Schadensersatzgrenze bei fristloser Kündigung einer Flatrate
Ein Urteil des Berliner Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg begrenzt den Schadensersatz, den ein Mobilfunkanbieter bei einer fristlosen Kündigung verlangen kann. Ein Mobilfunkkunde, der in Zahlungsschwierigkeiten geraten war, hatte seine Rechnungen nicht mehr bezahlt. Er hatte für sein Handy einen Flatratevertrag mit einem Mobilfunkanbieter abgeschlossen. Als er diesen nicht mehr bedienen konnte, wurde ihm fristlos gekündigt. Sein Zugang zu den Telekommunikationsdiensten des Anbieters wurde gesperrt. Der Provider verlangte von seinem Kunden Schadensersatz und begründete dies damit, dass der Vertrag über eine gewisse Dauer abgeschlossen war. Das frühzeitige Ende des Vertrags sei vom Kunden durch seine unterbliebenen Zahlungen verschuldet gewesen. Eigentlich war für die gesamte vertragliche Laufzeit eine Flatrate-Gebühr von rund 67 € festgelegt. Wäre der Kunde seiner Zahlungspflicht nachgekommen, hätten dem Mobilfunkanbieter die Gebühren der gesamten vertraglichen Laufzeit zugestanden. Allein das Zahlungsverhalten des Kunden hätte dies verhindert. Deshalb verlangte der Provider auch die Flatrate-Gebühren, die angefallen wären, wenn sich der Kunde redlich verhalten und seine Zahlungspflichten aus dem Vertrag erfüllt hätte.
Das Berliner Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg gab der Klage nur zum Teil statt.
Es erkannte an, dass die frühzeitige Aufhebung des Vertrages über die Flatrate durch das vertragswidrige Verhalten des Kunden verursacht wurde. In diesen Fällen spricht § 628 Absatz 2 BGB dem Mobilfunkanbieter Ersatz des durch die Aufhebung des vertraglichen Verhältnisses entstandenen finanziellen Schadens zu. Der Kunde hatte die vertragliche festgelegten Zahlungen nicht gleistet und damit die fristlose Kündigung verschuldet. Damit war er verpflichtet, dem Mobilfunkanbieter die finanziellen Einbußen, die dadurch entstanden sind, zu ersetzen.
Das Gericht widersprach aber der Höhe der finanziellen Einbußen, die der Provider vor dem Amtsgericht geltend gemacht hatte. Das Gericht bezweifelte, dass der finanzielle Schaden des Mobilfunkanbieters pauschal mit der entgangenen Grundgebühr für die eigentlich vereinbarte vertragliche Restlaufzeit festzusetzen war. Es bezog sich dabei auf den Rechtsgedanken des § 649 Satz 1 BGB. Danach ist man berechtigt, die vereinbarte Vergütung zu verlangen; man muss sich jedoch dasjenige anrechnen lassen, was infolge der Aufhebung des Vertrags an Aufwendungen erspart wird. Das Berliner Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg kam zu der Überzeugung, dass der Provider durch die Sperrung des Zugangs des Kunden Aufwendungen eingespart hat, die er sich auf den Schadensersatz anrechnen lassen müsse. Dies ergäbe sich beispielsweise schon aus dem Vergleich der verschiedenen Mobilfunktarife. Neben einer pauschalen Flatrate biete der Provider auch Tarife an, bei denen eine geringe Grundgebühr gezahlt wird und dann für jedes einzelne Telekommunikationsleistung Entgelte zu entrichten sind. Diese Tarifgestaltung zeige, dass die tatsächliche Inanspruchnahme der Leistung einen vergütungspflichtigen Wert darstelle und im Umkehrschluss, die Nicht-Zurverfügungstellung und die fehlenden Inanspruchnahme der Telekommunikationsdienste einen wirtschaftlichen Vorteil des Anbieters bedeute. Dieser wirtschaftliche Vorteil sei bei der Berechnung des Schadensersatzanspruchs in Abzug zu bringen.
Vor diesem Hintergrund begrenzte das Berliner Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg den Schadensersatzanspruch des Anbieters und schätzte die ersparten Aufwendungen mit mindestens 50 % der Grundgebühr ein, wodurch sich der Anspruch halbierte.
Für Mobilfunkkunden bedeutet das Urteil die Sicherheit auch bei selbst verschuldetem frühzeitigem Ende eines Vertrages nicht die vollen Grundgebühren für die gesamte Laufzeit des Flatratevertrages ersetzen zu müssen. Für Mobilfunkanbieter wird damit klargestellt, dass auch sonst übliche Klauseln, die eine der Vertragslaufzeit entsprechende Schadensersatzhöhe festlegen, zukünftig keinen Bestand mehr haben werden.
AG Berlin-Tempelhof/Kreuzberg, Urteil vom 05.09.2012, Az. 24 C 107/12