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Gerichtliche Zuständigkeit bei Verleumdungen im Internet

LG Stuttgart, Beschluss vom 15.01.2014, Az. 18 Qs 71/13


Gerichtliche Zuständigkeit bei Verleumdungen im Internet

Das Landgericht Stuttgart hatte sich mit der Frage seiner strafrechtlichen Zuständigkeit bei Verleumdungen im Internet auseinanderzusetzen. Auslöser war ein Strafbefehl der Stuttgarter Staatsanwaltschaft wegen Verleumdungen im Internet. Die Richter verwarfen den Strafbefehl mangels Zuständigkeit, da sie keine Verbindung zwischen dem Stuttgarter Raum und den Verleumdungen gesehen hatten.

Werbung für terroristische Vereinigungen

Die Angeschuldigte des Strafbefehls war 2011 wegen Werbens um Mitglieder oder Unterstützer für eine terroristische Vereinigung im Ausland in sechs Fällen sowie wegen Unterstützens einer solchen Vereinigung in fünf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren und 6 Monaten verurteilt worden. Sie hatte u.a. Filmmaterial und Textbeiträge mit radikalislamischen und jihadistischem Inhalt in das Internet eingestellt, um damit für Al Qaida und andere terroristische Vereinigungen zu werben.

Verächtlichmachung von Justizbeamten im Internet

Während ihrer Haftzeit hatte sich die Angeschuldigte schließlich dazu entschlossen, zur Aufwiegelung islamischer Gesinnungsgenossen sowie zur Verächtlichmachung von Justizbediensteten im Internet ihre Haftbedingungen unzutreffend als diskriminierend darzustellen. Sie hatte für die GIMF, die „Globale Islamische Medienfront“, in einem jihadistischen Internetforum mehrere Beiträge veröffentlicht, in denen der Wahrheit zuwider ihre angeblich schlechten Haftbedingungen angeprangert wurden.
Konkret wurden einzelne mit der Angeschuldigten befasste Vollzugsbedienstete der Justizvollzugsanstalten sowie drei konkret benannte Vorführbeamte des Bundeskriminalamts durch die Beiträge in ihrer Ehre verletzt. Die in arabischer Sprache verfassten Texte im Internet führten zu wütenden und zum Teil heftigen Reaktionen von Internetbenutzern. Aus Sicht der Staatsanwaltschaft Stuttgart lagen hier Verleumdungen vor.

Örtliche Zuständigkeit bei Internetdelikten

Das Landgericht Stuttgart lehnte seine Zuständigkeit in dem Fall ab, da sich die Angeschuldigte zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Internetbeiträge außerhalb Stuttgarts inhaftiert gewesen sei. In Stuttgart sei für die Angeschuldigte weder der Gerichtsstand des Wohnorts noch der des Tatorts begründet.
Das Landgericht wies darauf hin, dass die Frage der Begründung einer örtlichen Zuständigkeit bei Internetdelikten über eine Anknüpfung an den Erfolgsort, also der Ort, wo der „Erfolg“ der Tat eingetreten ist, sehr umstritten ist.
Bei einer Verleumdung handelt es sich dem Gericht zufolge im Grundsatz nach um ein abstraktes Gefährdungsdelikt. Man könne lediglich die Frage aufwerfen, ob nicht die konkrete Eignung der behaupteten Tatsache zum Verächtlichmachen des Betroffenen im Einzelfall genügt, um dennoch einen Tatort begründen zu können. Doch die bloße Möglichkeit der Kenntnisnahme im Internet ist nicht hinreichend konkret in diesem Sinne.

Keine Vergleichbarkeit mit der „Auschwitzlüge“

Die sehr weitgehende Entscheidung des Bundesgerichtshofs, die es für den Tatbestand der Volksverhetzung (Stichwort: „Auschwitzlüge“) genügen lässt, dass eine Eignung zur Friedensstörung aufgrund der Abrufbarkeit der Nachricht aus dem Internet besteht, ist mit den Begründungselementen, die ausdrücklich auf die deutsche Vergangenheit Bezug nehmen, eher normspezifisch zu verstehen.
Die „normalen“ Beleidigungstatbestände wie die einfache Beleidigung, die üble Nachrede udn die Verleumdung sind nach Auffassung des Landgerichts Stuttgart nicht mit dem Tatbestand der Volksverhetzung vergleichbar. Selbst wenn man die Verleumdung als abstrakt-konkrete Gefährdungsdelikte versteht, komme die Begründung eines Gerichtsstands in Stuttgart aufgrund einer erfolgsorientierten Gefährdung nur in Betracht, wenn sich die Gefahr im dortigen Gerichtsbezirk bereits konkretisiert hätte. Das sei jedoch nicht ersichtlich. Deshalb bestehe in Stuttgart auch kein Erfolgsort. Handlungsort aus Sicht der Kammer ist für die fragliche Zeit der Ort, wo sich die Angeschuldigte zum Zeitpunkt der Internetveröffentlichungen aufgehalten hat.

LG Stuttgart, Beschluss vom 15.01.2014, Az. 18 Qs 71/13


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