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Nur einmal Beratungshilfe bei mehreren Abmahnungen wegen illegalen Filesharings

BVerfG, Beschluss vom 30.05.2011, Az. 1 BvR 3151/10


Nur einmal Beratungshilfe bei mehreren Abmahnungen wegen illegalen Filesharings

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat mit seinem Beschluss vom 30.05.2011 unter dem Az. 1 BvR 3151/10 entschieden, dass ein mittelloser Rechtsratsuchender mit einem sparsamen Bemittelten zu vergleichen sei. Ein solcher würde bei Vorliegen mehrerer ähnlicher Fälle nur eine Rechtsberatung benötigen und dann die hierdurch erworbenen Kenntnisse selbstständig auf die weiteren Fälle anwenden. Dies könne einem unbemittelten Ratsuchenden ebenfalls zugemutet werden.

Der Beschwerdeführer richtet sich gegen einen Beschluss des Amtsgerichts (AG) Halle an der Saale.

Die Beschwerde wurde nicht angenommen. Sie betrifft Beratungshilfe in mehreren urheberrechtlichen Angelegenheiten. Der Beschwerdeführer ist Hartz-IV-Empfänger und hat von diversen Anwaltskanzleien, die die Inhaber von Rechten an Musikwerken vertreten, mehrere Abmahnungen erhalten, die jeweils mit einer vorformulierten Unterlassungserklärung versehen waren. Grund für die Abmahnungen sollen angeblich illegale Aktivitäten in Tauschbörsen im Internet gewesen sein. Der Beschwerdeführer wendete sich an einen Anwalt, der für ihn Beratungshilfe nach dem BerHG (Beratungshilfegesetz) beantragte.
Der Rechtspfleger des Amtsgerichts Halle bewilligte Beratungshilfe nur für den ersten Fall und wies Anträge für die übrigen Fälle zurück. Zur Begründung führte das AG aus, die Fälle seien ähnlich gelagert. Der Beschwerdeführer hätte sich nach dem ersten Fall selbst wehren können. Hiergegen legte der Beschwerdeführer Erinnerung ein, welche vom Richter des Amtsgerichts abgewiesen wurde. Der Beschwerdeführer habe nach der ersten Sache keinen Beratungsbedarf mehr gehabt.
Mit seiner Beschwerde beim BVerfG rügt der Beschwerdeführer die Verletzung des Rechts auf Rechtswahrnehmungsgleichheit gemäß Artikel 3 in Verbindung mit Artikel 20 GG und eine Verletzung des Verbots von Willkür nach 3 GG. Er verfüge nicht über Rechtskenntnisse und könne die Abmahnschreiben wegen der vielen Rechtsbegriffe nicht verstehen. Die Schreiben würden verschieden begründet. Das Beratungshilfegesetz enthalte keinen Verweis auf Selbsthilfe. Der Beschwerdeführer werde willkürlich gegenüber Bemittelten benachteiligt, welche sich in diesen Fällen an einen Anwalt wenden.

Doch das BVerfG sieht das anders und nimmt die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung an. Sie sei nämlich bereits mangels Substantiierung (§ 23 und § 92 BVerfGG) nicht zulässig.
Die Fachgerichte überschreiten dann den ihnen zukommenden Entscheidungsspielraum, wenn sie Maßstäbe anwenden, durch die der unbemittelte Rechtsuchende im Vergleich zum bemittelten die Rechtswahrnehmung erschwert oder eingeschränkt wird.
Dabei brauche aber der Unbemittelte nur mit einem Bemittelten verglichen werden, der die entstehenden Kosten für den Rechtsrat vernünftig abwäge. Ein kostenbewusster Ratsuchender werde dabei prüfen, inwieweit fremde Hilfe zur effektiven Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich ist. Unter verfassungsrechtlichen Aspekten stelle die Versagung der Beratungshilfe keine Verletzung des Gebot der Gleichheit dar, wenn ein Bemittelter vernünftigerweise seine Selbsthilfemöglichkeiten in Betracht zöge.
Ob der Rechtsuchende auf Selbsthilfe verwiesen werden könne, hänge vom Einzelfall ab.
Insbesondere komme es auf den Sachverhalt an, der dem Beratungsgesuch zugrunde liege. Zu prüfen sei die Frage, ob der Sachverhalt schwierige Rechtsfragen aufwerfe, ob der Rechtsuchende über ausreichende Kenntnisse verfüge, usw.
Die Notwendigkeit einer anwaltlichen Beratung könne nicht pauschal mit Verweis auf Parallelverfahren verneint werden. Die Frage, ob ein Parallelverfahren vorliege, könne bei Rechtsunkundigen durchaus einen Beratungsbedarf begründen. Wenn jedoch die Parallelität auf der Hand liege und die Beratung ohne Weiteres auf die übrigen Fälle angewendet werden könne, gebiete es das Grundrecht auf Rechtsgleichheit nicht, für jeden einzelnen Fall Beratungshilfe zu gewähren.
Es liege insoweit ein unechtes Musterverfahren vor. Aus der Erstberatung beziehe der Beratene spezifische Rechtskenntnisse, die es ihm ermöglichen, auch eine anspruchsvolle Materie als Laie zu handhaben. Auch ein sparsamer Bemittelter würde das erlangte Wissen eigenständig auf die späteren Fälle anwenden.
Der Grundsatz der Subsidiarität einer Verfassungsbeschwerde verlange zudem, dass der Beschwerdeführer besondere Umstände bereits beim Amtsgericht vorgetragen habe, wobei seine Darlegungslast nicht zu hoch angesetzt werden dürfe, falls er nicht anwaltlich vertreten gewesen sei.

BVerfG, Beschluss vom 30.05.2011, Az. 1 BvR 3151/10


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