Internetverbot für Straftäter
Das OLG Hamm hat im November 2015 beschlossen, dass es im Einzelfall zulässig ist, einem Straftäter im Rahmen einer Bewährung die Nutzung des Internets zu verbieten.
Im verhandelten Fall ging es um die Beschwerde eines wegen der Verbreitung kinderpornographischer Schriften verurteilten Mannes gegen eine Bewährungsauflage. Er war im Juni 2011 zu einer Haftstrafe von einem Jahr, im Mai 2012 noch einmal wegen desselben Delikts zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt worden. Nach Verbüßung von zwei Dritteln der Haft wurde der Rest der Strafe im April 2015 zur Bewährung ausgesetzt. Dabei wurden dem Verurteilten mehrere Weisungen erteilt, darunter auch:
„5. Dem Verurteilten wird darüber hinaus untersagt, einen Internetanschluss zu betreiben oder in sonstiger Weise vorzuhalten und zu nutzen.“
Schon im Mai 2015 beantragte der Mann erstmals die Aufhebung der Weisung. Für eine Umschulung benötige er das Internet, auch sei die Suche nach einem neuen Arbeitsplatz kaum ohne Internet möglich. Die Wohnungssuche und die Kommunikation mit Ämtern seien ebenfalls deutlich erschwert. Die Bewährungshelferin des Verurteilten sprach sich in einer Stellungnahme dafür aus, ihm im Rahmen seiner Umschulung die Internetnutzung zu erlauben, die nur in den Räumen des Bildungsträgers erfolge. Die Vollstreckungskammer gestattete daraufhin im Juni 2015 die Nutzung des Internets im Rahmen der Umschulung, an welcher der Verurteilte auch regelmäßig teilnahm. Er beantragte kurz darauf aber erneut die Aufhebung des Internetverbots und begründete das vor allem mit der Notwendigkeit der Kommunikation mit Arbeitsagentur, Ämtern etc. Zudem sei heutzutage ein reiner Telefonanschluss ohne DSL kaum noch zu bekommen und wenn doch, dann unvernünftig teuer. Die Strafvollstreckungskammer wies den Antrag zurück. Dem Verurteilten würden keine unzumutbaren Nachteile entstehen. Dagegen richtete sich nun die Beschwerde des Mannes. Ein Ausweichen auf einen Handyvertrag sei ihm wegen einer Privatinsolvenz nicht möglich, er könne daher nur den überteuerten reinen Telefonanschluss der Deutschen Telekom erwerben, den er sich von seinem Arbeitslosengeld aber nicht leisten könne.
Das OLG Hamm wies diese Beschwerde zurück. Die Weisung, im Zeitraum der Bewährung das Internet nicht zu nutzen und auch keinen Anschluss zu betreiben, sei nicht gesetzwidrig. Genau darauf käme es bei der Beschwerdeführung aber an, denn eine Entscheidung könne nur mit der Begründung angefochten werden, sie sei nicht gesetzeskonform. Gesetzwidrig könne eine Weisung sein, wenn sie keine ausreichende Rechtsgrundlage habe oder wenn sie unverhältnismäßig oder zu unbestimmt sei. All dies sei hier nicht der Fall. Eine Weisung ist keine Strafe, die das Gericht nach Belieben verhängen kann, sondern eine Hilfestellung, die der Verurteilte benötigt. Dabei muss immer auch der Maßstab der Zumutbarkeit angelegt werden. Zumutbar ist diese Weisung nach Ansicht des Gerichts aber auf jeden Fall und verstößt auch nicht gegen den Grundsatz der Informationsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Grundgesetz. Zwar seien die Möglichkeiten des Zugangs zu Informationen eingeschränkt, wenn der Verurteilte nicht auf das Internet zugreifen könne. Dieses Grundrecht finde aber seine „Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze“ – so lautet der Gesetzesvorbehalt des Art. 5 Abs. 2 GG.
Auch die allgemeine Handlungsfreiheit des Verurteilten nach Art. 2 Abs.1 GG ist zwar durch die Weisung betroffen, weil er die Kommunikationsmöglichkeiten des Internets nicht zur Verfügung habe. Unverhältnismäßig sei diese Einschränkung aber keineswegs, schließlich stünden ihm – wie etwa zehn Prozent der deutschen Bevölkerung, die ebenfalls keinen Zugang zum Internet haben – mit Telefon, Telefax, Brief und persönlicher Vorsprache weitere Kommunikationsmöglichkeiten in hinreichendem Umfang zur Verfügung. Eine gewisse Erschwernis der Kommunikation müsse der Beschwerdeführer aber in Kauf nehmen.
Die Bewährungsauflage, nach der einem Verurteilten die Benutzung des Internets für die Dauer der Bewährung verboten wird, ist nach Ansicht des Gerichts weder unzumutbar, noch verstößt sie gar gegen elementare Grundrechte des Verurteilten. Zur Vermeidung schwerwiegender Straftaten und zur Unterstützung des zur Bewährung Freigelassenen seien die damit zwangsläufig verbundenen Einschränkungen jedenfalls zumutbar.
OLG Hamm, Beschluss vom 10.11.2015, Az. 1 Ws 507/15