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Über Überfall darf identifizierend bei YouTube berichtet werden

LG Essen, Urteil vom 05.06.2014, Az. 4 O 107/14


Über Überfall darf identifizierend bei YouTube berichtet werden

Landgericht Essen: Verbrechensopfer muss trotz der Möglichkeit, dass es von Zuschauern identifiziert werden könnte, Veröffentlichung von Filmsequenz dulden.

Der Persönlichkeitsschutz genießt große rechtliche Bedeutung. Das trifft insbesondere im Zusammenhang mit dem Öffentlichmachen von Abbildungen zu, auf denen Menschen so zu erkennen sind, dass sie identifiziert werden können. Auf der anderen Seite gibt es auch rechtliche Grenzen, die das „Recht am eigenen Bild“ unter bestimmten Voraussetzungen beschränken. So können unter Umständen Strafverfolgungsinteressen vorrangig sein. Häufig müssen Gerichte bei der Würdigung von Persönlichkeitsschutz-Fällen das ebenfalls einen hohen rechtlichen Stellenwert genießende Informationsinteresse der Öffentlichkeit berücksichtigen.

So auch in einem Fall eines privaten Personenschützers, der Opfer eines Überfalls geworden war. Ein Team einer TV-Produktionsgesellschaft hatte ihn in diesem Zusammenhang gegen seinen Willen gefilmt. Der Film war später bei Youtube zu sehen.

Der Personenschützer P war am 11. November 2013 bei einer Observierung in Düsseldorf von einem unbekannten Mann überfallen worden. Er hatte den Mann in die Flucht schlagen können. Die von P alarmierte Polizei erschien am Tatort. Wenig später erschien auch G, der Geschäftsführer der auf den Bereich „Sensationsmeldungen“ spezialisierten TV-Produktionsgesellschaft T, mit einem Filmteam am Ort des Geschehens. Es wurden Videoaufnahmen vom Tatort sowie von anwesenden Personen gemacht. Das T-Team filmte auch P und zwar von hinten und im Profil. Auch sein PKW wurde aufgenommen. Am Tag darauf wurden Aufnahmen zum Vorfall auf Youtube gezeigt. Ausschnitte und Fotos aus dieser Produktion erschienen in den folgenden Tagen zusätzlich im Lokalfernsehen und in einigen Printmedien.

P hat nach eigenen Angaben am Drehort gegen die Aufnahmen protestiert. Er hat einer Veröffentlichung nicht zugestimmt. Am 19. Dezember verlangte er von G mit einem anwaltlichen Schreiben eine strafbewehrte Unterlassungserklärung. Außerdem verlangte P, dass G das Video löscht und nicht länger zugänglich macht.
G löschte am Tag darauf das Video von der Youtube-Plattform, weigerte sich aber, die geforderte Unterlassungserklärung abzugeben. Daraufhin verklagte ihn P unter Hinweis auf die Gefahr, dass er zu einem späteren Zeitpunkt erneut bei einer weiteren Veröffentlichung des Videos auf Youtube oder anderswo gezeigt werden könnte.
Ferner machte P geltend, dass ein Auftraggeber ihn auf dem Youtube-Video gesehen und erkannt habe. Deshalb habe er von diesem Auftraggeber keine weiteren Aufträge erhalten.

P sah sein durch § 22 KUG (Kunsturhebergesetz) geschütztes Persönlichkeitsrecht am eigenen Bild verletzt. Danach dürfen Bildnisse von Menschen nur mit Einwilligung der Abgebildeten öffentlich zur Schau gestellt oder verbreitet werden. Der beklagte G vertrat dagegen die Auffassung, dass P im Zusammenhang mit einem Ereignis der Zeitgeschichte aufgenommen worden sei und deshalb gemäß § 23 I 1 KUG eine Veröffentlichung seines Bildnisses dulden müsse.

Das Gericht hatte nun zu entscheiden, ob § 22 KUG oder § 23 KUG in diesem Fall zu Anwendung kommen. Zunächst stellte es fest, dass P zumindest von Angehörigen seines entfernten Bekanntenkreises aufgrund der T-Aufnahmen identifiziert werden konnte. Auch stellte das Gericht fest, dass keine Einwilligung von P für die Veröffentlichung vorgelegen hatte. Andererseits sei der Überfall ein Ereignis der Zeitgeschichte im Sinne des § 23 KUG gewesen. Daher bestand ein erhebliches Interesse der Öffentlichkeit an der visuellen Berichterstattung. Durch seine Rolle als Opfer bei diesem nicht alltäglichen Überfall sei P zu einer relativen Person der Zeitgeschichte geworden. Unter Berücksichtigung, dass er nicht in seiner rechtlich besonders geschützten Privatsphäre, sondern lediglich in seiner Sozialsphäre (Arbeitssituation Observierung) gezeigt und weder in herabwürdigender noch hämischer Art und Weise dargestellt worden sei, fiel die Interessenabwägung des Gerichts zu seinem Ungunsten aus. Die zumindest mittelbaren Nachteile für Ps Berufsausübung wertete das Gericht gegenüber der Bedeutung der Presse- und Informationsfreiheit als nicht gravierend genug.

Die Klage wurde entsprechend abgewiesen.

LG Essen, Urteil vom 05.06.2014, Az. 4 O 107/14


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