Benutzung von Amazon-Bildern für eigene Angebote
Wer im Internet Waren zum Verkauf anbietet, verwendet zur Illustration gerne Fotografien. Auf großen Internethandelsplattformen wie Amazon, auf denen ein Produkt von mehreren Händlern, wenn auch mitunter zu unterschiedlichen Preisen und Konditionen, angeboten wird, sind die Produktinformationen oft einheitlich gestaltet, während die Informationen zu den Anbietern und deren Konditionen gesondert gelistet sind. Erschlossen werden die Produkte hier über die „Amazon Standard Identification Number“ (ASIN). Ein Verkäufer muss deshalb Amazon lediglich die ASIN des Produktes und seine Konditionen übermitteln, um als Anbieter gelistet zu werden. Die Einbeziehung von Fotos in die jeweilige Produktbeschreibung kann jedoch problematisch sein, da diese möglicherweise einem urheberrechtlichen Schutz unterliegen. Macht sich aber ein Händler, der sein Angebot an eine bereits vorhandene Produktbeschreibung mit Lichtbildern „anhängt“, unter Umständen selbst einer Urheberrechtsverletzung schuldig und kann er für einen dadurch entstandenen Schaden haftbar gemacht werden? Diese Rechtsfrage hatte im März 2014 das Oberlandesgericht München zu entscheiden.
Der Fall: Ein europaweit auftretendes Großhandelsunternehmen unterhält eine Unterabteilung, die überwiegend Rücklaufware über Internetverkaufsplattformen wie Amazon vermarktet. Gegen die Praxis, dass diese Unterabteilung beim Vertrieb auf die bei Amazon vorhandenen Fotografien zurückgreift, erwirkte die Tochtergesellschaft eines dänischen Herstellers von exklusivem Wohnaccessoire und Küchengeschirr im Juli 2012 eine einstweilige Verfügung beim Landgericht München I. Im Dezember 2012 erließ das Landgericht auf Antrag der Klägerin in einem schriftlichen Verfahren ein Versäumnisurteil und verpflichtete die Beklagte, die Verwendung der strittigen Fotografien ohne Zustimmung der Klägerin zu unterlassen und Schadensersatz zu leisten. Dagegen erhob die Beklagte Einspruch, woraufhin das Landgericht das Versäumnisurteil wieder aufhob und die Klage abwies (LG München I, Urteil vom 26.03.2013, Az. 33 O 19285/12). Nunmehr legte die Klägerin Berufung beim Oberlandesgericht München ein, dessen 6. Zivilsenat diese am 27. März 2014 zurückwies (Az. 6 U 1859/13).
Bereits das Landgericht hatte festgestellt, dass eine täterschaftliche Urheberrechtsverletzung hier nicht in Betracht komme, da die Beklagte nicht selbst die strittigen Bilder in das Angebot eingestellt habe. Im Berufungsverfahren ging es daher vor allem um die Klärung, ob eine Verletzung des Urheberrechts als Störer vorliegt. Die Klägerin argumentierte, die Beklagte habe durch die Übersendung der ASIN eine Gefahrenquelle eröffnet beziehungsweise an deren Eröffnung mitgewirkt. Der Beklagten sei bewusst gewesen, dass es sich um urheberrechtlich geschützte „fremde“ Fotografien handele und hätte prüfen müssen, ob eine Nutzung zulässig sei. Sie hätte so den Rechtsverstoß verhindern müssen. Zudem hätte die Beklagte nach Auffassung der Klägerin Amazon in ihre Vertriebsorganisation eingebunden, so dass Amazon insoweit als „Beauftragte“ im Sinne von § 99 des Urheberrechtsgesetzes tätig sei. Dementsprechend hafte die Beklagte für ihre Beauftragte.
Dieser Argumentation folgte das OLG nicht. Der Senat legte dar, dass nach höchstrichterlicher Rechtsprechung eine Störerhaftung nur vorliege, wenn jemand, der nicht Täter oder Teilnehmer ist, „willentlich“ oder „adäquat-kausal“ geschütztes Recht verletzt. Eine Störerhaftung erstreckt sich deshalb vornehmlich auf die Verletzung von zumutbaren Prüfpflichten. Nach der Rechtsprechung des BGH setze eine Störerhaftung zudem voraus, dass ein Beklagter zuvor auf eine Rechtsverletzung hingewiesen worden sei. Überdies seien die Bilder bereits vor der Auflistung des Angebots durch den Beklagten auf der Produktseite sichtbar gewesen. Deshalb komme nach Ansicht des Senats eine Prüfpflicht durch den Beklagten nicht in Betracht. Denn die behauptete Rechtsverletzung sei bereits begangen worden und stehe in keinem kausalen Zusammenhang mit den Verkaufsaktivitäten der Beklagten. Diese habe die Gefahrenquelle nicht selbst geschaffen oder an ihrem Entstehen mitgewirkt. Nicht zuletzt auch deshalb habe die Beklagte nach der Überzeugung der Richter keine erfolgversprechende Möglichkeit, auf die Entfernung der Fotos hinzuwirken. Eine Störerhaftung liege somit nicht vor.
Auch eine Beauftragtenhaftung nach § 99 UrhG hielt der Senat für nicht gegeben, denn dies setze voraus, dass der Beauftragte in die betriebliche Organisation des Unternehmens eingegliedert sei und dass der Betriebsinhaber einen bestimmenden und durchsetzbaren Einfluss auf den Beauftragten nehmen kann. Für ein solches Verhältnis zwischen der Beklagten und Amazon gebe es jedoch keinen Anhaltspunkt.
OLG München, Urteil vom 24.03.2014, Az. 6 U 1859/13