Patent kann Priorität von Voranmeldung in Anspruch nehmen
Am 11.08.2015 hat der Bundesgerichtshof zum Aktenzeichen X ZR 83/13 ein patentrechtliches Berufungsverfahren durch Urteil entschieden. Gegenstand des Rechtsstreits war der Status von Patenten, die die technische Fortentwicklung von Steinkörben betreffen. Es geht dabei insbesondere um Möglichkeiten, Steinkörbe, die auch als Gabionen bekannt sind, zu bewegen und nach dem Befüllen an ihre Verwendungsorte zu transportieren. Bei den Steinkörben handelt es sich um Behältnisse, bei denen Flächenelemente als Bodenplatte, als Seitenteile und als Oberseite verwendet werden, die meistens aus Drahtgeflecht oder anderen, ebenso formstabilen wie durchlässigen Werkstoffen bestehen. Die Steinkörbe sind dazu bestimmt, mit Steinen gefüllt als Stützmauern, aber auch als Gewässeruntergrund oder als Klärelemente benutzt zu werden. Streitgegenstand ist ein Patent, dass die Möglichkeit betrifft, den Steinkorb mit Hebebügeln zu versehen, die mit der Bodenplatte fest verbunden sind. Ein entsprechendes Patent wurde in Deutschland am 07.09.2001 unter der Patentnummer 1 186 719 eingetragen. Inhaber dieses Patents, das unter Inanspruchnahme der bereits vorhandenen Prioritäten von zwei mit Datum vom 08.09.2000 und vom 13.08.2001 eingetragenen Gebrauchsmustern, ist der Beklagte.
Der Kläger wendet gegen noch bestehende Teile des im Jahr 2001 eingetragenen und durch Urteil des Bundespatentgerichts im Jahr 2011 teilweise wieder gelöschten Patents mangelnde Patentfähigkeit ein. Er geht davon aus, dass die betroffenen Patente zum Zeitpunkt ihrer Eintragung keine Neuerungen für den „Stand der Technik“ bedeuteten. Betroffen sind Passagen, die die feste Verbindung von Hebebügeln mit dem Boden des Steinkorbs betreffen. Durch diese vom Grundmodell des Steinkorbs abweichende Veränderung wird das Transportieren eines Steinkorbs auch nach dem Befüllen möglich. Dadurch kann Zeit und Aufwand auf der Baustelle gespart werden. In Japan wurde im Jahr 2001 eine Offenlegungsschrift niedergelegt, die ebenfalls die Transportfähigkeit von befüllten Steinkörben betraf. Es ging dabei allerdings noch nicht um Hebebügel, die fest mit der Bodenplatte verbunden wurden, sondern zunächst um die notwendige Formstabilität, die für einen Transport mit von außen vorübergehend angebrachten Hebewerkzeugen notwendig wäre. Nach Ansicht des Klägers war der Stand der Technik zur Zeit der Patentanmeldung darüber hinaus durch das Vorhandensein der in Bezug genommenen Gebrauchsmuster geprägt. Es handelte sich hierbei um Gebrauchsmuster für eine Verwendung des Steinkorbs als Gewässergrund und als Klärelemente. Auch wenn die Hebebügel noch nicht fest mit dem Unterboden verbunden waren, um beim Anheben die Hebelkraft auf die Bodenplatte zu konzentrieren, waren vorgefertigte Hebel und Spangen hier Gegenstand der Erfindung. Diese Hebel dienten der Formstabilität und der sicheren Verankerung, aber auch dem Herablassen gefüllter Steinkörbe.
Der Bundesgerichtshof entschied ebenso wie das in der Vorinstanz angerufene Bundespatentgericht, dass die vorhandene Identität der Erfindungen dazu ausreichte, um im Jahr 2001 die Prioritäten der bereits vorhandenen Gebrauchsmuster zur Eintragung des streitgegenständlichen Patents zu nutzen. Die Richter des zehnten Zivilsenats am Bundesgerichtshof wiesen deshalb die gegen das klageabweisende Urteil des Bundespatentgerichts eingelegte Berufung als zulässig, aber unbegründet ab. Weil in den bereits vorhandenen Gebrauchsmustereintragungen zwar die Erfindung eines Hebebügels, der für Kraftübertragung auf die Bodenfläche des Steinkorbes sorgt, noch nicht enthalten, aber bereits angelegt war, wurde die zur Inanspruchnahme der Priorität notwendige Identität der Erfindungen im Ergebnis bejaht. Zu diesem Schluss kamen die Richter aufgrund einer für notwendig erachteten, ausführlichen Prüfung aller Anhaltspunkte dafür, dass die schließlich zum Patent angemeldete Erfindung, hier der fest verbundene Hebebügel, eine spezielle Ausarbeitung der bereits der Gebrauchsmustereintragung zugrundeliegenden Erfindung darstellt. Fest mit dem Steinkorb verbundene Hebel können sowohl der Stabilisierung, der Verankerung, aber, in der besonderen, zum streitigen Patent angemeldeten Form, dem schnelleren und sicheren Transport des gefüllten Korbs dienen.
Urteil des BGH vom 11.08.2015, Aktenzeichen X ZR 83/13