Sparkasse kann Zusammenarbeit mit "Internet-Abzockern" verweigern
Das Verwaltungsgericht Frankfurt hat entschieden, dass kein öffentlicher-rechtlicher Anspruch auf die Eröffnung eines Girokontos besteht. Dieser ist im Wege der Leistungsklage zu verfolgen.
Die Richter hatten die Frage zu klären, ob Sparkassen dazu berechtigt sind, einen Antrag auf Eröffnung eines Girokontos zu verweigern. § 2 Abs. 2 Hess. SparkG i. V. m. Art. 3 Abs. 1 GG beschreibt lediglich das Aufgabenfeld der Sparkassen. Ein subjektiver Anspruch auf Eröffnung eines Girokontos ergibt sich hieraus jedoch nicht. In ihrer Rolle als öffentlich-rechtlicher Leistungsträger sind Sparkassen nur dann berechtigt, den Antrag auf Eröffnung eines Girokontos zu verweigern, wenn ein sachlicher Grund vorliegt. Gemäß Art. 20 GG ist ein sachlicher Grund gegeben, wenn ein Inkassounternehmen ein Girokonto zwecks Einzug von rechtlich fragwürdigen Forderungen gegenüber Dritten führt.
Klägerin ist ein Inkassounternehmen, die im Auftrag ihrer Kunden Forderungsaußenstände eintreibt. Unter ihren Kunden befinden sich auch Unternehmen, die webbasierte Dienstleistungen anbieten. Im Internet genießen diese Unternehmen einen fragwürdigen Ruf und werden von Verbrauchern als „Internetabzocker“ bezeichnet. Betroffene Verbraucher wendeten sich an die Sparkasse, bei der die Klägerin ihr Girokonto zwecks Einzug der außenstehenden Forderungen führte. Die Sparkasse kündigte dem Inkassounternehmen den Kontovertrag gemäß Nr. 26 ihrer AGB. Die Klägerin nahm diese Vertragsauflösung nicht hin und ging auf dem Weg der einstweiligen Verfügung gegen die Sparkasse vor. Die Berufungsinstanz lehnte das Klagebegehren ab. Die Klägerin beruft sich auf § 2 des Hessischen Sparkassengesetzes. Die Sparkasse ist ein Dienstleister auf dem Gebiet der öffentlich-rechtlichen Daseinsfürsorge und daher nicht berechtigt, Kunden die Eröffnung oder Führung eines Girokontos ohne sachlichen Grund zu verweigern. Die Beklagte nimmt einen Kontrahierungszwang nur für Privatpersonen an. Die Sparkasse ist grundrechtsverpflichtet und gemäß Art. 3 GG der Gleichbehandlung aller Kunden verpflichtet. Es besteht ein Willkürverbot. Das Gericht sieht die Klage jedoch als unbegründet und die Ablehnung auf Kontoführung durch die Klägerin als rechtmäßig an. Gemäß § 2 des Hessischen Sparkassengesetzes besteht kein Anspruch der Klägerin auf die Eröffnung oder Führung eines Girokontos gegen die Beklagte.
Diese Vorschrift definiert lediglich die Aufgabenstellung der Sparkassen, demzufolge sie als Leistungsträgerin der Daseinsfürsorge die Versorgung mit kredit- und geldwirtschaftlichen Leistungen sicherstellt und ihren Kunden die Teilhabe am bargeldlosen Zahlungsverkehr ermöglicht. Subjektiv-rechtliche Interessen werden von dieser Vorschrift nicht berücksichtigt. Das Gericht kann kein Willkürverbot erkennen, da es sich bei den Sparkassen um am Gemeinwohl ausgerichtete Einrichtungen handelt. In dieser Hinsicht ergibt sich ein entscheidender Unterschied zu den Privatbanken. Ein sachlicher Verweigerungsgrund ergibt sich alleine aus dem Verbraucherschutzgesetz in Verbindung mit den zahlreichen Vorschriften des BGBs. Die Inkassotätigkeit der Klägerin richtet sich hauptsächlich auf zweifelhafte Rechtsgeschäfte, die die Unvorsichtigkeit und Unerfahrenheit der Verbraucher ausnutzen. Auf diese Weise entstehen Forderungen der Internetdienstleister aus sogenannten Abo-Fallen und sonstigen Bezahldiensten gegen Dritte. Nicht nur die Verbraucher, sondern auch die Verbraucherzentrale Hamburg hatte die Sparkasse zur Kündigung des Kontoverhältnisses mit der Klägerin aufgefordert. In dieser Hinsicht besteht eine enge Verbindung zwischen der Klägerin als Inkassounternehmen, den „geprellten“ Verbrauchern und der Sparkasse als kontoführendes Unternehmen.
Die Richter stellen eine strafrelevante Täuschungshandlung gemäß § 263 StGB fest. Die Geschäftsmodelle der Klägerin und die der Internetseiten der streitgegenständlichen Anbieter sind so ausgestaltet, dass sie dazu geeignet sind, Verbraucher über die Natur der kostenpflichtigen Angebote zu täuschen. Vordergründig werden alle Maßnahmen ergriffen, damit die Kunden eine Kostenpflicht übersehen. Wahre Tatsachen werden unterdrückt, die gebotene Aufklärung erfolgt nicht. Der Verdacht der Internetabzocke und des Verbraucherbetruges erhärtet sich, da die betreffenden Unternehmen nach Rechnungserhalt nicht mehr für die Kunden erreichbar sind. Es besteht ein enges wirtschaftliches Verhältnis zwischen der Klägerin und ihren Kunden, da sie mit der Eintreibung der zweifelhaften Forderungen ihr Geld verdient. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass sie an den Vertragsabschlüssen nicht beteiligt ist. Der wirtschaftliche Wert des Betriebes der Klägerin wird nicht beeinträchtigt, daher besteht kein Anspruch gegen die Klägerin auf Grund einer Rechtsverletzung an einem eingerichteten Gewerbebetrieb (Art. 14 GG). Aufgrund der Würdigung der Gesamtumstände bleibt festzuhalten, dass die Beklagte berechtigt dazu war, das Kontoverhältnis mit der Klägerin zu kündigen.
VG Frankfurt a. M., Urteil vom 16.12.2010, Az. 1 K 1711/10.F