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Die Langstrumpf darf feiern

BGH, Urteil vom 19.11.2015, Aktenzeichen I ZR 149/14


Die Langstrumpf darf feiern

Der Bundesgerichtshof hat am 19.22.2015 zum Aktenzeichen I ZR 149/14 als Revisionsgericht einen urheberrechtlichen Streit durch Urteil entschieden. Die Frage, ob dem Schöpfer einer Romanfigur Urheberrechte an dieser Figur zustehen, die über das allgemeine Urheberrecht an dem literarischen Werk, zu dem die Figur gehört, hinausgehen, war schon Gegenstand eines vom Bundesgerichtshof unter dem Aktenzeichen I ZR 52/12 geführten Rechtsstreits. Zum Streitgegenstand war in beiden Fällen die bekannte Figur der „Pippi Langstrumpf“ aus dem Romanwerk der Schriftstellerin Astrid Lindgren geworden. Rote, zu vom Kopf abstehenden Zöpfen geflochtene Haare und ein unkonventioneller Kleidungsstil, zu dem T-Shirt und lange Socken mit farbintensivem Ringelmuster gehören, sind für Generationen zum Markenzeichen dieser Figur geworden, die eine unkonventionelle, freie Lebenseinstellung symbolisiert. Neben auffallenden äußeren Merkmalen hat die Autorin ihre Figur mit vielen ausdrucksstarken Charaktereigenschaften ausgestattet.

Seit Jahrzehnten ist das farbenfrohe, ausdrucksstarke und verhältnismäßig einfach zu gestaltende Erscheinungsbild der „Pippi Langstrumpf“ als Faschingskostüm für Erwachsene und Kinder beliebt. Aufgrund dieser Tatsache hatte die Beklagte in Werbeprospekten mit Abbildungen einer Frau und eines Mädchens für Karnevalskostüme geworben, die sich durch buntes, unkonventionelles Outfit und rote Perücken als „Pippi Langstrumpf“ zu erkennen gaben. Die entsprechende Ausstattung wurde als Karnevals-Kostümset zum Kauf angeboten. Die Inhaber der Urhaberrechte an dem literarischen Werk der bereits verstorbenen Schriftstellerin Astrid Lindgren beanstandeten die Veröffentlichung von Fotografien, auf denen die Romanfigur „Pippi Langstrumpf“ zu sehen ist. Die Klägerin sah sich durch den Umstand, dass die Beklagte Fotos von als „Pippi Langstrumpf“ verkleideten Personen veröffentlichte, ohne eine Erlaubnis einzuholen und eine Lizenzgebühr in Höhe von etwa 50.000 € zu entrichten, geschädigt und reichte Klage bei dem Landgericht Köln ein. Sie verlangte unter anderem Schadensersatz für entgangene Lizenzgebühren. Der Klage wurde in erster Instanz stattgegeben. Die daraufhin von der Beklagten beim Oberlandesgericht Köln eingereichte Berufung blieb zunächst ohne Erfolg. Gegen das Berufungsurteil legte die Beklagte Revision beim Bundesgerichtshof ein.

Die Richter des I. Senats am Bundesgerichtshofes wiesen die Klage teilweise ab und verfügten hinsichtlich eines weiteren Teils die Zurückverweisung an das Berufungsgericht. Grundsätzlich bestätigten sie die Rechtsprechung, die das Erschaffen einer Romanfigur als Teil eines künstlerischen Werkes unter besonderen Urheberrechtsschutz stellt. Ein urheberrechtlicher Schadensersatzanspruch gemäß § 97 Absatz 2 UrhG, wie ihn die Gerichte in erster und zweiter Instanz zuerkannt haben, könnte also berechtigt sein, wenn eine besondere Identifikation mit der Romanfigur stattgefunden hätte. Der Bundesgerichtshof erklärt, dass für die Feststellung, ob die nach § 4 Ziffer 9 UrhG verbotene Nachahmung im Falle einer Romanfigur vorliegt, aufgrund des Alters der Vorlage ein besonders hoher Maßstab anzulegen sei. Eine urheberrechtlich relevante Nachahmung müsste in einer Vielzahl von Einzelmerkmalen detailgetreu der dargestellten Figur nachempfunden sein. Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall nach Ansicht der höchsten Zivilrichter nicht gegeben. Die angebotenen Karnevalskostüme bedienten nur allgemein die klischeehafte Vorstellung von einer „Pippi Langstrumpf“ nachempfundenen Figur, die auffällige rote Haare, eine unkonventionelle Frisur, einen sehr lässigen Kleidungsstil und einen eigenartigen Farbsinn aufweist.

Es handelt sich dabei nach Ansicht des Bundesgerichtshofs nicht um eine nach § 23 UrhG zustimmungspflichtige Gestaltung der Romanfigur, sondern um eine nach § 24 UrhG freie Neuschöpfung. Es soll bei der Verwendung eines Karnevalskostüms gerade nicht der Eindruck erweckt werden, dass „Pippi Langstrumpf“ selbst erscheine. Durch das Anlegen einer Verkleidung wird gleichzeitig Nähe, aber auch Distanz zu der dargestellten Figur deutlich. Die verkleidete Person will bestimmte Eigenschaften der Figur betonen, während es ihr im Übrigen nicht darauf ankommt, den Gesamtcharakter der Figur authentisch herauszuarbeiten. Durch die Verwendung als Karnevalskostüm wird das Gestaltungsumfeld der Romanfigur verändert. Der Bundesgerichtshof hat, anders als das Oberlandesgericht, entschieden, dass aufgrund des Alters der Vorlage und der Modifikation der Nutzung bei der Gestaltung einer „Pippi Langstrumpf“-Verkleidung eine freie Abwandlung der Figur vorliegt. Bei weiterem Schutzbedürfnis bestände die Möglichkeit einer Markeneintragung oder des Design-Schutzes.

BGH, Urteil vom 19.11.2015, Aktenzeichen I ZR 149/14


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