Haftung bei Einbindung fremder Webinhalte ("RSS-Feeds")
Mit seinem Urteil vom 27. März 2012 (Az. VI ZR 144/11) hat der Bundesgerichtshof bei vielen Webseitenbetreibern für Erleichterung gesorgt. Er hat nämlich entschieden, dass, wer News-Feeds in seine Webseite einbindet, diese nicht vor der Publikation auf Rechtsverstöße prüfen muss. Der Seitenbetreiber muss Drittinhalte allerdings klar als solche ausweisen und diese sofort löschen, wenn er Kenntnis von einer Rechtsverletzung erhält.
Vor dieser Entscheidung wurde die Einbindung rechtsverletzender Inhalte von der instanzgerichtlichen Rechtsprechung unterschiedlich gehandhabt. Einige Gerichte bejahten eine Störerhaftung des Webseitenbetreibers. Noch weiter ging das Landgericht Berlin, das annahm, Betreiber machten sich eingebundene RSS-Feeds zu eigen (Urteil vom 27.04.2010, Az. 27 O 190/10, Beschluss vom 15. März 2011, Az. 15 O 103/11). Ein Seitenbetreiber hatte somit zu befürchten, dass er durch ungeprüft ins Netz gestellte Drittinhalte im schlimmsten Fall neben einer Unterlassungspflicht Schadensersatzansprüche auslöst.
Sachverhalt
Die Beklagte ist Betreiberin eines Informationsportals. Ihre Seite enthält ausschließlich Kurzmeldungen, die sie als RSS-Feeds von Drittmedien bezieht. Diese bestehen aus einer Schlagzeile, einem kurzen Textanriss, eventuell einem Bild und einem Link zur Original-Nachricht.
Eine solche Kurzmeldung, die von Bild.de stammte, zeigte unter der Schlagzeile "Ex-RAF-Terroristin H. radelt in den Freigang" ein Foto der Freigängerin H. H., die keine Zustimmung zur Veröffentlichung der Aufnahme gegeben hatte, ging zunächst gegen Bild.de vor. Nachdem das Boulevardmedium Artikel und Foto von seiner Webseite entfernt hatte, ließ H. die Beklagte durch ihre Rechtsanwälte kostenpflichtig abmahnen. Die Portalbetreiberin nahm die Meldung samt zugehörigem Bild unverzüglich von ihrer Nachrichtenseite. Die Anwaltskosten zahlte sie aber nicht.
Die Rechtsanwälte von H. versuchten, die Forderung gerichtlich durchzusetzen. Damit war ihnen kein Erfolg beschieden. Sowohl die Instanzgerichte als auch der Bundesgerichtshof verneinten einen Zahlungsanspruch, da die Beklagte durch ihr Verhalten keine Unterlassungspflicht begründet habe.
Urteilsbegründung
Zuerst stellt der Bundesgerichtshof fest, dass die strittige Bildnachricht gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht von H. verstoßen habe. Auch lasse sich das Haftungsprivileg für Provider nach § 10 des Telemediengesetzes (TMG) auf Unterlassungsansprüche nicht anwenden.
Im nächsten Schritt prüfen die Richter, ob die Beklagte haftet, weil sie sich den Inhalt des RSS-Feeds zu eigen gemacht hat. Dies sei typischerweise der Fall, wenn die Äußerung eines Dritten so in den eigenen Gedankengang integriert werde, dass die gesamte Äußerung als eigen erscheine. Davon sei im Streitfall nicht auszugehen. Die Beklagte habe die Inhalte im Rahmen eines Abonnementvertrags automatisch bezogen und dabei keine redaktionelle Kontrolle ausgeübt. Indem sie die Nachrichtenquelle direkt unter dem Titel genannt habe, habe sie die Meldung deutlich als fremd ausgewiesen. Ihr Informationsportal habe keine selbst verfassten Nachrichten enthalten, sondern ausschließlich RSS-Feeds fremder Medien. Außerdem habe die Beklagte im Impressum darauf hingewiesen, dass sie die Meldungen unverändert übernehme. Ebenso wenig habe sich die Beklagte die Nachrichteninhalte bereits dadurch angeeignet, dass sie die Medien, von denen sie die RSS-Feeds beziehe, selber gewählt habe.
Nachdem es eine Haftung für eigene Inhalte ausgeschlossen hat, prüft das Gericht, ob die Beklagte als Störerin haftet. Störer sei grundsätzlich, wer willentlich einen adäquat kausalen Beitrag zu einer Rechtsverletzung leiste, aber nicht Täter oder Teilnehmer sei. Dies treffe zwar auf die Beklagte zu: Sie habe durch das Bereitstellen der Nachricht willentlich und ursächlich zur Verbreitung der Bildberichterstattung, die das Persönlichkeitsrecht von H. verletzte, beigetragen. Mit Rücksicht auf die Kommunikationsfreiheit dürfe die Störerhaftung in Gestalt der Verbreiterhaftung allerdings nur beschränkt auf Dritte ausgedehnt werden, die den Verstoß nicht selbst begangen hätten. Als Verbreiter hafte daher bloß, wer eine ihm zumutbare Prüfungspflicht verletze.
Vorliegend gelangt der Bundesgerichtshof zur Auffassung, dass eine Pflicht zur präventiven Prüfung der Nachrichten auf mögliche Verstöße überzogen wäre. Er glaubt, dies würde den Betrieb einer Plattform für aktuelle Kurznachrichten über Gebühr behindern. Sobald der Portalbetreiber jedoch von einer möglichen Rechtsverletzung wisse, müsse er die entsprechende Nachricht unverzüglich prüfen und gegebenenfalls löschen. Andernfalls hafte er als Störer auf Unterlassung zukünftiger Verstöße.
Die Beklagte habe umgehend gehandelt, deshalb habe sie keinen Unterlassungsanspruch begründet. Unter diesen Umständen fehle den Klägern die Voraussetzung zur Einforderung der Abmahnkosten.
BGH, Urteil vom 27.03.2012, Az. VI ZR 144/11