Links auf rechtswidrige YouTube-Videos sind unzulässig
Das LG Hamburg hat die Störerhaftung bei der Verlinkung auf rechtswidrige YouTube-Videos auf der Grundlage einer Persönlichkeitsrechtsverletzung bejaht. Sie stufen die Verlinkung des Beklagten als veräußerungsrechtliche Verbreitungshandlung (§ 823 Abs. 1 BGB, § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB) ein. Der Beklagte habe sich damit den Beitrag des YouTube-Videos zueigen gemacht.
Dieser Rechtsstreit ist als sogenannter Kompa-Klehr-Krieg bekannt. Hintergrund ist ein Bericht des ZDF-Wirtschaftsmagazins WISO, das in seiner Rubrik „WISO ermittelt“ einen Bericht über einen angeblich dubiosen Krebsarzt sendete. Betroffen war der Arzt Dr. Klehr, dessen Heilmethoden angeblich nicht durch ein Gutachten der Berliner Charité unterstützt werden. Diese Behauptung stellte sich als nicht zutreffend heraus. Gegen diese unwahre Tatsachenbehauptung ging Dr. Klehr gerichtlich vor, jedoch nicht gegen das Magazin WISO, sondern gegen den Rechtsanwalt Markus Kompa, der in einem kritischen „Blog zum Medienrecht“ auf den WISO-Beitrag verlinkt hatte, der auf YouTube abrufbar war.
Im Vorfeld dieses Rechtsstreits hatte der Arzt dem ZDF die weitere Verbreitung des Beitrages per einstweiliger Verfügung untersagen lassen. Sein Antrag hatte auch deshalb Erfolg, weil der streitgegenständliche WISO-Beitrag Aufnahmen enthielt, die heimlich in der Praxis des Klägers aufgenommen worden waren. Dem beklagten Rechtsanwalt war diese Tatsache jedoch nicht bekannt, als er seinen Blog-Beitrag mit dem WISO-Video auf YouTube verlinkte.
Das Gericht stuft den Beklagten als Störer ein, der als Blogger maßgeblich zu der rechtswidrigen Verbreitung des streitgegenständigen WISO-Beitrages beigetragen hat und demzufolge auf Unterlassung haftet. Das Gericht hat eine Interessenabwägung zwischen dem Persönlichkeitsrecht des Arztes einerseits und der Meinungs- und Rundfunkfreiheit des Bloggers und des ZDFs andererseits vorgenommen und eine Rechtsverletzung durch das ZDF festgestellt. Der Hauptgrund für die Feststellung einer Persönlichkeitsrechtsverletzung besteht darin, dass die Aufnahmen des WISO-Ermittlerteams heimlich in der Arztpraxis des Klägers gedreht wurden. Die Richter nehmen den beklagten Anwalt und Blogger als Störer in Haftung, da er die ihm obliegende Sorgfaltspflicht verletzt hat. Der Rechtsstreit zwischen dem Kläger und dem ZDF ist dem Beklagten bekannt gewesen. Aus diesem Grund kann er nicht auf die Richtigkeit des streitgegenständlichen YouTube-Videos vertrauen und hätte den Sachverhalt überprüfen müssen. Zudem ist ihm bekannt, dass der Kläger bereits mehrfach gegen die öffentliche Berichterstattung vorgegangen ist, da er sein allgemeines Persönlichkeitsrecht verletzt sieht.
Das Urteil
Das Hamburger-Urteil ist in Fachkreisen auf heftige Kritik gestoßen. Es befindet sich in einem erheblichen Spannungsverhältnis mit der regelmäßigen Rechtsprechung des BGH und des Bundesverfassungsgerichts, die das Recht auf freie Meinungsäußerung stützen.
In die Urteilsfindung fließt nicht ein, dass die Aufnahmen des WISO-Teams nicht in der geschützten Privatsphäre der Behandlungsräume des Klägers, sondern in dem allgemein zugänglichen Empfangsbereich entstanden sind, was die Feststellung einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts sogleich relativiert. Der Kläger kann sich nicht auf das Persönlichkeitsrecht seiner Patienten berufen, sondern nur auf sein eigenes. Demzufolge ist der Kläger lediglich in seiner Sozial- und Berufssphäre beeinträchtigt.
Die Berichterstattung des WISO-Magazins und damit der Blogbeitrag des Beklagten stellen einen Beitrag zur „Debatte von allgemeinen Interesse“ dar. Da es sich um einen Bericht zur Behandlung von Krebspatienten handelt, besteht nach Meinung von Juristen sogar ein überragendes Interesse an dieser Thematik. Zudem könne sogar ein öffentlich-rechtlicher Auftrag des ZDFs bestehen, über derartige Themen zu berichten. Nach Auffassung des EGMR kommt es nicht darauf an, ob der streitgegenständliche Beitrag einen Rechtsverstoß belegt oder nicht. Es geht um die Behandlung von Krebspatienten mit Eigenblut in der Münchner Arztpraxis. Sowohl das ZDF als auch der Beklagte haben eidesstattliche Versicherungen betroffener Patienten, die diese Behandlungsmethode bestätigen, in die Beweisführung eingebracht, die jedoch unberücksichtigt blieben.
Das Bundesverfassungsgericht hat mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass die Anforderungen hinsichtlich der Verbreiterhaftung nicht zu überspannen sind, um die nach Art. 5 garantierte Meinungsfreiheit und den damit verbundenen Kommunikationsprozess nicht unnütz einzuschränken. Besonders bei der Verlinkung auf fremde Webseiteninhalte durch Hyperlinks dürfen keine zu hohen Anforderungen gestellt werden. Auf dieser Grundlage kommt eine Störerhaftung nur dann in Frage, wenn die Rechtsverletzung offensichtlich ist. Eine uneingeschränkte Verbreiterhaftung ergibt sich nicht alleine aus dem Umstand, dass auf der Gegenseite eine als prozessfreudige bekannte Person steht. Ein Hyperlink stellt lediglich eine netz- und blogtypische Verweistechnik dar.
LG Hamburg, Urteil vom 18.05.2012, Az. 324 O 596/11