliche Ansehen eines geschützten Films im Internet – eine zivil- und strafrechtlich relevante Handlung darstellen kann. Diesbezüglich herrscht im deutschen Rechtswesen nach wie vor Uneinigkeit. Immerhin wird beim Streaming nur eine vorübergehende Speicherung des Werks durch den Computer vorgenommen, deren automatische Löschung spätestens beim Herunterfahren des Betriebssystems nicht beeinflusst werden kann.

Ist ein Ende der Abmahnwelle in Sicht?
Das Urteil des Amtsgerichts Potsdam konnte somit keine grundsätzliche Klärung der Frage erbringen, ob das massenhafte Versenden von Abmahnungen durch die Kanzlei wegen des Streamings an sich juristisch einwandfrei durchgeführt wurde. Zwar hat jene Kanzlei gegenüber dem Rechteinhaber der Filme das Mandat bereits niedergelegt. Dennoch ist für künftige Fälle fraglich, ob sich alleine aus dem Ansehen eines solchen Werkes schon ein Schadensersatzanspruch ergeben kann. Es ist also davon auszugehen, dass die Thematik die deutschen Richter auch in den kommenden Monaten noch beschäftigen wird.

AG Potsdam, Urteil vom 09.04.2014, Az. 20 C 423/13


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