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Verbot von Veröffentlichungen amtlicher Gerichtsunterlagen


Verbot von Veröffentlichungen amtlicher Gerichtsunterlagen

Das Verbot von Vorabveröffentlichungen amtlicher Gerichtsunterlagen in Strafprozessen (§ 353d Nr. 3 StGB) ist auch dann verfassungskonform, wenn der Betroffene selbst die Veröffentlichung vornimmt.

In vorliegendem Falle hatte ein wegen mehrfachen Betruges Angeklagter die amtlichen Unterlagen seines Prozesses bereits vor der Gerichtsverhandlung auf seiner Internethomepage veröffentlicht. Hierfür wurde er nach § 353d Nr. 3 StGB verurteilt. Seine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht mit Bezug auf ein Urteil des Gerichtes aus dem Jahre 1985 (vgl. BVerfG, Az. 1 BvL 15/84) wurde von diesem jedoch nicht zur Entscheidung angenommen.

Das Bundesverfassungsgericht erläutert hierzu, dass der Beschwerdeführer seine grundgesetzlichen Rechte nach Art. 103 Abs. 2 GG (Rechtsprechung), Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG (Meinungsfreiheit) sowie Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG (allgemeine Persönlichkeitsrechte) verletzt sehe.

Es führt hierzu aus, dass Art. 103 Abs. 2 GG lediglich festlege, dass eine Tat nur dann bestraft werden dürfe, wenn deren Strafbarkeit bereits vor der Tatdurchführung definiert gewesen sei. In vorliegendem Falle bedeute dies jedoch nicht, dass die Entscheidung des BVerfG von 1985 den § 353d Nr. 3 StGB als verfassungswidrig eingestuft habe, sondern vielmehr lediglich der Tenor der „Feststellung der Gültigkeit oder Ungültigkeit eines Gesetzes“ Gesetzeskraft erlangt habe (vgl. hierzu auch § 31 Abs. 2 BVerfGG – Gesetzeskraft bestimmter Verfassungsgerichtsentscheidungen). Daraus folge, dass die angefochtene Norm des Strafgesetzbuches nicht grundlegend verfassungswidrig sei, sondern sie eben ausschließlich im Tenor der Verfassungskonformität zu betrachten sei. Eine Entscheidung hinsichtlich des Art. 103 Abs. 2 GG sei somit nicht gegeben.

Das BVerfG sieht weiterhin keine Verletzung des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG und führt hierzu aus, es könnten auch Tatsachenmitteilungen wie z.B. eine Anklageschrift unter diesen Artikel des Grundgesetzes fallen, wobei diese allerdings noch leichter den „Einschränkungen aufgrund von allgemeinen Gesetzen (Art. 5 Abs. 2 GG)“ zugänglich seien. Insofern handele es sich bei den Bestimmungen des § 353d Nr. 3 StGB um kein Sondergesetz.

Gesetze würden vom BVefG nur dahin gehend geprüft, ob sie „objektiv oder schlechthin“ ungeeignet seien, das mit ihnen verfolgte Rechtsgut zu erreichen, was auch für „materielle Strafgesetze“ gelte (vgl. BVerfG 30, 250 sowie BVerfG 47, 109; 50, 142; 71, 206).

Der beanstandete § 353d StGB solle aber gerade in zwei Richtungen durch sein Veröffentlichungsverbot einen Schutz der Beteiligten erreichen: einerseits die Unbefangenheit der beteiligten Richter und Zeugen zu erhalten (vgl. Bundestagsdrucksache 7/550, S. 282 f.), andererseits die Bewahrung der Unschuldsvermutung zugunsten des Beschuldigten zu erreichen. Der Schutz durch den § 353d StGB diene somit sowohl der „Ermittlung des wahren Sachverhaltes“, welcher maßgeblich für die Verwirklichung des Schuldprinzips sei (vgl. BVerfG 123, 267; 133, 168 sowie BVerfG , 57, 250; 122, 248; 130, 1; 133, 168), als auch der „unbedingten Neutralität und Distanz des Gerichtes“ gegenüber Beteiligten und Tatbeständen, die tragende Säulen der Rechstaatskonzeption des Grundgesetzes seien und die Funktionsfähigkeit der Strafrechtspflege gewährleisteten (vgl. BVerfG 4, 412; 23, 321; 82, 286; 89, 28; 133, 168 sowie 107, 104; 113, 29).

Weiterhin seien aber auch die Rechte der anderen Beteiligten zu betrachten, z.B. von Mitangeklagten oder Nebenklägern. Es könne nämlich durchaus denkbar sein, dass durch Vorabveröffentlichungen und deren möglicher Manipulation gezielt Prozessbeteiligten Schaden zugefügt werden könne.

Gleichwohl biete der Gesetzgeber eine „Umgehungsmöglichkeit“ des § 353d StGB an, die der Meinungsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 GG geschuldet sei: es sei nämlich durchaus möglich, die Veröffentlichung nicht im genauen Wortlaut, also als Zitat, vorzunehmen, sondern eben als eine inhaltliche Berichterstattung in „nichtwörtlicher Rede“ (vgl. BVerfG 71, 206). Denn dem Zitat komme eine „besondere Überzeugungs- und Beweiskraft des Faktums zu“ (vgl. BVerfG 54, 208), die beim Empfänger eine größere Wirkung erziele. Dadurch könnten insbesondere Zeugenaussagen oder die Entscheidungen von Richtern beeinträchtigt werden.

Daneben komme der Schutz durch den § 353d StGB auch dem Unmittelbarkeitsprinzip des § 261 StPO entgegen, welches verhindern solle, dass Entscheidungen auf der Grundlage von Erkenntnissen getroffen würden, die außerhalb der Hauptverhandlung lägen.

In der Praxis bedeutet diese Begründung des Bundesverfassungsgerichts, dass es auch weiterhin zum Schutze der Beteiligten in einem Strafprozess verboten ist, gerichtsrelevante Unterlagen vorab zu veröffentlichen. Im Sinne der „Waffengleichheit“ gilt dies sowohl für den Beschuldigten, selbst wenn er diese Veröffentlichung in seinem Willen vornimmt, als auch für den Kläger. Davon unberührt können solche Unterlagen jedoch berichtend – also auf keinen Fall zitierend – wiedergegeben werden. Es ist also darauf zu achten, dass Gerichtsunterlagen im Strafprozess (oder anderen disziplinarischen Verfahren) auf keinen Fall wörtlich vorab veröffentlicht werden dürfen. Nach der mündlichen Eröffnung in der Verhandlung ist dies jedoch möglich.

BVerfG, Beschluss vom 27.06.2014, Az. 2 BvR 429/12


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