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Google-Haftung für Verlinkungen

LG Düsseldorf, Urteil v. 26.06.2019 - Az.: 12 O 179/17


Google-Haftung für Verlinkungen

Das LG Düsseldorf entschied, dass Google ein einstündiges YouTube-Video nicht überprüfen müsse, wenn der Betroffene keinen konkreten Hinweis auf eine „offensichtliche und auf den ersten Blick klar erkennbaren Rechtsverletzung“ gibt. Der Betroffene habe dann keinen Anspruch auf Unterlassung einer Verlinkung seines Videos in den Google-Suchergebnissen auf die Website eines Dritten. Dies gelte entsprechend auch für den damit verbundenen Kostenerstattungsanspruch.

Ein hohes „Google Ranking“ ist nicht immer von Vorteil
Ein Unternehmen stellte ein YouTube-Video online, das ein einstündiges Interview des Gründers und Geschäftsführers des Unternehmens zum Thema Tiergesundheit in der Landwirtschaft zum Inhalt hatte. Gab man nun bei Google den Namen des Geschäftsführers ein, so tauchte in den Suchergebnissen eine Verlinkung auf die URL einer fremden Website auf. Diese URL führte auf eine Internetseite, welche dazu aufrief, eine Petition gegen Juden zu unterzeichnen, die unter und mit dem oben genannten YouTube-Video beworben wurde. Der Geschäftsführer des Unternehmens wandte sich an Google, um diese Verlinkung seines Namens entfernen zu lassen. In einer E-Mail führte der rechtliche Vertreter des Unternehmens gegenüber der Google-Betreiberin aus, seine Mandantin werde durch die Verlinkung mit antisemitischem Gedankengut in Verbindung gebracht. Seine Mandantin und deren Geschäftsführer hätten damit nichts zu tun. Es werde behauptet, der Geschäftsführer seiner Mandantin würde zur Zeichnung gegen Juden aufrufen. Dies wirke sich höchst schädigend auf das Unternehmen aus. Das Video beinhalte ein Interview zum Thema Tiergesundheit in der Landwirtschaft. Die Verbindung zu der antisemitischen Website sei völlig willkürlich.

Sperrung des Links durch Google – aber Streit um die Anwaltskosten
Erst nachdem der Geschäftsführer Klage gegen die Google-Betreiberin erhoben hatte, sperrte diese die beanstandete URL für die Anzeige in der deutschen Länderversion ihrer Suchmaschine und kündigte an, diese Sperrung beizubehalten. Der Kläger beantragte vor Gericht, der Beklagten zu verbieten, im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland bei Eingabe seines Namens in die Suchmaske von Google Search in den Suchergebnissen auf die antisemitische Website zu verlinken und die Beklagte zu verurteilen, die Anwaltskosten zu erstatten. Da Google die Verlinkung sperrte, erklärte der Kläger den Antrag auf Verbot der Verlinkung für erledigt, stellte diesen nurmehr hilfsweise und verfolgte vornehmlich seinen Klageantrag auf Zahlung der Anwaltskosten weiter. Google beantragte Klageabweisung.

Keine „auf den ersten Blick erkennbare Rechtsverletzung“ dargelegt
Die Klageabweisung begründete Google damit, dass der Kläger eine auf den ersten Blick erkennbare Rechtsverletzung weder außergerichtlich noch im Prozess dargelegt habe. Darum bestehe ihrerseits keine Prüfpflicht. Die Erstattung der Anwaltskosten komme schon deshalb nicht in Frage, weil die Geschäftsgebühr bereits durch die außergerichtlichen Schreiben angefallen sei, welche einen Unterlassungsanspruch höchstens begründen hätten können. Das Landgericht Düsseldorf folgte dieser Argumentation und wies die Klage hinsichtlich des Kostenerstattungsanspruchs ab. So blieben noch die Kosten für den Rechtsstreit hinsichtlich des für erledigt erklärten Unterlassungsanspruchs. Hier ist gemäß § 91a ZPO nach billigem Ermessen und unter Berücksichtigung des Sach- und Streitstands zu entscheiden. Das Landgericht legte die Kosten dem Kläger auf und begründete dies wie folgt.

