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Persönlichkeitsrechtsverletzung durch Wikipedia-Eintrag

Landgericht Berlin, Urteil vom 28.08.2018, Az. 27 O 12/17


Persönlichkeitsrechtsverletzung durch Wikipedia-Eintrag

Das Landgericht Berlin entschied mit Urteil vom 28.08.2018, Az. 27 O 12/17, dass Äußerungen über eine Person in einem Wikipedia-Eintrag eine Persönlichkeitsrechtsverletzung darstellen, wenn die Enzyklopädie nicht darlegen und beweisen könne, dass die Autoren des Beitrages im hinreichenden Maße ihrer Recherchierungspflicht nachgekommen sind. Sie könne sodann aufgrund ihrer Vergleichbarkeit zu einem Internetportal als mittelbare Störerin auf Unterlassung in Anspruch genommen werden.

Umstrittener Beitrag in der Enzyklopädie Wikipedia
Der Kläger, ein Professor für Computerwissenschaften an einem deutschen Institut sowie an einer Universität in den USA mit Schwerpunkt auf den Gebieten der Spracherkennung, Sprachverarbeitung und Sprachübersetzung (nachfolgend „W“), begehrte im Streitfall die Löschung zweier ihn betreffender Aussagen im Rahmen des öffentlich zugänglichen Wikipedia-Eintrags seiner Person gegenüber der Enzyklopädie (Beklagte). Dort hieß es unter der Überschrift „Forschung“ zunächst: „Wie das ARD-Magazin Fakt berichtete, wurden Forschungen von W zur Analyse von massenhaft aufgezeichneten Sprachdaten von amerikanischen Geheimdienst- und Militärbehörden beauftragt und genutzt“. Im Weiteren fand sich die Passage „Aus Fakt vorliegenden Unterlagen ginge hervor, dass W jahrelang für ein amerikanisches Regierungsprogramm namens Total Information Awareness geforscht habe“.

Behauptung einer Persönlichkeitsrechtsverletzung
Nach dem Klägervortrag handele es sich hierbei um unwahre Tatsachenbehauptungen, die zu einer rechtswidrigen und fortdauernden Beeinträchtigung seines guten Rufes führen würden. Dies stelle eine Verletzung seines Persönlichkeitsrechts dar. Seine Forschung stehe keinesfalls in Kontext zu Geheimdienstoperationen; vielmehr hätten die von ihm entwickelten Übersetzungsprogramme und Kommunikationsinstrumente insbesondere humanitären und medizinischen Zwecken gedient. Durch die Bemerkungen würde seine Tätigkeit herabgesetzt und auch seinem Ansehen geschadet werden.

Informationsinteresse und Verfügbarkeit der Quellenbelege
Die Beklagte setzte sich gegen diese Behauptungen zur Wehr und beantragte die Klage abzuweisen. Ihrer Ansicht nach sei es zu berücksichtigen, dass die von ihr zur Verfügung gestellte Plattform dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit zugutekomme. Daher würden sich im Streitfall die Meinungsfreiheit der Autoren sowie die der Beklagten selbst gegenüber den Interessen des Klägers durchsetzen. Sie wies darauf hin, dass sich die umstrittenen Inhalte trotz der Entfernung des angeführten Beitrags aus der ARD-Mediathek auch aus immer noch verfügbaren Informationen aus anerkannten und seriösen Pressequellen wie Spiegel-Online ergeben würden. Daneben sei auch nach wie vor das Manuskript der Sendung im Internet zu finden. Dies habe ihre Prüfung im Anschluss an die aufkommende Diskussion mit Blick auf die Rechtswidrigkeit der Passagen ergeben. Es könne daher nicht behauptet werden, dass die Aussagen als unwahre Tatsachenbehauptungen einzustufen seien. Hingegen hätten sich die Autoren hinsichtlich der Gestaltung des strittigen Eintrags auf die Richtigkeit der Presseartikel verlassen können.

Landgericht gab klägerischem Begehren statt
Die Auffassung der Beklagten teilte das Landgericht Berlin hingegen nicht. Es kam vielmehr zu dem Ergebnis, dass die seitens des Klägers behauptete Persönlichkeitsrechtsverletzung tatsächlich vorliege, sodass diesem der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus §§ 823 Abs. 2, 1004 BGB analog in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG zukomme. Dabei hafte die Beklagte nicht unmittelbar für den rechtswidrigen Eingriff in das Recht des Klägers, sondern mittelbar.

Wann liegt eine Persönlichkeitsrechtsverletzung vor?
Zunächst führte das Gericht an, dass die Beurteilung einer Persönlichkeitsrechtsverletzung grundsätzlich von einer Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls abhängig ist. Ein Eingriff in das Persönlichkeitsrecht sei nach ständiger Rechtsprechung nur rechtswidrig, sofern das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der Gegenseite überwiege (vgl. BGH Urteil vom 20.04.2010 – VI ZR 245/08). Im Streitfall stünden sich das Persönlichkeitsrecht des Klägers (Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG) sowie die Meinungsfreiheit der Autoren sowie die von Wikipedia selbst (Art. 5 Abs. 1 GG) gegenüber. Dabei komme es hinsichtlich der Berufung auf Art. 5 Abs. 1 GG maßgeblich darauf an, ob sich die Aussagen als Tatsachenbehauptungen oder Meinungsäußerungen erweisen.

