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Markenverletzung durch Anzeige von Konkurrenzprodukten in der Amazon-Suche

OLG München, Urteil vom 12.05.2016, Az. 29 U 3500/15


Markenverletzung durch Anzeige von Konkurrenzprodukten in der Amazon-Suche

Ein weiterer Fall der Anzeige von Konkurrenzprodukten in der Ergebnisliste der Amazon-Produktsuche wurde mit Urteil vom 12.05.2016, Az. 29 U 3500/15 vom OLG München entschieden. Wie bereits zuvor andere Gerichte (so etwa OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 11.02.2016, Az. 6 U 6/15) sah das OLG München darin eine Markenverletzung.

Amazon zeigt Konkurrenzprodukte in den Suchergebnissen „nach Relevanz“ an
Der Geschäftsführer der Klägerin, eine Herstellerin u. a. für wasserdichte Taschen, ist Inhaber der Wortmarke „ORTLIEB“. Die Klägerin machte gegen Amazon (bzw. gegen drei der Tochtergesellschaften von Amazon) Unterlassungsansprüche aus Markenrecht, hilfsweise aus Wettbewerbsrecht, geltend. Sie vertreibt ihre Produkte selbst über einen Online-Shop und arbeitet nicht mit Amazon zusammen. Bei Eingabe des Suchbegriffs „Ortlieb“ auf www.amazon.de, erschienen auch Angebote von Konkurrenzherstellern, darunter Eigenangebote von Amazon und Angebote von Drittanbietern. Das Wort „Ortlieb“ wurde dabei in der Suchzeile und der Menüleiste angezeigt. Die Klägerin rügte, die Beklagte habe das Zeichen „Ortlieb“ markenmäßig benutzt und zwar im Rahmen einer kommerziellen Kommunikation mit den Besuchern der Plattform, um Waren voneinander zu unterscheiden. Die Beklagte verteidigte sich damit, dass die angezeigten Suchergebnisse nach Relevanz zusammengestellt werden. Dies geschehe durch einen Algorithmus, der vorangegangene Nutzerverhalten danach auswerte, welche Treffer für den Kunden am relevantesten seien. Die Beklagte benutze das Zeichen „Ortlieb“ darum nicht markenmäßig, sondern beantworte nur die Suchanfrage des Nutzers. Zudem liege keine Verwechslungsgefahr vor, da die Plattformnutzer abweichende Suchergebnisse erwarten, dies auch erkennen und mit Werbung rechnen würden.

Amazon bestimmt den Algorithmus der internen Suchfunktionen
Das Landgericht gab der Klage statt und verurteilte Amazon, es zu unterlassen, in der Ergebnisliste der internen Suchmaschine auf www.amazon.de auf die Eingabe von „Ortlieb“ hin Taschen, Rucksäcke u. ä. anzuzeigen, die nicht von der Klägerin vertrieben werden. Dagegen wendete sich Amazon mit der Berufung. Das OLG München bestätigte das Urteil des Landgerichts und hielt die Berufung der Beklagten für unbegründet. Der Klägerin stehe der markenrechtliche Unterlassungsanspruch gemäß § 14 Abs. 5, Abs. 2 Nr. 1 Markengesetz zu, denn Amazon habe das geschützte Zeichen „Ortlieb“ – und somit ein mit der Marke identisches Zeichen – für Produkte benutzt, die mit den Waren identisch sind, für welche die Marke Schutz genießt. Dies sei eine markenmäßige Verwendung. Insbesondere führt das OLG München aus, der Algorithmus der Suchmaschine werde durch Amazon selbst vorgegeben, wodurch bei Eingabe des Zeichens „Ortlieb“ die Produkte von Konkurrenten angezeigt werden. Daher könne Amazon nicht argumentieren, die Nutzer gäben die Marke selbst ein, weshalb keine markenmäßige Benutzung vorliege. Die angezeigten Ergebnisse seien zudem Teil der kommerziellen Kommunikation der Beklagten mit den Verbrauchern und nicht der Drittanbieter.

Die Herkunftsfunktion der Marke wird beeinträchtigt
Die Bezeichnung der Marke diene grundsätzlich auch der Unterscheidung der geschützten Waren von den Waren anderer Hersteller. Wird der Kunde nach Eingabe des Zeichens in der internen Suchmaschine auf Produkte von Drittanbietern hingewiesen, so werde das Zeichen hier markenmäßig benutzt. Amazon beeinträchtige die Lotsenfunktion der Marke der Klägerin, da Verbraucher auf der Amazon-Plattform bei Eingabe des Markenzeichens zu Konkurrenzprodukten geleitet werden. Dadurch werde die Herkunftsfunktion der Marke beeinträchtigt. Es spiele hier gerade keine Rolle, ob die Nutzer erkennen, dass es sich bei den angezeigten Waren um Konkurrenzprodukte handelt. Denn es liege hier kein Fall des „Keyword-Advertising“ vor, bei dem die Anzeige von Drittprodukten auf das jeweilige Verhalten der Drittanbieter zurückzuführen ist. Nach eigenem Vortrag sei die Anzeige der Konkurrenzprodukte auf eine Auswertung des Verhaltens der Amazon-Nutzer durch die Beklagte zurückzuführen.

Die Suchergebnisse werden nicht klar als Werbung gekennzeichnet
Das OLG München führt weiter aus, dass die Suchergebnisse dem Amazon-Nutzer als „echte“ Treffer zu seiner Suchanfrage angezeigt werden. Eine Trennung zwischen Treffern und Werbung erfolge hier nicht. Dadurch entstehe fälschlicherweise der Eindruck, die gelisteten Waren seien Produkte der Marke „Ortlieb“. Dies beeinträchtige die Herkunftsfunktion der Marke. Insbesondere werde diese Funktion unabhängig von der Erkennbarkeit des Vorliegens von Konkurrenzprodukten durch die Darstellung in den Suchergebnissen beeinträchtigt. Auch handele es sich hier nicht um eine wirksame vergleichende Werbung, da Amazon keine konkrete Aussage über das Verhältnis des Konkurrenzangebots zum Angebot des Klägers mache. Vielmehr stünden die Angebote kommentarlos nebeneinander.

Amazon muss seinen Algorithmus anpassen
Abschließend ging das OLG München auf den Vortrag der Beklagten ein, ob die Verwendung der Marke zulässig sei, da sich ansonsten eine unverhältnismäßige Gefährdung des Geschäftsmodells von Amazon ergebe. Es sei überhaupt schon fraglich, ob ein Geschäftsmodell, das auf Rechtsverletzungen durch einen Algorithmus basiert, schutzwürdig sein könne. Amazon könne diesen Algorithmus umprogrammieren. Auch den Hinweis der Beklagten, dies sei technisch nicht möglich, zerstreut das OLG München durch seinen Verweis auf andere Onlineshops, die sehr wohl in der Lage seien, ihren Algorithmus entsprechend zu programmieren. Die Revision wurde nicht zugelassen. Das OLG München nimmt die in der Rechtsprechung überwiegend vertretene Ansicht an, wonach hier eine Markenverletzung zu bejahen ist. Jedoch sieht das etwa das LG Berlin (Urteil vom 02.06.2015, Az. 91 O 47/15) anders.

OLG München, Urteil vom 12.05.2016, Az. 29 U 3500/15


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