Persönlichkeitsverletzungen im Internet können an jedem Gericht eingeklagt werden
Mit Urteil vom 28.11.2016 hat das OLG Brandenburg entschieden, dass Kläger Persönlichkeitsverletzungen im Internet an jedem Gerichtsstandort bundesweit einklagen können, sofern kein unmittelbarer regionaler Bezug besteht.
Der Kläger (T.G.) und Geschäftsführer eines Unternehmens, verklagte eine als "Admin-C" (administrative contact) bei einem Internetunternehmen beschäftigte Person, da bei Eingabe seines Namens in die Suchmaschine Links zu Seiten auftauchten, in denen er als "Krimineller" bezeichnet wurde, aber auch vor Geschäften mit ihm gewarnt wurde: "So mancher Kunde, der einen dieser Gutscheine einlöste, geriet in eine Abofalle", hieß es da beispielsweise. Auch über sein unternehmerisches Geschick konnte man lesen: "...eine GmbH, die er fast an die Wand gefahren hätte." T. G. als Kläger begehrte also beim Landgericht Potsdam die Löschung dieser Eintragungen bzw. die Unterlassung der Verlinkung zu Einträgen wie diesen.
Die Beklagte beantragte, die Klage abzuweisen mit der Begründung, dass sie in ihrer Position als Admin-C nicht in Verantwortung zu nehmen sein, aber auch, dass der erstinstanzliche Gerichtsstand örtlich nicht zulässig sei. Das Landgericht Potsdam gab der Beklagten Recht und erklärte sinngemäß. dass die Regeln des §32 ZPO eng auszulegen seien und daher die alleinige Begründung, dass die Internetseiten bundesweit abrufbar sind, für eine Zuständigkeit des LG Potsdam nicht genügen. Vielmehr gehe es um "die Kenntnisnahme der beanstandeten Inhalte nach den Umständen des konkreten Einzelfalls am Ort". Und diese sein in Potsdam nicht gegeben. Dieser Rechtsansicht widersprach der Kläger und meldete Berufung an.
Diese Berufung führte nun beim OLG Brandenburg zu einer Rückverweisung des Verfahrens an das LG Potsdam. Denn in dessen Bezirk liege nämlich ein "Erfolgsort der geltend gemachten unerlaubten Handlung und damit auch ein Begehungsort für die Tat". Ein fliegender Gerichtsstand bestehe also überall dort, wo Presseerzeugnisse, aber auch Rundfunk- und Fernsehsendungen, in denen inkriminierte Äußerungen getätigt oder publiziert werden, konsumiert werden können. Für Fernsehsender, aber auch nationale Zeitungen, gilt diese Regel daher bundesweit. Für das Internet war das bisher strittig. So hat der Bundesgerichtshof in seiner sogenannten "New York Times"-Entscheidung vom März 2010 (Az.: VI ZR 23/09 (MMR 2010, 441)) festgestellt, dass Internetseiten im Gegensatz zu Presseprodukten nicht regelmäßig verbreitet, sondern nur bereitgehalten werden. Eine Klage sei daher nur dort zulässig, wo eine Interessenkollision wahrscheinlich wäre.
Demgegenüber entschied das OLG Brandenburg im gegenständlichen Fall jedoch, dass Persönlichkeitsverletzungen, die sich etwa über Verlinkungen in Suchmaschinen ergeben, keinen regionalen Bezug haben. Eine Kenntnisnahme der inkriminierten Publikation sei daher "an jedem Ort der Bundesrepublik gleich wahrscheinlich". Ob es überhaupt einen Bezug zum Zuständigkeitsbereich des LG Potsdam gebe, sei daher völlig unerheblich. Gleichzeitig verneint das OLG Brandenburg in seiner Entscheidung auch eine rechtsmissbräuchliche Auswahl des Gerichtsstandortes gem. § 35 ZPO. Die wäre etwa dann gegeben, wenn es der Klägerin unzumutbar erschwert würde, den Gerichtsstand zu erreichen und so ein Vorteil zugunsten des Klägers entstünde. Dies wäre auch der Fall, wenn sozusagen "testhalber" bei verschiedenen Gerichten Klagen eingereicht ürden, um die Erfolgsaussichten des Klägers zu erhöhen.
So aber wurde die Entscheidung nun an das LG Potsdam zurückverwiesen und dessen Zuständigkeit bejaht, was letztendlich bundesweite Signalwirkung bei Persönlichkeitsverletzungen im Internet haben kann.
OLG Brandenburg, Urteil vom 28.11.2016, Az.: 6 U 6/16