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Hassrede kann per AGB untersagt werden

Oberlandesgericht Hamm, Beschluss vom 15.09.2020, Az. 29 U 6/20


Hassrede kann per AGB untersagt werden

Das Oberlandesgericht Hamm entschied am 15.09.2020, dass Facebook ein sog. virtuelles Hausrecht zukomme. Aufgrund dessen könne es gegen Hasskommentare vorgehen, wenn diese in seinen Nutzungsbedingungen und Gemeinschaftsstandards verboten sei.

Dürfen Kommentare gesperrt werden?
Beklagte war Facebook, Kläger ein Nutzer. Facebook hatte den Kläger auf seine Nutzungsbedingungen und Gemeinschaftsstandards im April 2018 per Email sowie im Wege einer Pop-Up-Nachricht in der Facebook-App hingewiesen und ihn aufgefordert, diesen zuzustimmen. Der Kläger kam dem im Mai 2018 nach. Später kommentierte der Kläger den Beitrag eines dritten Facebook-Nutzers mit einem sog. wütenden Emoji. Im Beitrag wurden Flüchtlinge als „Merkel-Goldstücke“ und ein jugendlicher Flüchtling als „Killer-Moslem“ bezeichnet. Facebook stufte den Beitrag als „Hassrede“ nach den Facebook-Gemeinschaftsstandards ein. Aufgrund dessen wurde der Beitrag gelöscht und war für andere Nutzer nicht mehr sichtbar. Außerdem konnte der Kläger keine eigenen Beiträge mehr posten oder versenden. Wenig später wurde das Nutzer-Konto des Klägers wieder freigeschaltet; der Beitrag blieb aber gelöscht. Hiergegen ging der Kläger vor und begehrte Feststellung, dass die Sperrung rechtswidrig war und dass sein Kommentar wieder freizuschalten sei. Er erachtete Facebook aufgrund seiner marktbeherrschenden Stellung als unmittelbar an die Meinungsfreiheit gebunden. Die 1. Instanz wies die Klage ab, wogegen er Berufung einlegte. Die 2. Instanz erlies einen Hinweisbeschluss.

Hassrede kann gelöscht werden
Das OLG Hamm erachtete die Klage als unbegründet. Facebook habe den Beitrag zu Recht gelöscht und das Konto für einige Tage gesperrt. Die Berechtigung zur Löschung und Beschränkung der Postingrechte ergebe sich aus den Nutzungsbedingungen und Gemeinschaftsstandards. Darin sei wirksam geregelt, dass Facebook beim Teilen von verbotenen Inhalten wie "Hassrede" befugt sei, diese Inhalte zu löschen und die Kontonutzung des verantwortlichen Nutzers einzuschränken. Der vom Kläger eingestellte Beitrag sei als solche verbotene Hassrede einzuordnen.

Nutzungsbedingungen und Gemeinschaftsstandards als AGB
Die Nutzungsbedingungen und Gemeinschaftsstandards seien Allgemeine Geschäftsbedingungen, so das Gericht weiter. In den Nutzungsbedingungen werde auf die Löschungs- und Sperrungsbefugnisse in Fällen von Hassrede hingewiesen. Es werde ausgeführt, dass "schädliches Verhalten gegenüber anderen" durch geeignete Maßnahmen unterbunden werden könne, u.a. indem Inhalte entfernt und der Zugriff auf bestimmte Features gesperrt werde. Ein durchschnittlicher Facebook-Nutzer könne somit ohne Weiteres erkennen, dass bestimmte Beiträge gelöscht oder gesperrt werden.  Dieses "schädliche Verhalten" werde in den Nutzungsbedingungen weiter konkretisiert, indem aufgeführt werde, welche Inhalte u.a. nicht geteilt werden dürfen. Zudem werde auch in den Gemeinschaftsstandards auf verbotenen Inhalten hingewiesen, wozu auch die Hassrede gehöre. Inhaltlich seien danach sämtliche Inhalte untersagt, die Personen oder Personengruppen aufgrund der benannten geschützten Eigenschaften wie nationale Herkunft und religiöse Zugehörigkeit pauschal als minderwertig herabsetzen.

