Auslegung eines Patentanspruchs
In diesem Urteil befasste sich der BGH mit den Grundsätzen der Auslegung von Patentschriften. Dem Urteil lag ein Verfahren vor einem Patentgericht zugrunde, in dem die Kläger die Nichtigerklärung eines von der Beklagten aufgestellten Patentanspruches verlangten.
Das Patentgericht verwarf einige der Patentansprüche der Beklagten als nicht patentfähig, ließ andere allerdings bestehen, da es sie für ordnungsgemäß befunden hatte.
Sowohl die Kläger, als auch die Beklagte, lagen Berufung gegen die Entscheidung des Patentgerichtes ein, über die sodann von dem BGH zu entscheiden war.
Bei den Patentansprüchen handelte es sich um die Patentierung eines Verfahrens zur Vergabe von Zugriffsrechten auf einen von mehreren Telekommunikationsstationen genutzten Telekommunikationskanal. Das von der Beklagten vorgelegte Verfahren sollte durch zwei Codierungsmethoden einen effizienteren Weg gewährleisten, den Telekommunikationskanal zu verteilen und eine Überlastung des Kanals zu verhindern.
Der BGH wies die Berufung der Beklagten zurück und erklärte das Verfahren für nicht patentierungsfähig.
Der Entscheidung sind aber über den bloßen Ausgang des Verfahrens hinaus, zwei Leitsätze zur grundsätzlichen Auslegung im Rahmen des Patentgesetzes zu entnehmen:
Zum einen sah das Patentgericht in seiner Entscheidung die von der Beklagten vorgelegten zwei Codierungsmethoden als ein kumulatives Verfahren an, welches der Reihenfolge nach verwendet werden musste, um eine entsprechende Verteilung des Telekommunikationskanals zu gewährleisten. Als Folge dieser Auslegung, würde keines der von der Beklagten in der Patentschrift vorgelegten Ausführungsbeispiele zur Anwendung kommen, die allesamt auf einem auch nur alternativ durchzuführenden Verfahren basierten. Der BGH hingegen, erkannte eine solche Bewertung durch das Gericht als eine unzulässige Auslegung, da ein kumulatives Verfahren aus der Patentschrift der Beklagten seines Ermessens nach nicht zu deuten war.
Das Gericht befand, dass eine Auslegung, bei der die vorhandenen Ausführungsbeispiele des Patentanspruchstellers nicht zur Anwendung kommen, ausschließlich in den Fällen herangezogen werden darf, in denen sich bereits aus Wort und Form der Patentschrift Anhaltspunkte darauf ergeben, dass tatsächlich etwas anderes als das Beschriebene beansprucht wird. Daneben komme eine derartige Auslegung auch dann noch ausnahmsweise in Frage, wenn keine andere Auslegung möglich sei, bei der die zumindest teilweise Anwendung der Ausführungsbeispiele nahegelegt werde.
Da der BGH hier solche Voraussetzungen nicht vorfinden konnte, da die Patentschrift eine eindeutige Anwendung der Ausführungsbeispiele nahelegte, erkannte es die Auslegung durch die erste Instanz für fehlerhaft.
Der zweite grundlegende Leitsatz ist damit verbunden, dass der BGH die Patentansprüche der Beklagten letzten Endes für keine neue erfinderische Tätigkeit und somit für nicht patentierungsfähig befand.
Das Verfahren, welches von der Beklagten vorgelegt wurde, stellte zwar tatsächlich eine neue Variante der Vorgehensweise bei der Verteilung von Telekommunikationskanälen dar. Diese neue Herangehensweise beruhe jedoch nicht auf erfinderischer Tätigkeit, sondern sei lediglich ein weiterer Lösungsweg, der von einem Fachmann mittels früher geltenden technischen Standards als gangbare Alternative eingeschlagen werden könnte.
Die Tatsache, dass die Standards, die zu einem derartigen Lösungsweg führen, mittlerweile im Zuge anderer Patente durch neue, heute vorherrschende Standards abgelöst wurden und diese neuen Standards einen derartigen Lösungsweg nicht nahebringen, wirke sich nicht hindernd auf diese Ansicht aus. Die Lösung eines Problems sei nicht nur deswegen nicht naheliegend, da es nur nach älteren und nicht den aktuellen technischen Standards zu lösen sei. Da andere Ausgangsbedingungen die Anwendung bereits veralteter Standards aus der Sicht eines Fachmannes gegenüber den neuen Standards durchaus vorzugswürdiger erscheinen lassen können, ist ein Rückgriff auf bereits als überholt klassifizierte Maßnahmen nicht ausgeschlossen oder undenkbar.
Demnach liegt durch den Zugriff auf bereits vorhandene Ideen und Methoden bei der Erarbeitung des Lösungsweges der Beklagten eben keine neue erfinderische Tätigkeit vor, die eine Patentfähigkeit rechtfertigen würde.
BGH, Urteil vom 14.10.2014, Az. X ZR 35/11