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Verfasser von Facebook-Post muss Gesamtkontext nachweisen

Oberlandesgericht Köln, Beschluss vom 18.10.2018, Az. 15 W 57/18


Verfasser von Facebook-Post muss Gesamtkontext nachweisen

Das Oberlandesgericht Köln kam in einem Beschluss vom 18.10.2018, Az. 15 W 57/18 zu dem Ergebnis, dass eine Person, welche die Rechtmäßigkeit eines Facebook-Posts für sich beanspruche, darlegen und glaubhaft machen müsse, dass und weshalb eine bestimmte Auslegung einer Aussage für den Leser erkennbar gewesen sei. Werde dieser Darlegungs- und Beweislast nicht nachgekommen, so sei davon auszugehen, dass der in Rede stehende Beitrag in unzulässiger Weise veröffentlich wurde.

Veröffentlichung eines Hass-Kommentars auf Facebook
Der Beschluss betrifft einen Hass-Post auf Facebook innerhalb der „G-Seiten“. Der Verfasser des Beitrags (Antragsteller) wehrte sich gegen die Löschung eines von ihm dort verfassten Kommentars. Dieser stellte die Schrecken des Nationalsozialismus und des in den Konzentrationslagern begangenen Völkermords verharmlosend als Hilfe zum Lernen dar und beinhielt den Vorwurf an die jüdische Bevölkerung, aus dieser „Nachhilfe“ nichts gelernt zu haben. Der Antragsteller berief sich auf den Satire-Charakter seiner Aussage, welche gerade die angegriffene Bevölkerungsgruppe im öffentlichen Meinungskampf unterstützen habe sollen.

Landgericht und Oberlandesgericht waren sich einig
Das Landgericht Köln sah dies aber bereits anders. Es wies den Antrag auf den Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen die Löschung des Posts zurück. Dieser Entscheidung schloss sich nun nach einer sofortigen Beschwerde des Antragstellers gegen den erstinstanzlichen Beschluss vom 22.08.2018, Az. 16 O 385/18 das Oberlandesgericht Köln an. Es stehe jenem weder ein Anspruch auf Unterlassung des Entfernens der streitgegenständlichen Äußerung noch ein Anspruch gegen das Verbot, ihn wegen dieses Kommentars auf „G.com“ zu sperren, zu.

Anspruchsgrundlage für Löschung war irrelevant
Es könne nach Ansicht des Gerichts ausdrücklich dahinstehen, ob die Entfernung auf Grundlage der recht weit gefassten Nutzungsbedingungen von Facebook (Antragsgegnerin) zulässig sei oder ob diese Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Hinblick auf die mittelbare Drittwirkung der Grundrechte auch im Bereich der vertraglichen Beziehungen zwischen dem Antragsteller und der Antragsgegnerin möglicherweise rechtlichen Bedenken, beispielsweise mit Blick auf § 307 BGB, begegnen.

Kein ausreichender Prozessvortrag des Antragstellers
Vielmehr scheitere das Begehren des Antragstellers bereits an seinem nicht ausreichendem Prozessvortrag. Daneben fehle es erst recht an einer hinreichenden Glaubhaftmachung des Verfügungsanspruchs. Ob die Löschung und Sperrung zulässig sei, richte sich unzweifelhaft nach der zutreffenden Sinndeutung der in Rede stehenden Aussage. Eine solche Auslegung sei wiederum eine unabdingbare Voraussetzung für die richtige rechtliche Würdigung deren ureigenen Aussagegehalts.

Ermittlung des Sinngehalts einer Aussage
Betrachte man die strittige Äußerung isoliert, gelange man zu der Erkenntnis, dass es sich hierbei um eine Schmähung handelt. Zwar sei für die Ermittlung des objektiven Sinns einer Aussage stets die objektive Perspektive eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums, wobei im fraglichen Bereich von Kurzbeiträgen im Internet zudem auf den flüchtigen Durchschnittsleser abzustellen ist (vgl. Oberlandesgericht Stuttgart, Beschluss vom 06.09.2018, Az. 4 W 63/189), sowie deren sprachlicher Kontext zu berücksichtigen (vgl. Bundesgerichtshof, Urteil vom 16.012018 - VI ZR 498/16). Allerdings müsse dieser Gesamtkontext als Voraussetzung für die korrekte rechtliche Bewertung auch in einem Verfügungsverfahren nach den geltenden allgemeinen Grundsätzen der Darlegungs- und Beweislast darlegt und glaubhaft gemacht werden.

