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rechtsradikal zulässige Meinungsäußerung

Bundesverfassungsgericht - 17.09.2012 - 1 BvR 2979/10 "rechtsradikal" ist zulässige Meinungsäußerung


Zur zulässigen Meinungsäußerung in Internetforen gehört auch das Wort “rechtsradikal”. Das Bundesverfassungsgericht hob bereits ergangene Unterlassungsurteile mit der Begründung wieder auf, dass ein Beitrag in einem Internet-Forum, der sich mit Rechtsradikalismus beschäftigt eine legitime Meinungsäußerung sein kann. Wenn es sich um ein Werturteil handelt, kann eine Person in einem Beitrag als “rechtsradikal” betitelt werden. Der Fall wurde an das Landgericht zurückverwiesen, die das “Grundrecht auf Meinungsfreiheit” schützen sollen.

Grund für das Urteil war die zivilrechtliche Unterlassungsklage eines Rechtsanwalts, der sich auf seiner Kanzleihomepage sowie durch Veröffentlichungen in Zeitschriften mit politischen Themen beschäftigte. Dabei beschrieb er, dass die Minderheit der “khasarischen, also nicht-semitischen Juden” die Fäden des Wirtschaftsgeschehens weltweit in der Hand halten würde. Zudem setzte er sich mit dem “transitorischen Charakter” des Grundgesetzes auseinander und schrieb, dass es sich um ein “ordnungsrechtliches Instrumentarium der Siegermächte” handeln würde.

Ein zweiter Rechtsanwalt nahm diese Veröffentlichungen zum Anlass, um darüber in Internetforen zu diskutieren. Dabei schrieb er, dass der Verfasser “einen seiner typischen rechtsextremen originellen Beiträge zur Besatzerrepublik BRD, die endlich durch einen bioregionalistisch organisierten Volksstaat zu ersetzen sei” liefere. Zudem meinte er, dass jemand, der schreibt “die Welt werde im Grunde von einer Gruppe khasarischer Juden beherrscht, welche im Verborgenen die Strippen ziehen” damit rechnen muss und “es sich gefallen lassen muss, rechtsradikal genannt zu werden”.

Das Landgericht sowie das Oberlandesgericht vertraten die Ansicht des zuerst genannten Rechtsanwalts, dessen Klage sich gegen die Bezeichnung “rechtsradikal” richtete. Beide Richter waren der Meinung, dass es sich um eine unwahre Schmähkritik und Tatsachenbehauptung handelt, die nicht mehr zum Bereich der Meinungsfreiheit zähle.

Allerdings hob das Bundesverfassungsgericht beide Urteile auf und verwies die Angelegenheit an das Landgericht zurück. Als Grund nannte das Bundesverfassungsgericht, dass die Bezeichnung “rechtsradikal” des zweiten Rechtsanwalts eine legitime Meinungsäußerung sei, und begründeten das Urteil folgendermaßen:

Durch die Urteile wird der zweite Anwalt, hier Beschwerdeführer genannt, in seinem “Grundrecht auf Meinungsfreiheit” (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) verletzt, da es sich um Meinungsäußerungen handelt, die in Form eines Werturteils abgegeben wurden. Bei der Beweiserhebung muss festgestellt werden, wann ein Beitrag als ”rechtsextrem” bezeichnet werden kann, wann eine Unterscheidung des Denkens vom “klassisch rechtsradikalen verschwörungstheoretischen Weltbild” zutrifft und außerdem wann es sich jemand “gefallen lassen muss, rechtsradikal genannt zu werden”. Die Meinungsfreiheit würde in der Bedeutung sowie in der Tragweite missachtet werden, sobald eine Äußerung fälschlicherweise als Formalbeleidigung, Tatsachenbehauptung oder als Schmähkritik eingestuft werden würde. Die Folge wäre, dass sie nicht in dem Maße am Grundrechtsschutz teilnehmen kann, wie beispielsweise Äußerungen, die ohne einen schmähenden oder beleidigenden Charakter als Werturteil angesehen werden.

Die Schmähung ist verfassungsrechtlich eng definiert, da bereits beim Vorliegen derselben eine Einschätzung mit der Meinungsfreiheit entfällt. Bei einer Schmähkritik handelt es sich um keine Diffamierung, sondern bei einer Schmähkritik steht die Beleidigung einer Person im Vordergrund. Dabei handelt es sich nicht um eine Auseinandersetzung in einer Sache. Somit kommt eine Schmähung nicht zur Anwendung, da alle Äußerungen in diesem Fall einen Sachbezug hatten.

Eine Abwägung zwischen dem Persönlichkeitsrecht des ersten Anwalts, hier Unterlassungsklägers genannt sowie der Meinungsfreiheit des Beschwerdeführers müsse verfassungsrechtlich geboten werden. Natürlich sollten die Umstände des Einzelfalls bei der Abwägung des Ergebnisses berücksichtigt werden. Das Landgericht, welches den Fall erneut verhandeln muss, soll demnach bei der Abwägung berücksichtigen, dass der Unterlassungskläger weder in seiner Privatsphäre noch in seiner Intimsphäre betroffen wurde. Betroffen wurde er höchstens in seiner Sozialsphäre.

In ihrem Kern betroffen sei allerdings die Meinungsfreiheit des Beschwerdeführers. Bei einem Urteil zur “Unterlassung eines Werturteils” müsse der Rechtsgüterschutz auf das Erforderliche im “Interesse des Schutzes der Meinungsfreiheit” beschränkt werden. Hinzu käme, dass der Unterlassungskläger seine Beiträge öffentlich, und zwar im Internet sowie in Zeitschriften zur Diskussion gestellt hat. Zur öffentlichen Meinungsbildung müsse dann auch eine inhaltliche Diskussion öffentlich möglich sein.


Bundesverfassungsgericht - 17.09.2012 - 1 BvR 2979/10


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