Beide Äußerungen waren Tatsachenbehauptungen
Hieraus ergeben sich nämlich die Maßstäbe für die beschriebene Abwägung. So fiele bei Tatsachenbehauptungen deren Wahrheitsgehalt erheblich ins Gewicht. Unwahren Behauptungen käme schließlich kein schützenswertes Interesse zu, sodass in diesem Fall stets dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der Vorrang zu gewähren sei. Nach den Ausführungen des Landgerichts seien sowohl die erste als auch die zweite angegriffene Textpassage als Tatsachenbehauptung zu qualifizieren, welche sich die Autoren auch zu eigen gemacht hätten. Grund hierfür sei, dass ein unvoreingenommener Durchschnittleser die streitgegenständlichen Äußerungen nicht als Verdachtsäußerungen, sondern als Mitteilung feststehender Tatsachen sehe, schließlich erwarte er in einer Enzyklopädie Fakten. Hätten die Autoren den Inhalt des ARD-Beitrages lediglich als Verdacht anführen wollen, so wäre hierfür ein deutlicher Hinweis erforderlich gewesen. Irrelevant sei dabei, dass die zweite Anmerkung im Konjunktiv formuliert sei. Zu beachten sei außerdem, dass der Leser nicht erfahre, dass der Kläger die innerhalb des Beitrags erwähnten Ausführungen im Rahmen einer Presseerklärung abgegeben habe. Dadurch sei für diesen der Kontext der Erläuterungen nicht erkennbar. Die Beklagte könne zudem gerade nicht behaupten, dass die Veröffentlichung aus Sicht eines unbefangenen Durchschnittslesers als bloßes Referieren über die ARD-Sendung zu werten sei. Dafür fehle es nämlich an der Datumsangabe der TV-Ausstrahlung.

Angegriffene Tatsachenbehauptungen waren unwahr
Um festzustellen, ob sich die Tatsachenbehauptungen als unwahr oder richtig einstufen lassen, war maßgeblich, wem hierfür letztendlich die Beweislast zukommen war und ob diese Person die Unwahrheit bzw. Richtigkeit umfassend hatte darlegen können. Nach den allgemeinen Grundsätzen habe generell der Anspruchsteller eines Unterlassungsanspruchs die Unrichtigkeit einer ihn betreffenden ehrverletzenden Bemerkung zu beweisen. Da der Vorwurf mit Hilfe deutscher Steuergelder für den US-amerikanischen Geheimdienst tätig gewesen zu sein, aber in hohem Maße rufschädigend sei, handele es sich bei den strittigen Textpassagen nicht „nur“ um ehrverletzende Aussagen, sondern vielmehr um eine üble Nachrede (§ 193 StGB). In einem solchen Fall kehre sich die Beweislast jedoch um, so das Gericht. Dies bedeute, dass der sich Äußernde darlegen und beweisen müsse, dass seine ehrbeeinträchtigenden Behauptungen wahr sind (vgl. BGH, Urteil vom 30.01.1996 – VI ZR 386/94). Dementsprechend komme im Streitfall der Beklagten die Darlegungs- und Beweislast für die Richtigkeit der Aussprüche zu. Allerdings genüge es diesbezüglich nicht, dass die Beklagte die Unwahrheit vorsorglich mit Nichtwissen bestreite. Auch könne sie sich nicht auf die Wahrnehmung eines berechtigten Informationsinteresses der Öffentlichkeit im Sinne des § 193 StGB berufen, sodass sie sich nicht von ihrer Beweislast zulasten des Klägers lösen könne. Es sei für das Geschehen gerade nicht feststellbar, ob die Autoren des streitgegenständlichen Beitrags ihre ihnen hierfür obliegende Recherchierungspflicht eingehalten hätten. Nach Ansicht des Gerichts sei es gerade nicht ausreichend, dass diese ihre Angaben mit Presseartikeln belegt hätten. Schließlich sei ihnen hierdurch bekannt gewesen, dass der Kläger die Aussagen im ARD-Magazin Fakt bestritten hätte. Mithin durften jene – auch wenn es sich bei ihnen nicht um Journalisten handelte – die Äußerungen nicht ohne eigene Prüfung als feststehend in den Wikipedia-Beitrag übernehmen.

Beklagte haftete als mittelbare Störerin
Zuletzt hielt das Gericht fest, dass die Beklagten mangels eigener Inhaltserstellung sowie mangels Vorabkontrolle und nachträglicher Steuerung durch eine Redaktion nicht unmittelbar für den Beitrag hafte. Allerdings könne diese mittelbar für den Eintrag zur Person des Klägers verantwortlich gemacht werden. Dies lasse sich damit begründen, dass die Enzyklopädie mit einem Internetforum vergleichbar sei, auch wenn sie im Unterschied zu anderen Foren nicht ein spezielles Thema, sondern eine unüberschaubare Vielzahl von Themengebieten betreffe und ein dauerhaftes Vorhalten der Beiträge bei ständiger Weiterentwicklung, Anpassung und Veränderung beabsichtige (vgl. LG Hamburg, Urteil vom 16.05.2008, Az. 324 O 847/07). Da sie sich die Beiträge nicht zu eigen mache, könne für sie nichts anders gelten als für einen Host-Provider, welcher die technische Infrastruktur sowie den Speicherplatz für einen Blog zur Verfügung stelle und mittelbar für rechtsverletzende Kommentare hafte, sobald er Kenntnis von der Rechtsverletzung erlangt und infolgedessen keine künftigen derartigen Verletzungen verhindert, obwohl der erfolgte Hinweis hinreichend konkret sei (vgl. BGH, Urteil vom 25.10.2001 – VI ZR 93/10).

Landgericht Berlin, Urteil vom 28.08.2018, Az. 27 O 12/17

von Sabrina Schmidbaur, Dipl.Jur.-Univ.


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