Behaupteter satirischer Kontext nicht erkennbar
Dieser Verpflichtung sei der Antragsteller vorliegend aber nicht hinreichend nachgekommen. Er habe nicht dargelegt (und erst recht nicht glaubhaft gemacht), dass und warum die von ihm subjektiv beabsichtigte satirische Einkleidung seines Beitrags für den durchschnittlichen Rezipienten der fraglichen „G-Seiten“ erkennbar gewesen sei. Dies lasse sich insbesondere dadurch begründen, dass er den Beitrag des anderen Nutzers, in welchem nach Angaben des Antragstellers massiv gegen Israel und Juden gehetzt wurde, und auf den sich sein Kommentar bezog, nicht als Beweis vorgelegt habe. Ebenso fehle es an der Mitteilung von beispielsweise anderen Kommentaren/Bildern/Links in unmittelbarem Kontext. Die Richter könnten mithin nicht einschätzen, ob der strittige Beitrag aus Sicht eines Durchschnittslesers als Bekräftigung eines antisemitischen Beitrags oder vielmehr als satirische Abgrenzung aufgefasst werden könne. Sowohl die eidesstaatlich abgegebene Versicherung des Antragstellers, in welchem er den Sachverhalt mitteilte, als auch der Vortrag aus seiner Antragsschrift ließen eine Würdigung der Aussage im Gesamtkontext nicht zu.

Vortrag zum Gesamtkontext war möglich und zumutbar
Im Weiteren sei seine Behauptung, dass er zu dem Gesamtkontext seines Kommentars keine nähere Aussage treffen könne, für das Oberlandesgericht unverständlich. Dieses Vorbringen stehe nämlich zu seinen Ausführungen in der eidesstaatlichen Versicherung im Widerspruch. Dort habe er schließlich noch angegeben, dass zu seinem Unverständnis die anderen (unstreitig antisemitischen) User-Beiträge weiterhin online seien, wohingegen lediglich seiner entfernt wurde. Demnach seien ihm sehr wohl weitere Erläuterungen zum Umfeld des streitgegenständlichen Posts möglich und zumutbar gewesen.

Vorherige Beiträge waren für Beurteilung irrelevant
Ferner statuierte das Gericht, dass der Antragsteller sich auch nicht darauf berufen könne, dass er persönlich und seine – jeweils ähnlichen Schemata folgenden – Kommentare dem durchschnittlichen Leser der einschlägigen „G-Seiten“ als eindeutig satirisch erkennbar gewesen seien, weil seine politische Einstellung allgemein bekannt und bemerkbar sei. Leser seiner veröffentlichen Äußerungen seien schließlich nicht nur dessen G-Freunde, die den die den Duktus und die Intention hiervon leichter einordnen könnten, sondern gerade auch solche Personen, denen weitergehende Hintergrundinformationen zum Antragsteller und dessen vorherige Beiträge nicht bekannt seien.

Keine Berufung auf sog. Stolpe-Rechtsprechung
Außerdem stünden dem Antragsteller auch nicht die meinungsfreundlichen Auslegungsgrundsätze der sog. Stolpe-Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Verfügung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 25.10.2005 – 1 BvR 1696/98). Auch deren Anwendung könne nämlich nur innerhalb des jeweiligen Gesamtkontextes erfolgen.

Sperrung infolge unzulässigen Kommentars gerechtfertigt
Infolgedessen könne der Beitragsverfasser auch nicht verlangen, dass der Antragsgegnerin aufgetragen wird, die Sperrung seiner Person auf „G.com“ aufzuheben. Mangels vorgelegter Glaubhaftmachungsmittel sei eine unzulässige Veröffentlichung des gegenständlichen Kommentars anzunehmen. Somit sei die Antragsgegnerin berechtigt, weitere derartige Beiträge des Antragstellers auf „G.com“ für den Fall einer erneuten Online-Stellung zu untersagen und eine Sperrung der verantwortlichen Person zu veranlassen.

Oberlandesgericht Köln, Beschluss vom 18.10.2018, Az. 15 W 57/18

von Sabrina Schmidbaur, Dipl.Jur.-Univ.


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