Wirksames Einbeziehen in den Vertrag
Auch seien die Nutzungsbedingungen und Gemeinschaftsstandards wirksam in den Vertrag einbezogen worden, befand das OLG. Denn die Nutzungsbedingungen und Gemeinschaftsstandards seien aufgrund Einigung der Parteien bindend geworden. Der Kläger habe ausdrücklich seine Zustimmung zur per Email und per Popup-Fenster mitgeteilten und zugänglich gemachten Neufassung der Nutzungsbedingungen durch Anklicken des entsprechenden Feldes erklärt. Diese Zustimmungserklärung sei auch wirksam. Sie sei nicht formgebunden und könne im Wege des Anklickens eines entsprechenden Feldes elektronisch über die von der Beklagten bereit gestellte Software verlautbart werden. Dass dem Kläger gar keine Option geboten wurde, sich gegen die Neufassung der Nutzungsbedingungen auszusprechen, nehme der erklärten Zustimmung nicht ihre Wirksamkeit.

Nutzungsbedingungen entsprechen Transparenzgebot
Die Vertragsbedingungen halten auch einer Inhaltskontrolle stand, so das Gericht weiter. Sie verstoßen insbesondere nicht gegen das Transparenzgebot. Die Beklagte erkläre in ihrem Klauselwerk gut verständlich und nachvollziehbar, welche Inhalte auf ihrer Plattform geteilt werden dürfen und welche Konsequenzen drohen, wenn gegen diese Regelungen verstoßen werde. Insbesondere gebe das Transparenzgebot keine detaillierte Regelung jedes denkbaren Vertragsverstoßes vor. Die Verpflichtung, den Klauselinhalt klar und verständlich zu formulieren, bestehe nur im Rahmen des Möglichen. Der Verwender sei nicht gehalten, jede Klausel gleichsam für alle denkbaren (konkreten) Fälle zu erläutern, sondern er habe seinem Vertragspartner den (abstrakten) Regelungszusammenhang als solchen nachvollziehbar darzustellen.

Meinungsäußerung wird durch sachlichen Grund eingeschränkt
Das Gericht konnte auch im Übrigen keine dem Geboten von Treu und Glauben unangemessene Benachteiligung des Klägers erkennen. Insbesondere könne in den Vertragsbedingungen keine Verletzung der Meinungsfreiheit gesehen werden. Zwar ergebe sich aus der marktbeherrschenden Stellung der Beklagten für soziale Netzwerke, dass die Beklagte einer erheblichen (mittelbaren) Grundrechtsbindung unterliege und Meinungsäußerungen ihrer Nutzer daher nicht ohne sachlichen Grund einschränken dürfe.

Facebook hat virtuelles Hausrecht
Die Verbreitung von Hasskommentaren betreffe Facebook auch in seiner Eigentumsgarantie, so das OLG weiter. Denn die Nutzung und Bereitstellung der notwendigen Soft- und Hardware unterfalle dem Schutz des Eigentums. Dadurch komme Facebook eine alleinige Verfügungsmacht über diese Rechte und damit ein sog. "virtuellen Hausrechts" zu. Die Beklagte könne somit gegen Hasskommentare vorgehen, soweit damit ein angemessener Ausgleich der auf Seiten des Klägers betroffenen Meinungsfreiheit und den eigenen Grundrechten geschaffen werde. Dies setzt voraus, dass für die Eingriffe in die Meinungsfreiheit der Nutzer sachliche Gründe benannt werden, die geeignet, erforderlich und auch angemessen seien, um die kollidierenden Grundrechte zu wahren. Diesen Vorgaben werden die Nutzungsbedingungen und Gemeinschaftsstandards gerecht. Mit dem Verbot der Hassrede habe die Beklagte ein geeignetes Mittel gewählt, um bestimmte Formen der Meinungsäußerung unterschiedslos für alle Nutzer und alle gesellschaftlichen Meinungsströmungen zu unterbinden, ohne damit Auseinandersetzungen und Diskussionen unmöglich zu machen und die freie Meinungsäußerung zurückzudrängen.

Oberlandesgericht Hamm, Beschluss vom 15.09.2020, Az. 29 U 6/20


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