Persönlichkeitsverletzung bei einer Verdachtsberichterstattung
Mit Urteil vom 19. Dezember 2012 hat das Landgericht Düsseldorf entschieden, dass das öffentliche Interesse bei einer Persönlichkeitsrechtsverletzung überwiegen kann, wenn es sich um einen Fall der Verdachtsberichterstattung handelt. Das Geschäftsgebaren eines Unternehmens, das auf dem Markt eine bedeutende Rolle verkörpert, darf kritisch hinterfragt werden, wenn dadurch die Wächterfunktion der Presse gewährleistet wird. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Unternehmensstrukturen derart komplex sind, dass sie nur schwer zu analysieren sind und Indizien auf Auffälligkeiten innerhalb der Struktur hinweisen.
In dem Verfahren hatten die Antragsteller versucht die Antragsgegner auf Unterlassung in Anspruch zu nehmen. Grund für den Rechtsstreit war eine Berichterstattung in einem Pressewerk vom 16. September 2012. Unter der Überschrift “Ein Deutscher erregt die Welt” hatten die Antragsgegner einen Pressebericht über die Antragsteller veröffentlicht, der ihrer Ansicht nach ehrverletzende Äußerungen enthielt.
Bei den Antragstellern handelte es sich unter anderem um ein IT-Dienstleistungsunternehmen sowie diverse Tochtergesellschaften. Die Antragsgegner setzten sich demgegenüber aus der Verlegerin einer Wochenzeitung, die diesen Artikel veröffentlicht hatte, sowie den beiden Verfassern zusammen.
Zunächst hatten die Antragsteller vergeblich versucht, die Antragsgegner zur Abgabe der strafbewehrten Verpflichtungs- und Unterlassungserklärung aufzufordern. Mit Schreiben vom 26. September 2012 lehnten die Adressaten die Aufforderung hingegen ab.
Daraufhin stellten die Antragsteller mit Schreiben vom 1. Oktober 2012 bei dem zuständigen Gericht einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz. In dem hiesigen Verfahren beantragten sie sodann, die einstweilige Verfügung vom 1. Oktober 2012 durch Urteil zu bestätigen. Sie begründen ihre Auffassung damit, dass die von ihr beanstandeten Textpassagen innerhalb der Berichterstattung sämtlich unwahr seien.
Dem hielten die Antragsgegner entgegen, dass ihr veröffentlichter Artikel im Hinblick auf die durch Recherchen gewonnenen Ergebnisse zulässig sei. Insbesondere die beiden Verfasser der Berichterstattung versicherten in dem Rechtsstreit an Eides statt, dass der von ihnen angefertigte Recherchebericht mit der Wahrheit übereinstimmt. Im Ergebnis sei durch die vorgenommenen Recherchearbeiten jedenfalls die publizistische Verantwortung gewahrt worden. Immerhin sei den Antragstellern durch einen Fragenkatalog vorab selbst die Möglichkeit gegeben worden, Stellung zu den Ergebnissen zu beziehen.
In seinem Urteil wies das Landgericht Düsseldorf die einstweilige Verfügung zurück, da das Gericht nach der mündlichen Verhandlung zu der Überzeugung gelangt ist, dass der geltend gemachte Anspruch den Antragstellern nicht überwiegend wahrscheinlich zuzusprechen sei.
Um die Verletzung der Unternehmenspersönlichkeit bzw. des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zu bejahen, setzt der Unterlassungsanspruch zunächst voraus, dass der Aussagegehalt hinreichend bestimmt werden muss. Insbesondere ist in diesem Zusammenhang eine Unterscheidung zwischen einer Tatsachenbehauptung und einer Meinungsäußerung vorzunehmen.
Während Meinungen nämlich stets vom Grundrecht der Meinungsfreiheit im Sinne des Art. 5 Abs. 1 GG gedeckt sind, trifft dies bei Tatsachen nur dann zu, wenn sie einen meinungsbezogenen Inhalt haben. Allerdings ist vor allem in diesen Fällen eine Abwägung mit widerstreitenden Grundrechten vorzunehmen. Enthält eine Äußerung bewusst unwahre Tatsachen oder erwiesen falsche Behauptungen, ist dem Persönlichkeitsrecht regelmäßig der Vorzug zu gewähren. Die Rechtsprechung hat in solchen Konstellationen den Grundsatz entwickelt, das die Medien eine weitergehende Darlegungslast trifft, die sich dahingehend erstreckt, ob die Behauptung tatsächlich wahr ist. Sodann ist jedoch eine Interessenabwägung vorzunehmen, die sich auf das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen auf der einen Seite und dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit auf der anderen Seite erstreckt.
Unter Beachtung dieser Grundsätze kommt das Landgericht Düsseldorf zu dem Ergebnis, dass die beanstandete Berichterstattung zulässig gewesen ist. Die Antragsgegner hätten im Sinne des § 193 StGB gehandelt, indem sie die Wahrnehmung berechtigter Interessen verfolgt haben. Die Veröffentlichung hatte den Sinn und Zweck, die zweifelhaften Geschäftsgebaren der Antragsteller aufzudecken. Da es sich um ein Unternehmen handelte, das auf dem Markt eine angesehene Position erreichen konnte, lag der Bericht im öffentlichen Interesse. Durch die Veröffentlichung sollte das Handeln der Antragsteller kritisch hinterfragt werden. Folglich werde das Persönlichkeitsrecht, das auch für Unternehmen gilt, durch das Grundrecht der Meinungsfreiheit verdrängt. Ein Unterlassungsanspruch sei deswegen nicht begründet, so dass dem Antrag nach Auffassung des Gerichts nicht stattzugeben war.
LG Düsseldorf, Urteil vom 19.12.2012, Az. 12 O 512/12