Amazon: keine Markenverletzung durch Autocomplete-Funktion
Ein Unternehmen, das Amazon verbieten lassen wollte, einen Bestandteil seines Firmennamens in der Autocomplete-Funktion zu verwenden, unterlag vor dem Oberlandesgericht Köln (Urteil vom 12.08.2016, Az. 6 U 110/15). Die Kölner Richter sind der Meinung, ein Suchwortvorschlag, der das Kennzeichen der Klägerin enthalte, erwecke nicht zwingend den Eindruck, ihr Produkt sei auf Amazon erhältlich. Führe eine Suchanfrage nach der vorgeschlagenen Begriffskombination indes ausschließlich zu Treffern der Konkurrenz, bestehe eine Verwechslungsgefahr. Amazon könne ihr nur durch den Hinweis begegnen, die Suche nach dem Original habe keine Ergebnisse geliefert und die angezeigten Treffer seien Alternativvorschläge.
Sachverhalt
goFit Gesundheit GmbH vertreibt unter dem Namen "goFit Gesundheitsmatte" eine Fußreflexzonenmatte. Da sie ihr Produkt nicht über Amazon anbietet, störte sie sich daran, dass es in den Suchwortvorschlägen der Online-Handelsplattform auftauchte. Bei Eingabe der Buchstabenfolge "gof" und "gofi" schlug Amazon Suchwortgruppen wie "gofit gesundheitsmatte" oder "gofit matte original" vor. Wer eine der Begriffskombinationen auswählte, erhielt ausnahmslos Suchtreffer mit Konkurrenzprodukten.
Nach erfolgloser Abmahnung klagte goFit Gesundheit gegen Amazon auf ein Verbot von Suchwortvorschlägen, die die Bezeichnung "goFit" mit weiteren Begriffen kombinieren. Das Landgericht Köln hieß die Klage gut (Urteil vom 24.07.2015, Az. 84 O 13/15). Seiner Auffassung nach nutzt Amazon den Begriff "goFit" markenmäßig. Es bestehe eine Verwechslungsgefahr. Amazon weise nämlich bei den Suchergebnissen nicht klar darauf hin, dass es sich um Alternativvorschläge zum gesuchten Produkt handle.
Die Beklagte wollte die Suchfunktion nicht anpassen und erhob gegen das landgerichtliche Urteil Berufung. Das Oberlandesgericht Köln gab ihr Recht.
Aus den Gründen
Das Oberlandesgericht zweifelt an der Schutzfähigkeit des Begriffs "goFit". Ein schlagwortartig verwendeter Firmenbestandteil sei nur unterscheidungskräftig, wenn er vom maßgeblichen Verkehr als Hinweis auf den Unternehmensnamen verstanden werde. Werde er dagegen als bloße Beschreibung des Unternehmens oder seiner Produkte aufgefasst, fehle ihm die kennzeichenrechtliche Unterscheidungskraft.
Den Begriff "goFit" bewerten die Richter zwar nicht als rein beschreibend, weil er keinen hinreichend engen Bezug zur Fußreflexzonenmatte aufweist. Die Bezeichnung habe indessen einen beschreibenden Anklang hinsichtlich der Funktion der Matte. Mithin sei die Kennzeichnungskraft von "goFit" schwach.
Das Gericht widerspricht dem Argument der Beklagten, eine markenmäßige Benutzung des Kennzeichens scheide aus, weil sie es lediglich für die Suchfunktion verwende. Im Gegensatz zu einer reinen Suchmaschine, die Suchwortkombinationen für Anzeigen Dritter einsetze, nutze sie das Zeichen selbst. Sie bewerbe damit auf ihrer Handelsplattform eingestellte Angebote. Auch mit dem Argument, sie habe keinen Einfluss auf die Suchwortvorschläge, die automatisch generiert würden, drang die Online-Händlerin nicht durch. Die Nutzer sehen nach Ansicht des Senats in den vorgeschlagenen Begriffskombinationen nicht zufällige Wortgruppierungen, sondern von Amazon nach sachlichen Kriterien zusammengestellte Vorschläge.
Allerdings erwarteten die User nicht, dass sich die durch die Suchwortvorschläge bezeichneten Produkte effektiv im Angebot von Amazon befänden. Sie müssten damit rechnen, dass die Handelsplattform eine Marke verwende, um Alternativangebote vorzuschlagen. Zumal diese Praxis gemäß EuGH- und BGH-Rechtsprechung zulässig sei und die Werbefunktion der Marke nicht beeinträchtige. Verboten sei hingegen, ein Unternehmenskennzeichen so zu verwenden, dass eine Verwechslungsgefahr bestehe.
Das Oberlandesgericht erkennt zwar eine Verwechslungsgefahr, wenn Amazon in den Treffern zu den streitgegenständlichen Suchbegriffen allein Konkurrenzprodukte anzeigt. Die Online-Händlerin könne einen Markenverstoß in diesem Fall nur durch einen Hinweis abwenden, dass die Suche nach dem Original ergebnislos geblieben sei und die angezeigten Treffer vergleichbare Produkte seien.
Zum Verhängnis wurde der Klägerin indes, dass sie ausdrücklich bloß die Autocomplete-Funktion, nicht jedoch den fehlenden Hinweis in der Trefferliste gerügt hat. Der Senat hält fest, hinter den Suchwortvorschlägen und den Suchergebnissen stünden zwei voneinander unabhängige technische Prozesse. Wenn Amazon die Ergänzung eines Suchbegriffs vorschlage, habe der Nutzer noch keine Suchanfrage gestartet. Erst durch die Suchanfrage komme es aber zur Verknüpfung des klägerischen Unternehmenskennzeichens mit einem konkreten Warenangebot. Folglich bestehe zum Zeitpunkt der Vervollständigungsvorschläge weder eine Verwechslungsgefahr im Sinne von § 15 Abs. 2 MarkenG noch eine Irreführungsgefahr nach § 5 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 UWG.
OLG Köln, Urteil vom 12.08.2016, Az. 6 U 110/15