Konkrete Beanstandung gegenüber Hostprovider
Das Oberlandesgericht Dresden beschloss am 22.07.2020, dass die Haftung des Hostproviders als mittelbarer Störer eine konkrete Beanstandung seitens des Betroffenen voraussetze. Der Hinweis auf eine behauptete "Diffamierung" genüge dafür nicht. Zudem sei eine Bewertung in Form von "Sternen" als Meinungsäußerung des Nutzers bis zur Grenze der Schmähkritik geschützt. Hierauf könne sich auch der Hostprovider gegenüber Dritten berufen. Unterhalb dieser Grenze komme eine Löschung dieser Bewertung nur in Betracht, wenn feststeht, dass der Bewertung kein geschäftlicher Kontakt zugrunde liege.
Muss die schlechte Bewertung gelöscht werden?
Kläger war der Inhaber eines Geschäfts; Beklagte ein Hostprovider, der diverse Bewertungsportale betreibt. Der Kläger beschwerte sich per E-Mail bei der Beklagten über den Eintrag eines Nutzers. Dieser würde seine Mitarbeiter herabwürdigen. Aufgrund dessen bat er darum, den Eintrag zu löschen. Er erwähnte auch, dass er in seinen Geschäftsunterlagen den Kunden nicht führe. Außerdem habe er sich bereits selbst an den Nutzer gewandt, ohne eine Einigung zu erzielen. Die Beklagte kam dem Löschungswunsch zwar nach. Allerdings blieb eine daneben fortbestehende (isolierte) Ein-Stern-Bewertung bestehen. Der Kläger verlangte von der Beklagten die Unterlassung.
Mittelbare Störerhaftung
Das Oberlandesgericht Dresden befand, dass dem Kläger kein Unterlassungsanspruch zustehe. Eine Haftung der Beklagten als Hostprovider sei auch unter dem Gesichtspunkt einer mittelbaren Störerhaftung nicht begründet. Denn diese setze die Verletzung von Verhaltenspflichten voraus. Der Umfang der Verhaltenspflichten bestimme sich danach, ob und inwieweit dem mittelbaren Störer eine Verhinderung der Verletzung zuzumuten sei. Sei der Provider mit Beanstandungen eines Betroffenen konfrontiert, die so konkret seien, dass der Rechtsverstoß unschwer bejaht werden könne, seien Ermittlungen zum gesamten Sachverhalt erforderlich.
Hinweise viel zu unkonkret
Das OLG befand, dass vorliegend die Beklagte nicht gehalten gewesen sei, weitere Ermittlungen anzustellen oder gar die Nutzerbewertung zu löschen. Dafür sei der Hinweis auf eine angebliche Diffamierung der Mitarbeiter des Klägers viel zu unspezifisch. Es sei bereits nicht erkennbar, welche der Behauptungen aus welchem Grund beanstandet werden. Die Beanstandung sei auch nicht so konkret gefasst, dass ein Rechtsverstoß auf Grundlage der Schilderung unschwer hätte bejaht werden können. Insbesondere habe sich der E-Mail nicht entnehmen lassen, dass der Kläger jeglichen Geschäftskontakt zu dem Nutzer in Abrede stelle. Bei einem Geschäft, das in erheblichem Ausmaß auf „Laufkundschaft“ setze, reiche die Behauptung, ein Nutzer werde „in meinen Geschäftsunterlagen nicht geführt“ schon wegen der Möglichkeit eines Kundenbesuches ohne Voranmeldung nicht aus.
Fehlende Einzelheiten
Auch der Hinweis des Klägers, er habe sich bereits selbst an den Nutzer gewandt, ohne eine Einigung zu erzielen, habe für ein Tätigwerden nicht ausgereicht, so das Gericht weiter. Mangels Einzelheiten sei der gesamte Vorgang und damit der Rechtsverstoß in der E-Mail viel zu unklar geblieben. Somit sei kein Handeln der Beklagten geboten gewesen. Es habe sich auch nicht um ein gefälschtes Profil oder um ein so auffälliges Bewertungsverhalten gehandelt, um die Bewertung schon aus diesem Grund zu monieren.
Bewertung als Meinungsäußerung
Ein Verstoß der Beklagten gegen Handlungspflichten sei auch nicht im Ergebnis des eingeleiteten Prüfungsverfahren festzustellen gewesen, befand das OLG. Vielmehr sei die Beklagte nicht verpflichtet gewesen, nach der erfolgten Löschung der Bewertung die noch fortbestehende Ein-Stern-Bewertung zu löschen. Denn grundsätzlich sei eine Ein-Stern-Bewertung eine subjektive Einschätzung des Nutzers, die als Meinungsäußerung zu verstehen sei. Denn sie sei von Elementen der Stellungnahme, des Dafürhaltens und Meinens geprägt. Als Meinungsäußerung sei die Bewertung aber bis zur Grenze der Schmähkritik geschützt. Diese Grenze sei vorliegend schon deshalb nicht überschritten, weil die Bewertung insgesamt nur die Sozialsphäre betreffe und keine persönliche Herabwürdigung enthalte. Dass der Kunde den Geschäftskontakt mit nur einem Stern bewertet, mag zwar geschäftsschädigend sein. Als Ausfluss der Meinungsfreiheit sei dies aber auch dann hinzunehmen, wenn die zur Begründung der schlechten Bewertung angeführten Tatsachenbehauptungen unwahr seien.
Kein Beweis des fehlenden Nutzerkontaktes
Diese Einschätzung wäre nur dann anders, wenn der Bewertung gar kein Kundenkontakt zugrunde gelegen hätte, so das Gericht weiter. Denn in einem solchen Fall überwiege das Interesse des Bewerteten am Schutz seiner sozialen Anerkennung und seiner (Berufs)Ehre. Ein berechtigtes Interesse des Bewertenden, einen tatsächlich nicht stattgefundenen Geschäftskontakt zu bewerten, sei nicht ersichtlich. Entsprechendes gelte für das Interesse eines Portalbetreibers, eine Bewertung über eine nicht stattgefundene Inanspruchnahme der angebotenen Dienstleistung zu kommunizieren. Allerdings liege der Fall hier nicht so. Der Kläger trage für seine Behauptung, der Nutzer habe seinen Salon niemals betreten und seine Dienstleistungen niemals in Anspruch genommen, die Beweislast. Diesen Beweis aber habe er nicht führen können.
Oberlandesgericht Dresden, Beschluss vom 22.07.2020, Az. 4 U 652/20