Haftung bei Verlinkung im Einzelfall zu prüfen
Wird eine Internetseite durch einen Link mit einer anderen verbunden, so muss nicht zwangsweise davon ausgegangen werden, dass sich derjenige, der den Link einstellt, auch den Inhalt der anderen Seite zu eigen macht.
In vorliegendem Fall hatte ein Mediziner, der auf seiner Internetseite eine alternative Heilmethode in seiner Praxis anbot, einen Link zu einer Seite eines Forschungsverbandes für diese Heilmethode mit dem Verweis „Weiter Informationen auch über die Studienlage finden Sie unter...“ gesetzt, was zu einer Abmahnung führte.
Das Gericht führt hierzu aus, dass der Beklagte sich den Artikel des Forschungsverbandes für seine eigene Werbung zunutze gemacht habe (vgl. BGH, Az. I ZR 147/09 und OLG Köln, Az. 6 U 220/12), also eine gewerbliche Handlung nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG – Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb – vorliege. Auch wenn der BGH die Trennung zwischen der technischen Verlinkung und der dadurch erfolgenden Werbung grundsätzlich für unmöglich hält, ständen die Inhalte gleichwohl unter dem Schutz der Presse- und Meinungsfreiheit, was im Umkehrschluss dazu führe, dass die Inhalte auch zum Teil der Werbung werden könnten (vgl. BGH, Az. I ZR 191/08 im Umkehrschluss).
Nach Würdigung des Sachverhaltes sei dem Beklagten nicht vorzuwerfen, er habe sich die Inhalte der verlinkten Seite allein dadurch zu eigen gemacht, dass er diesen Link gesetzt habe. Der Gesetzgeber habe hier bewusst die Haftungsfrage (vgl. BGH, Az. I ZR 317/01, I ZR 102/05) von der Betrachtungsweise eines „verständigen Durchschnittnutzers“ im Rahmen der Gesamtbetrachtung abhängig gemacht (vgl. BGH, Az. I ZR 166/07). Das Gericht verweist hierbei auf verschieden Urteile, die als Beispiele für eine solche Einschätzung herangezogen werden könnten (keine Haftung: vgl. BGH, Az. I ZR 317/01, VI ZR 210/08, I ZR 191/08; Haftung: vgl. BGH, Az. I ZR 139/08, I ZR 102/05, I ZR 166/07, I ZR 147/09).
Im konkreten Falle, den es immer zu würdigen gelte, seien die Aussagen auf den entsprechenden Seiten nicht maßgeblich für das Verständnis der eigenen Ausführungen des Beklagten, sie stellten vielmehr für den Betrachter eher eine Art „weiterführende Literatur“ dar, aus der nicht zu schließen sei, dass sich der Beklagte deren Inhalte tatsächlich zu eigen mache.
Vielmehr habe der Beklagte lediglich zur Startseite des Forschungsverbandes verlinkt. Diese Startseite sei jedoch nicht anzugreifen, unabhängig davon, ob sich auf den Unterseiten eventuell zu beanstandende Inhalte befänden. Für einen Betrachter liege folglich die Annahme fern, der Beschuldigte habe alle Aussagen des Forschungsverbandes übernehmen wollen.
Auch wenn hier eine Haftung des Beschuldigten auszuschließen sei, könne dies durchaus dann der Fall sein, wenn ein „gefahrerhöhendes Verhalten“ in Betracht komme (vgl. BGH, Az. I ZR 18/04), z.B. im Bereich der jugendgefährdenden Medien (vgl. BGH, Az. I ZR 150/09). Aber auch dann habe derjenige, der den Link setze, nur nach Kenntnisnahme von der Rechtswidrigkeit zu handeln (vgl. BGH, Az.I ZR 139/08, I ZR 57/09). Anders liege dagegen der Fall, wenn der Anbieter es selbst auf eine Rechtsverletzung anlege oder diese wissentlich fördere (vgl. BGH, Az. I ZR 18/11, I ZR 80/12).
Es sei insbesondere darauf zu achten, dass es bei der zu entscheidenden Frage keine Generalprävention geben dürfe, es also immer auf den Einzelfall ankomme.
Sei dem Beklagten keine Haftung zuzuordnen, so bleibe es unerheblich, ob einige der Aussagen der verlinkten Seiten überhaupt rechtswidrig seien.
In der Praxis bedeutet dies, dass man sich vor der Verlinkung klar darüber sein sollte, ob ein Betrachter die Inhalte dieses Links einem selbst zuordnen könnte. Ist dies der Fall, so muss man mit einer Haftung auch für die Aussagen in diesem Link rechnen, selbst wenn man diese Absicht gar nicht hatte. Dies gilt verstärkt, wenn es sich um wettbewerbswidrige oder illegale Inhalte handelt bzw. das Geschäftsmodell selbst die Verbreitung solcher Inhalte fördert.
OLG Köln, Urteil vom 19.2.2014, Az. 6 U 49/13
AG München, 261 C 3733/14