Rücknahme von Auktionsangeboten im Internet
Wird im Internet auf einer Auktionsplattform eine Ware zur Auktion angeboten, so kann dieses Angebot nur unter besonderen, zu begründenden Umständen zurückgezogen werden. Entspricht die Begründung der Rücknahme des Verkaufangebots nicht den engen Maßstäben, so kommt ein Vertrag mit dem Höchstbietenden zustande, selbst wenn der Wert der Ware wesentlich über dem Bietwert liegt. Sollte das Produkt zum Zeitpunkt der potentiellen Übergabe bereits anderweitig veräußert worden sein, ist der Anbietende schadensersatzpflichtig.
In vorliegendem Fall hatte ein Anbieter auf einer namhaften Internetplattform ein Stromaggregat im Wert von 8.500 € zu einem Startpreis von 1,- € in einer Auktion angeboten, später dieses Auktionsangebot jedoch zurückgezogen. Zum Zeitpunkt der Angebotsrücknahme war die Auktion noch länger als 12 Stunden geöffnet. Bis zur vorzeitigen Beendigung der Auktion durch den Anbieter hatte nur ein Bieter ein Angebot über 1,- € vorgelegt, auf das er im Folgenden bestand. Der Anbieter hatte die Ware jedoch zwischenzeitlich anderweitig veräußert, woraufhin der Bieter Schadensersatz forderte.
Im Falle einer Internetauktion komme ein Vertrag im Sinne der §§ 145ff. BGB (Antragsbindung), nicht jedoch des § 156 BGB (Vertragsschluss bei Versteigerungen) zustande, so das Gericht, da kein „Zuschlag“ erfolge (vgl. BGH, Az. VIII ZR 13/01, VIII ZR 375/03, VIII ZR 289/09 und VIII ZR 305/10). Es handele sich also im Gegensatz zu einer Versteigerung um ein Fernabsatzgeschäft (vgl. BGH, Az. VIII ZR 375/03).
Im Rahmen einer Internetauktion seien aber auch die AGB des Internetportals heranzuziehen, die hier im Sinne des § 145 BGB einen Vorbehalt zuließen, was rechtlich nicht zu beanstanden sei (vgl. BGH, Az. VIII ZR 305/10 und VIII ZR 63/13). Dabei hätten die AGB-Bestimmungen auch dann Bestand, wenn der Beklagte diese nicht zur Kenntnis nehme (vgl. BGH, Az. VIII ZR 305/10).
Maßgeblich sei für die Entscheidung der Zulässigkeit der Angebotsrücknahme deren Grund (z.B. Irrtum bei Angebotserstellung – vgl. BGH, Az. XII ZR 246/93 –, Beschädigung oder Verlust der Ware während der Auktion), welcher vom Anbietenden belegt werden müsse (vgl. BGH, Az. VIII ZR 305/10; LG Bochum, Az. 9 S 166/12; LG Detmold, Az. 10 S 163/11; LG Bonn, Az. 18 O 314/11; LG Dessau-Roßlau, Az. 1 T 229/11; LG Coburg, Az. 22 O 43/04; LG Hamm, Az. 17 C 157/11; OLG Hamm, Az. 2 U 94/13).
Es sei also ein Kaufvertrag zustande gekommen, in dem jedoch der Kaufpreis in einem sichtbaren Missverhältnis zum Wert der ersteigerten Ware läge. Dies sei im Rahmen einer Internet-Auktion jedoch alleine kein ausreichendes Indiz für ein „wucherähnliches Rechtsgeschäft“ im Sinne des § 138 Abs. 1 BGB. Um diese Annahme zu rechtfertigen müssten weitere Sachverhalte hinzukommen (vgl. BGH, Az. VIII ZR 244/10; OLG Köln, Az. 19 U 109/06; OLG Koblenz, Az. 5 U 429/09). Auch sei die Forderung auf Herausgabe der Ware bzw. eines entsprechenden Schadensersatzes keine Treuewidrigkeit (vgl. OLG Köln, Az. 19 U 109/06).
In der Praxis bedeutet dies, dass sich Anbieter von Internetauktionen vorab genau über die Bedingungen eines Auktionsabbruchs informieren müssen. Ein Abbruch ist nur in sehr engen Grenzen möglich (z.B. Verlust, Beschädigung, Irrtum) und muss eindeutig belegbar sein. Weiterhin hat das Urteil Bedeutung hinsichtlich eines sittenwidrig erscheinenden Missverhältnisses zwischen Höchstgebot und tatsächlichem Warenwert: denn selbst wenn es eine solche sichtbar große Divergenz gibt, bedeutet dies nicht automatisch, dass ein Geschäft nichtig ist.
Das Urteil wurde allerdings zur Revision zugelassen, da es in der Rechtsprechung bisher nicht eindeutig ist, ob eine Begründung für einen Auktionsabbruch im Internet bei einer noch länger als 12 Stunden dauernden Auktion notwendig ist.
OLG Nürnberg, Urteil vom 26.02.2014, Az. 12 U 336/13