Veröffentlichung von Bewertungen auf einem Ärzteportal
Das Oberlandesgericht Frankfurt a.M. entschied am 09.04.2020, dass ein Ärztebewertungsportal eine von der Rechtsordnung gebilligte und gesellschaftlich erwünschte Funktion erfülle. Voraussetzung dafür sei, dass der Betreiber als neutraler Informationsmittler auftrete. Nutzerbewertungen in Form von Meinungsäußerungen seien auf einem solchen Portal hinzunehmen, wenn sie auf einer Tatsache beruhen und die Grenze zur Schmähkritik nicht überschreiten.
Wann ist eine negative Bewertung rechtmäßig?
Klägerin war eine Augenärztin, Beklagte die Betreiberin eines Arztsuche- und Bewertungsportal. Die Beklagte bietet auf ihrem Portal sog. Basisdaten von Ärzten an (Name, Fachrichtung, Praxisanschrift, Kontaktdaten ect.). Daneben können Bewertungen abgerufen werden. Die Nutzer können diese Bewertungen in Form eines Notenschemas, aber auch als Kommentaren abgegeben. Gegen Bezahlung können die Ärzte auch als Anzeige gekennzeichnete zusätzliche Informationen veröffentlichen lassen, sog. Premiummitgliedschaft. Die Klägerin beanspruchte die Löschung einer negativen Bewertung. Die Bewertung wurde zunächst unsichtbar, später – nach Rücksprache mit dem Urheber - wieder sichtbar gemacht. Der Name des Urhebers wurde nicht benannt. Eine Löschung der Basisdaten lehnte die Beklagte ebenfalls ab. Aufgrund dessen nahm die Klägerin die Beklagte wegen Löschung ihrer Basisdaten, hilfsweise auf Löschung des Kommentars in Anspruch. Das Landgericht hatte der Klage zunächst stattgegeben, weswegen die Beklagte in Berufung ging.
Ärzteportal erfüllt eine von der Rechtsordnung gebilligte und gesellschaftlich erwünschte Funktion
Das OLG Frankfurt befand, dass kein Anspruch auf Löschung der Basisdaten bestehe. Denn eine unrechtmäßige Verarbeitung personenbezogener Daten sei nicht erkennbar. Auch ohne Zustimmung der Klägerin liege eine rechtmäßige Datenverarbeitung vor. Diese basiere auf einem berechtigten Interesse des Verantwortlichen, sofern nicht die Rechte der betroffenen Person überwiegen. Die erforderliche Abwägung falle zugunsten der Beklagten aus. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass der BGH in seinen Ärzteportal-Entscheidungen dem Ärztebewertungsportal eine von der Rechtsordnung gebilligte und gesellschaftlich erwünschte Funktion zusprach. Dies gelte jedenfalls, solange dieses als neutraler Informationsmittler auftrete.
Beklagte vermittelt neutrale Informationen
Vorliegend sei die Beklagte als ein neutraler Informationsmittler anzusehen, so das Gericht. Sie verschaffe ihren Premiumkunden keine als „verdeckt“ zu bezeichnenden Vorteile. Früher habe sie zwar bei nicht zahlenden Ärzten dem Internetnutzer dessen Basisdaten nebst Bewertung anzeigte und per Anzeige Informationen zu örtlich konkurrierenden Ärzten angeboten. Bei Premiumkunden seien hingegen keine werbenden Hinweise auf die örtliche Konkurrenz zugelassen worden. Das sei aber mittlerweile abgeschafft worden. Für die Portalnutzer sei nun klar ersichtlich, dass für eine Anzeige eine Vergütung zu entrichten sei. Hinzu komme, dass die Anzeigen Premiumkunden und Nichtkunden gleichermaßen treffen. Denn auch der Arzt der Anzeige erscheine nochmals in der Liste. Auch gebe es bei den Premiumkunden ein rotierendes System, sodass nicht immer derselbe Arzt als Konkurrent erkennbar sei.
Premiummitgliedschaft nicht hinderlich
Auch verlasse die Beklagte nicht dadurch die Funktion eines neutralen Informationsvermittlers, indem sie Kunden zur Premiummitgliedschaft locke, befand das OLG. Die Beklagte schaffe zwar Anreize für eine Premiummitgliedschaft, indem ihre Premiummitglieder in den vorderen Plätzen bei Google auftauchen. Dadurch werden sie auch häufiger von Interessierten angeklickt. Dies stehe aber außerhalb des Systems. Der Algorithmus bei Google sei für die Beklagte nicht beherrschbar.
Kein zwangsläufiges Werbeverbot
Das Gericht konnte im Zusammenhang mit einer neutralen Mittlerposition auch nicht zwangsläufig ein Werbeverbot erkennen. Entscheidend sei vielmehr, wie verständlich die Informationen für die Portalnutzer seien. Es müsse erkennbar sein, dass es Vorteile für den zahlenden Kunden gebe, welche die Nichtkunden nicht unangemessen benachteiligen. Davon sei vorliegend auszugehen. So sei entscheidend, dass alle Ärzte gelistet werden, solche mit Basisdaten und solche mit einer Premiummitgliedschaft.
Reihenfolge nicht ausschlaggebend
Auch die Reihenfolge des Erscheinens innerhalb der Liste erfolge unabhängig von einer Premiummitgliedschaft, so das OLG weiter. Somit wirke sich die Premiummitgliedschaft nicht auf das Ranking aus. Bei den Premiumkunden werde nur eine zusätzliche Anzeige sichtbar, die klar als solche ausgewiesen sei. Zudem werde darauf hingewiesen, dass nur Premienkunden ein Profilbild hinterlegen können. Auch dadurch werde zusätzlich Transparenz geschaffen.
Oberlandesgericht Frankfurt a.M., Urteil vom 09.04.2020, Az. 16 U 218/18