Zugang der Erben zum Facebook Benutzerkonto des Erblassers
Dass auch ein digitaler Nachlass den Erben zusteht, hat der BGH bereits im Jahr 2018 entschieden (Urteil vom 12. Juli 2018 – III ZR 183/17, juris). Hierzu zählt der Zugang zu dem Benutzerkonto eines sozialen Netzwerks, der Anlass für die zugrundeliegende Entscheidung gegeben hat. Demnach muss der Netzwerkbetreiber den Erben Zugang zu dem vollständigem Benutzerkonto des Erblassers gewähren. Den Erben müsse die Möglichkeit eingeräumt werden, vom Konto und dessen Inhalt auf dieselbe Weise Kenntnis zu nehmen. Mit Ausnahme einer aktiven Nutzung müsse der Erbe sich darin so "bewegen" können, wie zuvor der ursprüngliche Kontoberechtigte. Dies hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 09.09.2020 entschieden.
Hintergrund
Gläubigerin in der Rechtssache ist die Mutter einer Verstorbenen, die erneut gegen den Internetkonzern Facebook geklagt hat. Dieser war nach einer Grundsatzentscheidung im Jahr 2018 bereits dazu verpflichtet worden, jeglichen digitalen Nachlass der Erblasserin durch den Zugang zu dem noch bestehenden Facebook Profil den Eltern als Erben zu gewähren. Infolgedessen ist ein USB-Stick mit einem umfangreichen PDF-Dokument voller unstrukturierter Daten von Facebook überreicht worden, mit dem sich die Gläubigerin nicht zufriedengeben wollte. Stattdessen ging diese erneut gerichtlich gegen den Internetkonzern vor und begehrten vollumfänglichen Zugriff auf das Profil. Grund für die Forderung war, dass hierdurch mögliche Hinweise auf einen Suizid der Tochter aufgedeckt werden könnten. Indem Facebook das Konto allerdings in einen sogenannten Gedenkzustand versetzt hatte, war niemandem mehr der Zugriff auf das Profil möglich gewesen.
LG Berlin: PDF Datei als digitales Erbe nicht ausreichend
Das Landgericht Berlin hatte auf Antrag der Gläubigerin gegen den Internetkonzern wegen Nichterfüllung seiner Verpflichtung aus einem 2015 ergangenen Urteil ein Zwangsgeld verhängt (Urteil vom 13.02.2019 - 20 O 172/15, juris). Dies hat das Kammergericht auf die sofortige Beschwerde des Internetkonzerns aufgehoben und den Antrag auf Festsetzung eines Zwangsmittels zurückgewiesen. Das Kammergericht hat die Rechtsbeschwerde zugelassen.
BGH: Zugang zu vollständigem Benutzerkonto
Der Bundesgerichtshof war der Auffassung, dass die Übermittlung der PDF Datei nicht ausreichend gewesen sei. Facebook sei nicht seiner Verpflichtung nachgekommen, der Gläubigerin "Zugang zu dem vollständigen Benutzerkonto und den darin vorgehaltenen Kommunikationsinhalten" der Erblasserin zu gewähren. Nach Ansicht der Richter müssen die Erben vom Konto und dessen Inhalt auf dieselbe Art und Weise Kenntnis nehmen können wie die Erblasserin selbst. Lediglich eine aktive Nutzung des Kontos sei ausgeschlossen, so der BGH. Eine Verpflichtung ergebe sich bereits aus dem Vollstreckungstitel selbst. Der Senat verwies überdies auf die Entscheidungsgründe des Urteils des LG Berlin sowie des Grundsatzurteils aus dem Jahr 2018 (s.o.). Beide Entscheidungen haben den von Facebook zu erfüllenden Anspruch der Gläubigerin erbrechtlich hergeleitet.
Primärleistungsanspruch auf Zugang zum Benutzerkonto
Der Bundesgerichtshof hat klargestellt, dass der Nutzungsvertrag zwischen der Erblasserin und Facebook mit seinen Rechten und Pflichten im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die Gläubigerin als Erbin übergegangen sei. Hierdurch sei diese in das Vertragsverhältnis eingetreten. Demzufolge bestehe für diese als Vertragspartnerin und neue Kontoberechtigte einen Primärleistungsanspruch auf Zugang zu dem Benutzerkonto der Erblsserin, gebunden an die darin enthaltenen digitalen Inhalten. Diese Stellung der Erbin sowie der auf sie übergegangene Hauptleistungsanspruch der Erblasserin begründe ohne weiteres, dass der Gläubigerin auf dieselbe Art und Weise Zugang zu dem Benutzerkonto zu gewähren sei wie zuvor der Erblasserin. Dies ergebe sich ebenfalls aus zahlreichen weiteren Ausführungen des Bundesgerichtshofs und des Landgerichts Berlin in ihren vorangegangenen Entscheidungen.
Keine Kollision mit entgegenstehenden Rechten
Neben der Entscheidung zur generellen Vererbbarkeit stellte der Senat klar, dass weder das Fernmeldegeheimnis noch das postmortale Persönlichkeitsrecht der Erblasserin dem Anspruch entgegenstehen würden. Selbiges gelte für datenschutzrechtliche Regelungen oder das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Kommunikationspartner. Begründet wurde dies mit der Gesamtrechtsnachfolge und mit der gesetzgeberischen Wertung, dass auch Rechtspositionen mit höchstpersönlichen Inhalten auf die Erben übergehen. Denn in diesem Rahmen ist unstreitig, dass höchstpersönliche (analoge) Dokumente, wie z. B. Tagebücher und Briefe, vererbt werden können. Damit ist es naheliegend, dass zwischen analogen höchstpersönlichen und digitalen höchstpersönlichen Inhalten nicht unterschieden werden muss.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 09.09.2020, Az. III ZB 30/20