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Anspruch des Künstlers auf Reinstallation seines Werks

OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 12.07.2016, Az. 11 U 133/15


Anspruch des Künstlers auf Reinstallation seines Werks

Das Oberlandesgericht Frankfurt a. M. verpflichtet mit Urteil vom 12. Juli 2016 (Az. 11 U 133/15) eine Immobilieneigentümerin, dem Urheber die Wiederaufstellung einer von ihr entfernten Plastik zu erlauben. Die Eigentümerin hatte die Installation vom Dach eines Hochhauses in den Keller verlagert. Das Gericht sieht in der Umplatzierung des mit Bezug zum ursprünglichen Aufstellungsort geschaffenen Kunstwerks eine Beeinträchtigung des ästhetischen Gesamteindrucks, die das Änderungsverbot des § 14 UrhG verletzt.
 
Sachverhalt
2005 baute eine Erbengemeinschaft um den Kunstmäzen Henry Nold das 45 Meter hohe Bürohochhaus an der Eschollbrücker Straße 4 in Darmstadt zu einem Studentenwohnheim um. Auf dem Dach des "Campino" getauften Hochhauses ließ Nold eine sieben Meter breite Plastik des Stahlbildhauers Georg-Friedrich Wolf anbringen, die ein Kornkreissystem symbolisiert. Der Künstler richtete die Installation so aus, dass sie das Licht der aufgehenden Morgensonne auf eine der Darmstädter Hauptverkehrsachsen reflektierte. Im Jahr 2012 verkaufte die Erbengemeinschaft das Hochhaus an eine Frankfurter Immobiliengesellschaft. Die Kornkreisplastik verblieb im Eigentum von Nold und sollte als Dauerleihgabe auf dem Dach des Campino-Hochhauses stehen bleiben.
 
Dem Geschäftsführer der neuen Eigentümerin gefiel die Plastik jedoch nicht. 2014 ließ er sie demontieren und im Keller des Gebäudes zwischenlagern. Er forderte Nold auf, sein Kunstwerk abzuholen, ansonsten werde es entsorgt.
 
Zusammen mit dem Bildhauer Wolf ließ Nold der Immobilieninvestorin per einstweiliger Verfügung die Vernichtung der Plastik untersagen. Im Hauptsacheverfahren gewährte das Landgericht Frankfurt a. M. Wolf zudem den Anspruch, das Kunstobjekt an der ursprünglichen Stelle wieder aufbauen zu dürfen. Dagegen erhob die Immobilienfirma Berufung.
 
Sie führte gegen eine Reinstallation primär wirtschaftliche Interessen ins Feld. Anstelle des Kunstwerks wolle sie ein Logo für das im Dachgeschoss des Hochhauses befindliche Restaurant errichten. Außerdem plane sie, auf dem Hochhausdach weitere Mobilfunkantennen aufzustellen, die ihr jährlich 10.000 Euro einbrächten. Davon abgesehen sei die esoterische Kornkreisplastik nicht mit dem evangelischen Glauben ihres Geschäftsführers vereinbar.
 
Urteilsbegründung
Das Oberlandesgericht Frankfurt a. M. weist die Berufung zurück und bestätigt den Anspruch des Bildhauers auf Reinstallation seiner Plastik am bisherigen Platz. Es sieht in der Demontage einen Verstoß gegen das Änderungsverbot des § 14 UrhG.
 
Unter einer Änderung sei nicht nur ein Eingriff in die körperliche Werkssubstanz zu verstehen, sondern jede Umgestaltung des geistig-ästhetischen Gesamteindrucks. Bei einem Werk, das unter spezifischer Bezugnahme auf seinen Aufstellungsort gestaltet worden sei, gehöre das Zusammenspiel des körperlichen Werkstücks mit der Umgebung zum geistig-ästhetischen Gesamteindruck. Da das Werk seine Aussagekraft ausschließlich im gewählten Umfeld entfalten könne, werde letzteres zum Werksbestandteil.
 
Der Senat unterscheidet zwischen absolut und relativ ortsgebundenen Werken. Absolut ortsgebundene Werke sind für einen genau bestimmten Ort konzipiert. Eine Versetzung beeinträchtigt ihre geistige Substanz immer. Relativ ortsgebundene Werke erfordern eine bestimmte Art von Umfeld. Ihre Verlegung ist zulässig, sofern der neue Standort der ursprünglichen Umgebung entspricht.
 
Vorliegend geht das Gericht von einer absoluten Ortsgebundenheit aus. Das streitgegenständliche Kunstwerk sei gezielt für das nach Osten ausgerichtete Dach des Campino-Hochhauses geschaffen worden. Die Reflexion der Morgensonne auf eine der Hauptverkehrsachsen von Darmstadt gehöre integral zu seiner Konzeption. Eine Wiederaufstellung der Plastik am ursprünglichen Ort sei indes selbst dann zu befürworten, wenn sie lediglich als relativ ortsgebundenes Werk einzustufen sei. Die beklagte Immobiliengesellschaft habe nämlich keinen konkreten Ersatzstandort angeboten.
 
Ebenso wenig stünden einer Reinstallation die Eigentumsrechte der Beklagten im Weg. Die Funkmasten und das gewünschte Restaurant-Logo könnten auch neben der Plastik angebracht werden. Mit dem Logo verfolge die Beklagte ohnehin bloß mittelbare wirtschaftliche Interessen, die nicht geeignet seien, das Interesse des Künstlers an der Integrität seines Werks zu überwiegen.
 
Die vom Geschäftsführer der Beklagten geäußerten religiösen Vorbehalte gegen die Kornkreisplastik halten die Frankfurter Richter für eine Schutzbehauptung, zumal die Beklagte den Einwand erst im Berufungsverfahren vorgetragen hat. Im Übrigen sei unverständlich, weshalb die Hinnahme eines bereits beim Erwerb des Gebäudes vorhandenen Kunstwerks plötzlich nicht mehr mit dem christlichen Glauben vereinbar sein solle.
 
OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 12.07.2016, Az. 11 U 133/15


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