Haftung bei Verwendung von Hyperlinks
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte entschied am 04.12.2018, dass Ungarn durch die Ausgestaltung seines Haftungsrechts bei Verwendung von Hyperlinks gegen die durch die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) geschützte Meinungsfreiheit verletzt. Journalisten seien für die Verlinkung von Online-Medien nur eingeschränkt haftbar.
Wie weit geht die Haftung für einen Hyperlink?
Geklagt hatte ein ungarisches Nachrichtenportal. Dieses hatte in Zusammenhang mit der Berichterstattung über rassistische Übergriffe einen Link zu einem Interview auf YouTube veröffentlicht. Später stellte sich heraus, dass dieses Interview falsche und diffamierende Inhalte gegen eine politische Partei enthielt. Die Partei verklagte daraufhin das Nachrichtenportal unter anderem mit dem Argument, durch die Verlinkung sei ihr Ruf beschädigt worden. Das ungarische Gericht gab dieser Argumentation statt und machte das Nachrichtenportal wegen des Interviewinhaltes haftbar. Denn es habe die diffamierende Bemerkung verbreitet. Dabei sei es irrelevant, ob dies im guten Glauben geschehen sei oder nicht. Nach erfolglosem Gang durch die Instanzen klagte das Nachrichtenportal vor dem Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR).
Hyperlinks verweisen lediglich auf verfügbares Material
Der Gerichtshof sah in der Haftbarmachung eine Verletzung der Meinungsfreiheit. Dieses sei bei der Verurteilung durch die ungarischen Gerichte nicht angemessen berücksichtigt worden. Denn das Setzen von Hyperlinks sei von anderen Formen der traditionellen Berichterstattung zu unterscheiden. Traditionelle Veröffentlichungen würden Inhalte bereitstellen; Hyperlinks verwiesen lediglich auf verfügbares Material. Dabei sei insbesondere auch zu berücksichtigen, dass die verlinkende Person keinen Einfluss auf die verlinkten Inhalte habe.
Haftungskriterien für Hyperlinks
Das Gericht legte in Fortentwicklung seiner Rechtsprechung Kriterien fest, die bei einer möglichen Haftung wegen veröffentlichter Hyperlinks zu prüfen seien. Hierbei sei regelmäßig eine individuelle Beurteilung erforderlich. Dabei spiele eine Rolle, ob der Journalist die verlinkten Inhalte unterstütze oder er diese lediglich wiederhole, ohne sie zu befürworten. Ausschlaggebend sei, ob der Journalist von einem möglicherweise ehrverletzenden Inhalt des Links wusste oder hätte wissen müssen. Habe er in gutem Glauben und unter Einhaltung der journalistischen Standards gehandelt, könne ihm kein Vorwurf gemacht werden.
Diffamierender Videoinhalt war nicht offensichtlich
In Anwendung dieser Grundsätze kam der EGMR zu dem Schluss, das Nachrichtenportal habe lediglich per Link auf das YouTube-Video verwiesen. Eine Kommentierung, Wiederholung oder Unterstützung in sonstiger Weise des Inhaltes sei nicht erfolgt. Zudem sei auch nicht offensichtlich gewesen, dass der Link zu diffamierenden Inhalten führte. Außerdem hätten Politiker und politische Parteien weitere Grenzen bei Kritik in Kauf zu nehmen.
Ungarisches Gesetz berücksichtigt freie Meinungsäußerung nicht ausreichend
Zudem war der Gerichtshof der Meinung, das zur Verurteilung führende ungarische Gesetz berücksichtige die freie Meinungsäußerung nicht angemessen. Denn eine Haftung für verwendete Hyperlinks sei hinderlich für den Informationsfluss im Internet. Es könne Journalisten und Verlage davon abhalten, Links zu verwenden, wenn sie die Informationen, zu denen die Links führen, nicht kontrollieren können. Dies könne einen abschreckenden Effekt hinsichtlich der Meinungsfreiheit im Internet haben.
Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Urteil vom 04.12.2018, Az. ECHR 417 (2018)