Keine Haftung ohne Hinweis auf „offensichtliche“ Rechtsverletzung
Google habe weder als Täterin noch als unmittelbare Störerin einer rechtswidrigen Persönlichkeitsverletzung in Anspruch genommen werden können. Diese Art der Haftung käme nur bei eigenen Inhalten von Google in Betracht, wobei zu den eigenen Inhalten eines Suchmaschinenbetreibers auch Inhalte gehören, die zwar ein Dritter hergestellt hat, die sich der Suchmaschinenbetreiber aber zu eigen gemacht hat. Google sei hier auch nicht als mittelbare Störerin anzusehen, da die Voraussetzungen für die Haftung eines Suchmaschinenbetreibers nicht vorliegen. Hierzu zitierte das Landgericht ausführlich aus dem Urteil des OLG Hamburg vom 10.07.2018, Az. 7 U 125/14. Demgemäß dürfe die Haftung als mittelbarer Störer nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden, welche die Rechtsverletzung nicht selbst vorgenommen haben. Es werde daher die Verletzung einer Prüfpflicht vorausgesetzt. Der Umfang richte sich nach der Zumutbarkeit der Verhinderung der Rechtsverletzung. Ein Suchmaschinenbetreiber stehe regelmäßig in keinem rechtlichen Verhältnis zu den Verfassern der in der Ergebnisliste angezeigten Inhalte. Der Betreiber einer Suchmaschine habe daher erst dann eine Prüfpflicht, wenn er durch einen konkreten Hinweis Kenntnis von der „offensichtlichen und auf den ersten Blick klar erkennbaren Rechtsverletzung“ erlangt habe. Ein Rechtsverstoß könne etwa bei Kinderpornographie, Aufruf zur Gewalt gegen Personen, offensichtlichen Personenverwechslungen u. a. auf der Hand liegen.

Problem Schmähkritik: keine „offensichtliche“ Rechtsverletzung
Eine Besonderheit ergebe sich bezüglich Schmähkritik. Hier habe der BGH in seinem Urteil vom 27.02.2018, Az. VI ZR 489/16 ausgeführt, dass bei Schmähkritik die Erkennbarkeit einer offensichtlichen Rechtsverletzung dem Suchmaschinenbetreiber Probleme bereite. Dasselbe gelte für Tatsachenbehauptungen oder Werturteile mit Tatsachenkern. Denn dabei komme es entscheidend auf den Wahrheitsgehalt der behaupteten Tatsachen an. Der Maßstab einer „offensichtlichen und auf den ersten Blick erkennbaren Rechtsverletzung“ führe nur ausnahmsweise zu einem eindeutigen Ergebnis. Der Suchmaschinenbetreiber könne im Regelfall nicht beurteilen, ob das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange des Websitebetreibers, des Suchmaschinenbetreibers und der Internetnutzer überwiege. Nach diesen Grundsätzen sei vorliegend seitens Google keine Prüfpflicht entstanden. Die außergerichtlichen Schreiben des Klägers hätten keine offensichtliche Persönlichkeitsrechtsverletzung aufgezeigt.

Prüfpflicht: muss Google ein einstündiges YouTube-Video prüfen?
Der Blogeintrag auf der beanstandeten Internetseite erscheine als Interpretation des klägerischen YouTube-Videos dahingehend, dass das vom Kläger geführte Unternehmen zur Zeichnung einer Petition aufruft. Es könne nicht ohne weiteres erkennbar sein, dass in dem Text eine konkrete Äußerung des Klägers wiedergegeben werde. Die textliche Gestaltung des Blogbeitrags – das in Klammern gesetzte Wort „Juden“ – könne ebenso bedeuten, dass der Blogger den Kläger so versteht, dass er eine Verantwortung von Juden sieht. Es reiche für die Annahme einer offensichtlichen Rechtsverletzung nicht aus, dass das Video auf der Website auffindbar sei. In dem klägerischen Schreiben laute es nur, dass die Verbindung zu Lobbyjudeninteressen lediglich pauschal und völlig willkürlich sei. Das reiche hier nicht aus. Die beklagte Google-Betreiberin sei nicht verpflichtet gewesen, das etwa einstündige Video des Klägers dahingehend zu prüfen, ob der Inhalt die Aussagen auf der streitgegenständlichen Website rechtfertige.

Prüfpflicht hin oder her – keine Kostenerstattung ohne Unterlassungsanspruch!
Da es auf den Wahrheitsgehalt des enthaltenen Tatsachenkerns ankomme, könne die Beklagte keine Interessenabwägung vornehmen. Die Hinweise des Klägers seien dafür nicht ausreichend. Zumindest sei es nicht offenkundig so fernliegend, dass die Aussagen des Klägers einen Bezug zu Juden und dem Holocaust hätten. Darum ergebe sich eine Rechtsverletzung jedenfalls nicht auf den ersten Blick. Das sei nicht zuletzt deshalb der Fall, weil das Video-Interview des Klägers für ein Projekt einer Person geführt worden sei, der ausweislich des Wikipedia-Eintrags als politisch rechts außen positionierter Verschwörungstheoretiker erscheint. Schlussendlich sei es für die Kostenentscheidung nicht ausschlaggebend, ob der Kläger in seinen Schreiben eine Rechtsverletzung offenkundig gemacht habe. Google habe die Verlinkung zu der beanstandeten URL jedenfalls in der deutschen Länderversion gesperrt. Ob Google nun eine Prüfpflicht gehabt hat oder nicht – jedenfalls habe sie nicht dagegen verstoßen. Der Unterlassungsanspruch des Klägers sei daher zu keinem Zeitpunkt begründet gewesen, weshalb er die Kosten des Rechtsstreits zu tragen habe.

LG Düsseldorf, Urteil v. 26.06.2019 - Az.: 12 O 179/17


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