Verwechslungsgefahr zwei ähnlicher Marken
In dem vorliegenden Rechtsstreit ging es um zwei Marken, die sowohl in Wort als auch Bild ähnlich klingen und aussehen. Gehen Markensachen in einem Rechtsstreit vor Gericht, geht es in den meisten Fällen um den typischen Klassiker, die Verwechslungsgefahr beider Marken. Dieser Fall ging jedoch noch etwas weiter und griff die Frage des Schutzes und der Kollision von Dienstleistungs- und Handelsmarken auf.
Die Wort-/Bildmarke 30 2011 062 637 „Bio GOURMET“ (beige, grün, schwarz) der Beschwerdeführerin ist seit dem 17.11.2011 angemeldet und am 22.03.2012 in das Markenregister beim Deutschen Patent- und Markenamt für die Warenklassen 29, 30 und 35 (Handelswaren und Dienstleistungen) eingetragen worden. Die Veröffentlichung erfolgte am 20.04.2012.
Die Wort-/Bildmarke der Beschwerdegegnerin 30 2009 044 186 „GOURMET Bio“ (grün, beige) ist am 21.01.2011 für die Warenklassen 29, 30, 31, 32, 33 und 35 (gleichfalls Handelswaren und Dienstleistungen) eingetragen worden.
Die Inhaberin der älteren Marke 30 2009 044 wehrt sich gegen die jüngere Marke 30 2011 062 637, da sie eine akute Verwechslungsgefahr der beiden Marken in den angesprochenen Verkehrskreisen befürchtet. Sie hat am 01.06.2012 Widerspruch aus ihrer älteren Marke gegen die angegriffene, jüngere Marke erhoben. Hiergegen hat sich die Inhaberin der angegriffenen Marke durch das Rechtsmittel der Beschwerde gewendet. Mit Beschluss vom 09.10.2013 hat die Markenstelle für Klasse 35 des DPMA die angegriffene Marke gelöscht. Das Gericht stellt bei beiden Marken eine ähnliche grafische Gestaltung fest, es bestehe eine hohe optische Zeichenähnlichkeit zwischen den beiden Marken. Die Verwechslungsgefahr sieht das Gericht in den Zeichen, der Ellipsenform, der Randgestaltung und in der Farbwahl begründet. Die Wortelemente der Widerspruchsmarke seien zwar nicht schutzfähig, da sie unmittelbar beschreibend für die zu vergleichenden Waren und Dienstleistungen seien. Gleichwohl könne der Widerspruchsmarke der Schutz nicht insgesamt verweigert werden. Eine unmittelbare Verwechslungsgefahr der stark einander angeglichenen Marken sei gegeben.
Die Markeninhaberin der angegriffenen Marke wendet sich gegen diese gerichtliche Feststellung mit Einlegung der Beschwerde. Sie verneint eine optische und klangliche Verwechslungsgefahr. Die unterschiedliche Stellung der Wortelemente „Bio“ und „Gourmet“ in den Vergleichszeichen verhindere eine klangliche Verwechslungsgefahr. Außerdem verhindere der stark beschreibende Charakter dieser beiden Wortzeichen eine Verwechslungsgefahr, da sie eine jeweils unterschiedliche Bedeutung hätten. Das Wortelement „Bio Gourmet“ beschreibe eine Person, die Feinschmeckerprodukte zu schätzen wisse, während das Wortelement „Gourmet Bio“ die Feinschmeckerprodukte an sich beschreibe. Aus der Gestaltung der Ellipsenform dürfe keine Verwechslungsgefahr konstruiert werden, da sonst aus schutzfähigen Elementen ein Markenschutz abgeleitet würde. Auch in der Farbwahl sieht die Beschwerdeführerin hinreichende Unterschiede der beiden Marken. Sie hat daher beantragt, den Beschluss der Markenstelle vom 09.10.2013 aufzuheben und den Widerspruch aus der Marke 30 2009 044 186 der Beschwerdegegnerin zurückzuweisen. Die Beschwerdegegnerin ihrerseits hat die Zurückweisung der Beschwerde beantragt. Sie richtet sich mit ihrer Eingabe gegen die von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Argumente.
Die Beschwerde ist hinsichtlich der im Tenor genannten Dienstleistungen begründet. In diesem Umfang besteht keine Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG. Hinsichtlich der Dienstleistungen „Werbung; Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten“ hebt die Beschwerdeinstanz den beschwerdegegenständlichen Beschluss der Vorinstanz auf, da zwischen den streitgegenständlichen Zeichen schon mangels Ähnlichkeit der zu vergleichenden Waren und Dienstleistungen keine Verwechslungsgefahr besteht. Das Bundespatentgericht folgt der Rechtsprechung, nach der es eine absolute Grenze der Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit gibt, die auch bei Identität der Zeichen nicht zu einer Verwechslungsgefahr der Marken führt. Eine Ähnlichkeit zwischen den Dienstleistungen der angegriffenen Marke „Werbung; Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten“ in Klasse 35 und den Einzel- und Großhandelsdienstleistungen der Widerspruchsmarke in Klasse 35 besteht nicht. Hinsichtlich der übrigen Waren und Dienstleistungen der angegriffenen Marke folgt das Bundespatentgericht der Rechtsprechung der Vorinstanz und hält die Löschung wegen Verwechslungsgefahr gemäß §§ 42 Abs. 2 MarkenG aufrecht. Das Gericht stellt hinsichtlich der zu vergleichenden Waren eine Identität und eine enge Ähnlichkeit fest. Auch betreffend die Dienstleistungen der beiden Marken in Klasse 35 sieht das Bundespatentgericht die Gefahr einer Verwechslung. Jedoch ist in der Rechtsprechung bisher noch nicht abschließend darüber entschieden worden, inwieweit zwischen Einzelhandelsdienstleistungen mit divergierendem Warensortiment Ähnlichkeit besteht. In der Rechtsliteratur und auf europäischer Ebene wird in dieser Hinsicht verschiedenen Argumenten gefolgt. Zugrunde zu legen sind in dieser Hinsicht die Branchengewohnheiten und die damit verbundenen Erfahrungswerte. Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist unterdurchschnittlich. Das Gericht zieht den erforderlichen deutlichen Abstand zwischen den Vergleichsmarken aufgrund der eher geringen Aufmerksamkeit, die die angesprochenen Verkehrskreise, die sich aus der Allgemeinheit der Verbraucher zusammensetzen, den beanspruchten Waren und Dienstleistungen entgegenbringen, heran. Diesen erforderlichen Abstand der jüngeren Marke sowohl in visueller als auch in grafischer und farblicher Hinsicht sieht das Gericht als nicht gegeben an.
Abschließend stellt die Beschwerdeinstanz fest, dass unter Abwägung der einzelnen rechtserhebliche Verwechslungsgefahr begründenden Faktoren im Bereich der ähnlichen Waren und Dienstleistungen wegen der an Identität grenzenden Zeichenähnlichkeit trotz der unterdurchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke eine Verwechslungsgefahr anzunehmen ist.
Auf eine Kostenauferlegung auf eine der Beteiligten verzichtet das Bundespatentgericht aus Billigkeitsgründen (§ 71 MarkenG). Die Rechtsbeschwerde gemäß § 83 MarkenG war aufgrund der grundsätzlichen Bedeutung des Streitfalls zulässig. Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu.
Bundespatentgericht, Beschluss vom 16. April 2014, Az.: 29 W (pat) 547/13