Voraussetzungen einer einstweiligen Verfügung bei Patentverletzung
Das Oberlandesgericht (OLG) in Karlsruhe hat mit seinem Urteil vom 23.09.2015 unter dem Az. 6 U 52/15 über die Voraussetzungen entschieden, die für den Erlass einer einstweiligen Verfügung wegen Patentsachen zu fordern sind. Eine einstweilige Unterlassungsverfügung sei dann möglich, wenn die Sache ohne Weiteres im Eilverfahren entschieden werden kann und sich keine Zweifel hinsichtlich des Rechtsbestands des Klagepatents aufdrängen. Das sei grundsätzlich der Fall, wenn das Klagepatent durch ein erstinstanzliches Nichtigkeitsverfahren gekommen sei. Für die Glaubhaftmachung des Dringlichkeitserfordernisses sei es wichtig, dass der Verfügungskläger die erforderlichen Schritte zur Verfolgung seiner Rechte zielstrebig in die Hand genommen habe.
Die Verfügungsklägerin nimmt die Beklagte im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes in Anspruch, weil die Beklagte ihr europäisches Patent EP 2 295 299 B1 (Verfügungspatent) verletzt haben soll. Die Klägerin begehrt Unterlassung und die Herausgabe patentverletzender Gegenstände an den Gerichtsvollzieher.
Die Klägerin ist die Inhaberin eines in italienischer Sprache angemeldeten Patents, das eine Ausrüstung zum Aufblasen aufblasbarer Artikel zum Gegenstand hat. Das Klagepatent steht auch in der Bundesrepublik Deutschland in Kraft. Gegen die Erteilung des Patents wurde seitens der X A/S Einspruch eingelegt. Dieser wurde mit der Entscheidung vom 30.04.14 zurückgewiesen. Hiergegen hat die X A/S Beschwerde eingereicht; die Beklagte ist dem Einspruch von X A/S beigetreten. Die Beschwerde von X A/S und Beklagter wurde von der Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts mit Beschluss vom 01.07.15 zurückgewiesen.
Die Beklagte gehört zur selben Unternehmensgruppe wie X A/S und bietet in Deutschland Reifenreparaturkits unter der Produkt-Bezeichnung „X iS 15A“ (angegriffene Ausführungsform) an.
Die Klägerin mahnte die Beklagte deswegen mit Schreiben vom 26.11.14 ab und wies auf ein Urteil hin. Die Beklagte ließ die Abmahnung mit Anwaltsschreiben vom 05.12.14 zurückweisen, da eine Patentverletzung nicht vorliege und das Verfügungspatent sich als nicht schutzfähig würde erweisen lassen. Daraufhin reichte die Klägerin einen Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung wegen der Verletzung des Patents bei Gericht ein. Außerdem hat sie am 09.01.15 Hauptsacheklage erhoben, das Patent war auch Gegenstand zweier Verfügungsverfahren vor dem Landgericht und dem Oberlandesgericht Düsseldorf, das andere Produkte betraf.
Mit dem angefochtenen Urteil wurde es der Antragsgegnerin untersagt, Ausrüstsätze zum Aufblasen und zum Reparieren aufblasbarer Dinge, vor allem Reifen, in Deutschland anzubieten, wenn eine Verbindungseinrichtung bei Nichtgebrauch um das Gehäuse gewickelt und in einer Nut des Gehäuses verstaut ist.
Die Antragsgegnerin wurde außerdem verpflichtet, die in ihrem Besitz befindlichen Ausrüstsätze an einen zuständigen Gerichtsvollzieher herauszugeben.
Das LG hat eine Verletzung des Patents durch die streitgegenständliche Ausführungsform bejaht. Ein Verfügungsgrund liege vor. Die Frage sei nicht schwer zu beurteilen; der rechtliche Bestand des Patents sei ausreichend gesichert. Die Klägerin habe auch ihre Rechte mit dem geforderten Nachdruck verfolgt, zudem sei sie auf Durchsetzung im einstweiligen Verfügungsverfahren auch angewiesen. Dass sie bereits am 14.05.14 Kenntnis von der Verletzung hatte, sei unschädlich; wichtig sei, dass der Verfügungsantrag innerhalt eines Monats bei Gericht lag.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Das Patent sei nicht rechtsbeständig, da es an einer erfinderischen Tätigkeit fehle.
Außerdem sei die Dringlichkeit nicht gegeben. Ferner fehle es an der Verletzung des Patents.
Doch die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg. Denn das OLG schließt sich im Wesentlichen der Begründung des LG an. Dieses habe zu Recht die einstweilige Verfügung erlassen. Die Interessen der Klägerin überwiegen diejenigen der Beklagten. Die Klägerin habe die Sache auch mit dem gebotenen Nachdruck verfolgt. Die Dringlichkeitsvermutung gemäß § 12 UWG sei in der Regel dann widerlegt, wenn seit der Kenntnisnahme vom Verletzungssachverhalt über ein Monat vergangen ist. In Einzelfällen könne von dieser Frist abgewichen werden. Der Verfügungskläger müsse bei der Rechtsverfolgung kein erhöhtes Prozessrisiko durch mangelnde Kenntnisse eingehen. Daraus folge, dass eine sorgfältige Ermittlung des Sachverhalts dem Kläger zugestanden werden müsse, solange er die erforderlichen Schritte zielstrebig in die Wege leite. So liege die Sache auch hier.
OLG Karlsruhe, Urteil vom 23.09.2015, Az. 6 U 52/15