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Verwendung von Kontaktdaten zur Rückgewinnung ehemaliger Kunden

LG Augsburg, Urteil vom 19.08.2011, Az. 3 HK O 2827/11


Verwendung von Kontaktdaten zur Rückgewinnung ehemaliger Kunden

Ein Unternehmen handelt nicht wettbewerbswidrig, wenn es die Daten von Kunden, die zu einem anderen Unternehmen gewechselt sind, verwendet, um diese zurückzugewinnen beziehungsweise Eigenwerbung zu betreiben.

Die beiden Parteien in diesem Rechtsstreit sind Wettbewerber im Bereich der Energieversorgung. Beide Unternehmen beliefern ihre Kunden unter anderem mit Gas. Ungefähr 1.000 Kunden sind von dem beklagten Unternehmen zu der Klägerin gewechselt. Die Beklagte wollte diesen Verlust jedoch nicht hinnehmen und verschickte Werbeschreiben zur Kundenrückgewinnung. Diese Geschäftspraxis ist auf dem Markt der Energieversorger durchaus üblich. Die Klägerin nahm die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch.

Das Gericht wies die Klage unter Hinweis auf § 28 BDSG als unbegründet zurück. Diese Bestimmung enthält eine Marktverhaltensregel. Wer gegen diese Bestimmung verstößt, begeht eine Wettbewerbsverletzung. Die Handlung der Beklagten stuft das Gericht jedoch aufgrund einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage nicht als wettbewerbswidrig ein. Die Speicherung der Kundendaten ist auch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses gemäß § 28 BDSG gerechtfertigt. Diese Tatsache ergibt sich aus dem Umstand, dass die Kundendaten für einen Wechsel des Gaslieferanten zu speichern sind. Eine anschließende gesetzliche Verpflichtung zur Löschung der streitgegenständlichen Daten besteht nicht, da der neue Umstand der Listendatenspeicherung entsprechend § 28 Abs. 3 BDSG hinzugetreten ist. Diese gesetzliche Grundlage erlaubt ausdrücklich die weitere Verwendung der Daten. Die Aktualisierung der Listendaten wird als gesetzlich erlaubte Hinzuspeicherung eingestuft, die nicht gegen die geltende Rechtsprechung verstößt.

Die Gefahr einer ausufernden Datensammlung und Datenanreicherung sieht das Gericht nicht, wenn das Hinzuspeichern und die damit verbundene Verknüpfung auf den Zweck der Eigenwerbung zur Kundenrückgewinnung beschränkt bleiben. Voraussetzung ist die rechtmäßige Datenerhebung, das heißt, das werbende Unternehmen muss zuvor in einem Vertragsverhältnis mit den Adressaten gestanden haben. Die umworbenen Kunden müssen ihr Widerrufsrecht ausüben können und eine Abwägung im Einzelfall erfolgen.

Der Schutzzweck des Bundesdatenschutzgesetzes liegt in der informellen Selbstbestimmung des Einzelnen. Kein Marktteilnehmer soll durch einen wettbewerbswidrigen und unlauteren Umgang mit seinen Daten in seinem Persönlichkeitsrecht (§ 1 UWG) eingeschränkt werden. Eine Marktverhaltensregel ist dann wettbewerbsrechtlich relevant, wenn sie im Zusammenhang mit einer geschäftlichen Handlung steht. An dieser Stelle greift das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb. Die Bestimmungen des Bundesdatenschutzgesetzes regeln den Umgang mit den Daten des Einzelnen und stellen eine Markverhaltensregel dar, die auch den Umgang hinsichtlich der Eigenwerbung bestimmt. Solange die verantwortliche interne Stelle einen gesetzeskonformen Umgang mit ihren Kundendaten aufweist, liegt keine Marktverhaltensregel im Sinne des Wettbewerbsrechts vor. Aus diesem Grund steht der Klägerin kein Unterlassungsanspruch gemäß § 8 UWG gegen die Beklagte zu. Nur wenn ein Verstoß gegen die Datenschutzbestimmungen vorliegt, kann die Gegenpartei kostenpflichtig abgemahnt werden.

Das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb schützt die Markteilnehmer gegen rechtlich unzulässige geschäftliche Handlungen und das allgemeine Interesse an einem unverfälschten Wettbewerb (§ 1 UWG). Geschäftliche Handlungen sind immer dann unzulässig, wenn sie dazu geeignet sind, die Interessen von Mitbewerbern und sonstigen Marktteilnehmern spürbar zu beeinträchtigen (§ 3 UWG). Verstöße gegen das Datenschutzgesetz werden zwar nicht explizit genannt, § 4 UWG ist jedoch als Auffangnorm einzustufen.

Fazit
Das Recht zur Erhebung, Nutzung und Verarbeitung kundenbezogener Daten endet nicht zwangsweise mit Beendigung des Vertragsverhältnisses.

Es wird deutlich, dass der Gesetzgeber nicht jeden Rechtverstoß undifferenziert als wettbewerbswidrig einstuft. Maßgeblich ist die Datenverarbeitung in Verbindung mit konkret anzuwendenden datenschutzrechtlichen Norm. Das Datenschutzrecht beinhaltet grundsätzlich auch Markverhaltensregeln nach dem UWG. Die Rechtsprechung ist jedoch nicht abschließend und der jeweilige Fall steht regelmäßig für sich selbst, wie unterschiedliche Gerichtsentscheidungen beweisen.

Das OLG Köln entschied zugunsten eines klagenden Versorgers und stufte die Kundenrückgewinnungsschreiben des ehemaligen Versorgungsunternehmens als Marktverhaltensregel und Verstoß gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb ein (Az. 6 U 73/10, 6 U 70/09). Die Daten der ehemaligen Kunden dürften ohne deren Zustimmung oder Vorliegen eines besonderen Erlaubnisstandes nicht einfach verwendet werden. Das OLG München (29 U 3926/11) entschied, dass dem Datenschutzrecht und dem Persönlichkeitsrecht kein sekundärer Zweck zu entnehmen sei, das wettbewerbliche Verhalten von Unternehmen auf dem Markt im Interesse der Verbrauchern und sonstigen Marktteilnehmer zu regulieren beziehungsweise gleiche Voraussetzungen für Unternehmen zu schaffen, die mit Werbemaßnahmen in Erscheinung treten.

LG Augsburg, Urteil vom 19.08.2011, Az. 3 HK O 2827/11


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