Textergänzung und der Anspruch auf Gegendarstellung
Das Oberlandesgericht (OLG) in Düsseldorf hat mit seinem Urteil vom 26.06.2015 unter dem Az. I-16 U 85/15 entschieden, dass eine Textergänzung in der Presse den Anspruch auf die Veröffentlichung einer Gegendarstellung eines Betroffenen nicht hinfällig macht.
Der Anspruch entfalle nicht schon durch eine Ergänzung des Textes, der die Grundlage zur Gegendarstellung bildet. Auch der allgemeine Hinweis auf die Aktualisierung des Textes erzeuge bei den Lesern nicht die nötige Aufmerksamkeit, um die Rechte des Betroffenen zu berücksichtigen. Ein Gegendarstellungsanspruch könne daher nur dann entfallen, wenn die Korrektur eindeutig und deutlich erkennbar sei oder der ursprüngliche Artikel schon die Stellungnahme des Berechtigten selbst wiedergebe.
Damit hat das OLG die Berufung der Beklagten abgewiesen. Die Klägerin ist die Inhaberin der Karstadt AG Warenhauskette; sie hat sich mit einer Gegendarstellung gegen eine Behauptung der Beklagten gewehrt. Auf ihrer Internetseite wiwo.deveröffentlichte die Beklagte einen Artikel unter der Überschrift „Niedriglöhne sollen Karstadt retten“. In diesem Artikel behauptet sie, die Klägerin beabsichtige, Mitarbeiter geringer zu bezahlen. Da dies als Tatsache hingestellt werde, stehe der Beklagten eine Veröffentlichung einer korrigierenden Gegendarstellung zu. Die Absicht des Gesetzgebers hinter dieser Regelung sei es, einen kritischen Journalismus vor einer freien Gestaltung von Presseartikeln den Vorzug zu geben. Gleichzeitig werde verhindert, dass die Presse durch Abdruckpflichten verschiedenster Gegenmeinungen behindert werde.
Die Beklagte habe eine Tatsache über die Klägerin behauptet, daher stehe dieser eine Gegendarstellung zu. Der von der Klägerin vorgelegte Text der Gegendarstellung sei entgegen der Ansicht der Beklagten auch nicht irreführend. Der Anspruch auf Gegendarstellung habe formalen Charakter und setze nicht den Nachweis der Unwahrheit der ursprünglichen Darstellung voraus. Gegendarstellungen seien nur dann nicht zulässig, wenn sie irreführend seien. Die Irreführung müsse sich aus unstreitigen Tatsachen ergeben. Die Unzulässigkeit ergebe sich bei irreführenden Gegendarstellungen aus dem Prinzip des Rechtsmissbrauchs.
Der im ursprünglichen Artikel enthaltene Vorwurf, die Klägerin beabsichtige, Mitarbeiter niedriger zu bezahlen, werde von der Gegendarstellung verneint. Es bedürfe keiner Ergänzung durch die Klägerin dahingehend, dass sie nicht die Absicht habe, bereits beschäftigte Mitarbeiter, oder jedenfalls neue Mitarbeiter, niedriger zu entlohnen. Die Gegendarstellung habe nicht den Zweck, die Erstveröffentlichung zu ergänzen. Mit den Möglichkeiten der Bezahlung neuer Mitarbeiter befasse sich der Artikel der Beklagten auch gar nicht. Folglich müsse und dürfe sich die Klägerin auch nicht damit befassen. Das berechtigte Interesse der Klägerin sei auch nicht dadurch entfallen, dass die Beklagte ihren Text noch ergänzt habe.
Dass die Erstveröffentlichung im Internet nicht mehr abrufbar sei, stehe dem Anspruch der Klägerin ebenfalls nicht entgegen. Das folge unmittelbar aus dem § 56 RStV (Rundfunkstaatsvertrag). Hiernach sei die Gegendarstellung auch dann noch genauso lange anzubieten wie die ursprünglich an gleicher Stelle angebotene Tatsachenbehauptung.
OLG Düsseldorf, Urteil vom 26.06.2015, Az. I-16 U 85/15