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Sachliche Kritik an Mitbewerber nicht wettbewerbswidrig

OLG Brandenburg, Urteil vom 13.12.2016, Az. 6 U 76/15


Sachliche Kritik an Mitbewerber nicht wettbewerbswidrig

Das Brandenburgische Oberlandesgericht verneint mit Urteil vom 13. Dezember 2016 (Az. 6 U 76/15) den Unterlassungsanspruch eines Unternehmers gegen die Kritik eines Konkurrenten. Die Äußerungen des Beklagten seien – soweit sie Tatsachen anbelangten – wahr. Insofern es sich um eine Meinungsäußerung handle, erfolge sie sachlich. Außerdem habe der angesprochene Verkehr ein berechtigtes Interesse an der Information, es bestehe ein konkreter Anlass für die Kritik und sie sei verhältnismäßig. Daneben halten die Brandenburger Richter fest, ehrenrührige Äußerungen, die im Rahmen eines Gerichtsverfahrens oder dessen Vorbereitung gemacht würden, begründeten grundsätzlich keinen Unterlassungsanspruch.
 
Sachverhalt
Der Kläger ist Bauingenieur und betreibt ein Planungsbüro. Seine Frau ist in einem städtischen Bauamt für die Vergabe von Fördergeldern zuständig. Dass der Kläger an verschiedenen Projekten der kommunalen Wohnungsbaugesellschaft teilgenommen hatte, weckte beim Beklagten, dem Inhaber eines Architekturbüros, Argwohn. Er wies die Wohnungsbaugesellschaft und verschiedene städtische Amtsträger brieflich auf die seines Erachtens problematische berufliche Verquickung des Klägers und seiner Ehefrau hin. Im Schreiben äußerte er die Vermutung, die Verwandtschaftsbeziehung zwischen den beiden könne gegen die Bedingungen der Investitionsbank des Landes Brandenburg (ILB) für Fördermittelbescheide verstoßen. Zudem verwendete er die Formulierung "ein Schelm, der Böses dabei denkt".
 
Der Kläger erachtete die Äußerungen des Beklagten als geschäftsschädigend und ließ ihn abmahnen. Er verlangte von ihm, die Behauptung zu unterlassen, seine Frau habe rechtswidrig an Vergabeverfahren mitgewirkt, an denen sein Büro teilgenommen habe. Der Beklagte stellte sich auf den Standpunkt, er habe die Aussage, die ihm der Kläger verbieten wolle, so nicht gemacht. In der Folge verweigerte er die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung.
 
Der Kläger setzte seinen Unterlassungsanspruch vor dem Landgericht Cottbus durch. Gegen die landgerichtliche Entscheidung erhob der Beklagte Berufung.
 
Urteilsbegründung
Das Brandenburgische Oberlandesgericht heißt die Berufung gut. Es stellt fest, der Beklagte habe den zu verbietenden Vorwurf nicht gemacht. Ein Verbot sinngemäßer Aussagen stehe außer Betracht, da der Beklagte mit seinen Äußerungen nicht wettbewerbswidrig gehandelt habe.
 
Die Behauptungen, die Gattin des Klägers sei im Bauamt für die Vergabe von Fördergeldern zuständig und der Kläger habe an mehreren Projekten der städtischen Wohnungsbaugesellschaft mitgearbeitet, seien wahr. Daher verstießen sie nicht gegen § 4 Nr. 2 UWG, der den Schutz der Mitbewerber vor einer Geschäftsschädigung durch unwahre Tatsachenbehauptungen bezwecke.
 
Die Vermutung eines Verstoßes gegen die Bedingungen für ILB-Fördermittelbescheide und die Bemerkung "ein Schelm, der Böses dabei denkt", seien Meinungsäußerungen. Sie unterlägen nicht der Lauterkeitsbeurteilung nach § 4 Nr. 2 UWG.
 
Der Senat erkennt in den Tatsachenaussagen des Beklagten auch keine unlautere Herabsetzung oder Verunglimpfung im Sinne von § 4 Nr. 1 UWG. Geschäftsschädigende Tatsachenaussagen seien zulässig, sofern der angesprochene Verkehr ein berechtigtes Informationsinteresse habe, ein hinreichender Anlass bestehe und die Kritik in Art und Ausmaß verhältnismäßig sei. Dies ist nach Auffassung der Richter vorliegend der Fall. Die Absicht des Beklagten bestehe darin, die städtischen Entscheidungsträger auf einen potenziellen Interessenskonflikt im Vergabewesen hinzuweisen, durch den er sich im Wettbewerb benachteiligt fühle.
 
Ebenso wenig verstießen die Meinungsäußerungen gegen § 4 Nr. 1 UWG. Sie enthielten weder Formalbeleidigungen noch Schmähkritik und seien nicht geeignet, die Menschenwürde des Klägers zu verletzen. Vielmehr handelt es sich nach Ansicht des Brandenburgischen Oberlandesgerichts um sachliche Kritik, der ein konkreter Anlass zugrunde liegt. Zumal der Gesetzgeber die berufliche Verstrickung von Ehegatten im öffentlichen Vergabewesen für problematisch erachte und sie durch § 6 Abs. 4 der Vergabeverordnung (VgV) bekämpfe.
 
Der Kläger hatte sein Unterlassungsbegehren nicht nur auf den Brief des Beklagten, sondern auch auf ein vorprozessuales Antwortschreiben des gegnerischen Anwalts gestützt. Der Senat macht indessen deutlich, dass Äußerungen, die im Rahmen eines Gerichtsverfahrens oder seiner Vorbereitung fallen, nicht Gegenstand von Unterlassungs- und Ehrenschutzklagen sein können. Die Verfahrensbeteiligten müssten zur Wahrung ihrer Rechte alles vortragen dürfen, was sie für erforderlich hielten, ungeachtet dessen, ob die Ehre der Gegenseite berührt werde. Eine Ausnahme bestehe lediglich bei bewusst unwahren oder leichtfertig unhaltbaren Tatsachenbehauptungen und bei Schmähkritik.
 
OLG Brandenburg, Urteil vom 13.12.2016, Az. 6 U 76/15


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Kommentare (1)

  • kenguru

    25 Februar 2017 um 22:20 |
    Wie konnte der Unterlassungkläger überhaupt von den Formulierungen im Brief wissen?

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