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Vorstände eines Schwindelunternehmens haften persönlich

BGH, Urteil vom 14.07.2015, Az. VI ZR 463/14


Vorstände eines Schwindelunternehmens haften persönlich

Wer für ein Schwindelunternehmen verantwortlich ist, kann sich nicht hinter dem Schleier der Gesellschaft vor Schadensersatzansprüchen verstecken. Geschäftsführer (auch bloß faktische) und Vorstandsmitglieder haften nach § 826 BGB für ein Geschäftsmodell, das auf Täuschung und Schädigung von Kunden angelegt ist.

Dies entschied der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 14. Juli 2015 (Az. VI ZR 463/14) in Bestätigung seiner früheren Rechtsprechung, unter anderem der Urteile vom 17. März 2015 (Az. VI ZR 12/14 und VI ZR 12/14) gegen dieselben Beklagten.

Sachverhalt
Die Schweizer Unternehmung E. S. AG verkaufte ihre Aktien über Telefonverkäufer ihrer Düsseldorfer Zweigniederlassung an deutsche Privatanleger. Gegen außen war die E. S. AG im Factoringgeschäft tätig. Allerdings erzielte sie den Hauptteil ihres Umsatzes durch Verkauf eigener Aktien und der Aktien einiger Altaktionäre.

Der Ehemann der Klägerin erwarb aufgrund des Telefon-Marketings zu verschiedenen Zeitpunkten Aktien im Gesamtwert von 62.500 Euro. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über die E. S. AG wurden die Aktien wertlos. Die Klägerin nahm aus abgetretenem Recht ihres Ehemannes den Geschäftsführer und den Verwaltungsratspräsidenten (entspricht dem deutschen Aufsichtsratsvorsitzenden) der Gesellschaft wegen systematischer Täuschung auf Schadensersatz in Anspruch.

Das Landgericht Düsseldorf verurteilte den Geschäftsführer, während es die Klage gegen den Verwaltungsratspräsidenten abwies. Sowohl die Klägerin als auch der Verwaltungsratspräsident erhoben Berufung.

Das Oberlandesgericht Düsseldorf wies als Berufungsinstanz die Klage gegen beide Beklagten ab. Es ging davon aus, dass das Geschäft der E. S. AG nicht von vornherein unter Vernachlässigung des Factorings auf den Verkauf eigener Aktien ausgerichtet war. Die geringen Einnahmen aus dem Factoring ließen sich damit erklären, dass die Gesellschaft noch am Anfang ihrer Geschäftstätigkeit gestanden habe. Das Oberlandesgericht erkannte keinen Beweis für eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung durch die Beklagten.

Gegen das Urteil legte die Klägerin Revision ein. Mit Urteil vom 14. Juli 2015 gibt ihr der Bundesgerichtshof recht und weist den Fall zur Neubeurteilung an das Oberlandesgericht zurück.

Urteilsbegründung
Der Bundesgerichtshof hält zunächst fest, dass (faktische) Geschäftsführer oder Vorstandsmitglieder einer Gesellschaft gemäß § 826 BGB auf Schadensersatz haften, wenn das von ihnen umgesetzte Geschäftsmodell auf Täuschung und Schädigung von Kunden ausgelegt ist, sodass es sich um ein eigentliches Schwindelunternehmen handelt.

Das Revisionsgericht ist in der Beweiswürdigung nicht frei (§ 559 Abs. 2 ZPO). Es kann lediglich überprüfen, ob sich das Berufungsgericht gemäß § 286 ZPO umfassend und widerspruchsfrei mit den Beweisergebnissen befasst hat. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs ist dies hier nicht der Fall: Das Oberlandesgericht hat wesentlichen Sachvortrag der Klägerin außer Acht gelassen. Es könnte bei Berücksichtigung des übergangenen Vorbringens zum Schluss kommen, die Beklagten hätten einen auf systematische Täuschung der Anleger angelegten Vertrieb eigener Aktien zu verantworten. Daher heißt der Bundesgerichtshof die Revision gut und weist das Urteil zur Neuverhandlung an die Berufungsinstanz zurück.

Zum übergangenen Sachvortrag gehört der Verkaufspreis der Aktien, der um das 160- bis 520-fache über deren Nennwert lag. Es gab keine Grundlage für die Erwartung einer derartigen Steigerung des Unternehmenswertes. Die Erträge aus dem Factoring bewegten sich im tiefen einstelligen Prozentbereich des Umsatzes. Der Rest stammte aus dem Verkauf eigener Aktien. Dies deutet nach Ansicht der Richter darauf hin, dass das Factoringgeschäft nur dazu diente, Anlegern ein prosperierendes Unternehmen vorzugaukeln, um sie zum Aktienkauf zu bewegen. Dazu passt die Aussage eines vom Berufungsgericht übergangenen Zeugen, die E. S. AG hätte über kein professionelles Inkassoprogramm verfügt.

Die E. S. AG legte überdies in den von den Anlegern zu unterzeichnenden Kaufabsichtserklärungen nicht offen, dass es sich beim Beteiligungsangebot um keine Neuemission handelt. So waren die Anleger nicht informiert, dass ein Teil des Kaufpreises an Altaktionäre ging. Abgesehen davon sieht der Bundesgerichtshof im Sachvortrag der Klägerin Anzeichen, dass Kapitalzuflüsse aus den Aktienverkäufen zweckentfremdet wurden.

Eine mögliche Täuschungsabsicht erkennt der Bundesgerichtshof in Werbepublikationen der Gesellschaft, die typischerweise vom Vorstand entschieden werden. Darin fanden sich Aussagen zu den Erträgen, die bei den Anlegern die Vorstellung erwecken konnten, es handle sich um Erträge des operativen Geschäfts. Dabei stammten die Erträge hauptsächlich aus dem Verkauf eigener Aktien.

Kommt hinzu, dass die Anleger den Wertpapierprospekt nicht zugesandt erhielten und dass die Telefonverkäufer zu hohe Angaben über die Umsatzzuwächse machten.

BGH, Urteil vom 14.07.2015, Az. VI ZR 463/14


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