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EuGH-Rechtsgutachten stärkt öffentliche WLAN-Netze

EuGH, Schlussanträge des Generalanwaltes vom 16.03.2016, Az. C-484/14


EuGH-Rechtsgutachten stärkt öffentliche WLAN-Netze

Der Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofes stärkt die Rechte der Betreiber öffentlicher WLAN-Netze, die nicht für Urheberrechtsverletzungen haftbar gemacht werden sollen, die nicht sie selbst, sondern die Nutzer ihrer Anschlüsse begehen. Obwohl diese Aussage für das Urteil nicht verbindlich ist, folgt der EuGH in den meisten Punkten jedoch den Schlussanträgen.

Der Generalanwalt des EuGH vertritt die Ansicht, dass Betreiber öffentlicher WLAN-Netze nicht für Urheberrechtsverletzungen haftbar zu machen sind, die Nutzer über ihre öffentlich zugängigen WLAN-Anschlüsse begehen. Im verhandelten Fall wehrt sich ein Gewerbetreibender gegen den Musikriesen Sony Entertainment. Der Kläger und Widerbeklagte betreibt ein Unternehmen für Licht- und Tontechnik in München und stellt seinen Kunden ein öffentlich zugängliches WLAN-Netz zur Verfügung. Im Jahr 2010 wurde über diesen Zugang ein Musikstück rechtswidrig heruntergeladen und öffentlich zur Verfügung gestellt, an dem Sony die Urheberrechte besitzt. Das Landgericht München ist der Ansicht, dass der Provider nicht für die von den Nutzern seines WLAN-Anschlusses begangenen Urheberrechtsverletzungen haftbar zu machen ist. Kläger und Widerbeklagter ist der Gautinger Gemeinderat Tobias McFadden, der auch Mitglied der Piraten-Partei ist, die sein Klagebegehren unterstützt. Die Richter legten den Fall dem EuGH zwecks Vorabentscheidungsverfahren vor, um die Frage der Störerhaftung hinsichtlich des Betriebs öffentlich zugänglicher WLAN-Netze zu klären.

Es besteht die Frage, ob der Provider mittelbar haftbar zu machen ist, weil er sein öffentliches WLAN-Netz nicht ausreichend vor unberechtigten Zugriffen, zum Beispiel durch Passwörter, Überwachungsmaßnahmen oder Zugangsbeschränkungen, geschützt hat. Zweifel besteht dahingehend, ob die EU-Richtlinie 2000/13/EG dieser mittelbaren Haftung entgegensteht. Diese Richtlinie regelt die reine Durchleitung der Daten (mere conduit), die der Provider nicht veranlasst, verändert, übermittelt und überträgt. Auch wählt der die Adressaten der Daten nicht aus. Sony verlangt von McFadden Schadenersatz für das unrechtmäßige Herunterladen des streitgegenständigen Musikwerkes über das von dem Kläger und Widerbeklagten zur Verfügung gestellten WLAN-Hotspot. Nach Ansicht des Generalanwaltes des EuGH tritt keine Haftung des Betreibers ein, weil auch in diesem Fall die allgemeine Haftungsbeschränkung in Form des sogenannten Providerprivilegs nach § 8 Telemediengesetz (TMG) für Dienstanbieter im Internet eintritt. In diese Kategorie fallen Anbieter von E-Mail-Diensten, die nach juristischer Definition Daten lediglich weiterleiten, dabei jedoch keinen Einfluss auf die Inhaltsgestaltung und Zielsetzung haben. Würde der Kläger tatsächlich für die durch seine Nutzer begangenen Urheberrechtsverletzungen haftbar gemacht werden, träte eine Schlechterstellung gegenüber DSL-Internet-Providern ein.

Der Sachverständige räumt jedoch ein, dass Gerichte berechtigt sind, bußgeldbewehrte Anordnungen zu erlassen, die die Betreiber von öffentlichen WLAN-Netzen verpflichten, ihre Netze gegen unberechtigte Zugriffe zu sichern, wenn Urheberrechtsverletzungen mehrfach festgestellt werden. Die verpflichtenden Maßnahmen müssen jedoch verhältnismäßig, abschreckend und wirksam sein. Sie müssen auf eine Verhinderung, Abstellung beziehungsweise Beseitigung der Rechtsverletzung zielen. Eine allgemeine Überwachungspflicht dürfe jedoch nicht eintreten. Ferner führt der Generalanwalt aus, dass ein Gleichwicht zwischen den garantieren Grundrechten - unternehmerische Freiheit, Meinungsfreiheit, Informationsfreiheit - contra Recht auf geistiges Eigentum gewahrt bleiben muss. Eine allgemeine richterliche Anordnung zur Sicherung des WLAN-Netzes ohne Auferlegung konkreter Maßnahmen, die dem Provider die Wahl der Mittel überlässt, mit denen er seinen Hotspot schützt, ist zulässig. Unzulässig sind dagegen richterliche Anordnungen, die den Provider dazu verpflichten, sein Geschäftsmodell aufzugeben, seinen WLAN-Anschluss mit einem Passwort zu versehen oder Überwachungsmaßnahmen zu ergreifen, die weit über seine Möglichkeiten hinausgehen. Es ist dem Provider nicht möglich, die komplette über seinen WLAN-Anschluss laufende Kommunikation dahingehend zu untersuchen, ob die streitgegenständliche Urheberrechtsverletzung erneut eintritt.

Eine providerseitige Verpflichtung zur Sicherung seines WLAN-Netzes ist mit dem EU-Recht nicht vereinbar, da ein Interessenkonflikt zwischen dem Urheberrecht auf der einen Seite und dem Recht auf unternehmerische Freiheit auf der anderen Seite besteht. Eine Beschränkung des Internetanschlusses würde das durch das Grundgesetz garantierte Recht auf Informations- und Meinungsfreiheit einschränken

Fazit
Eine Verpflichtung zur Sicherung öffentlicher WLAN-Netze für die Verteidigung von Urheberrechten verstößt gegen geltendes EU-Recht und würde einen eklatanten Nachtteil für die moderne, digitale Gesellschaft und das Recht auf Informations- und Meinungsfreiheit bedeuten. Dieser Vorteil für die Rechteinhaber urheberrechtlich geschützter Werke wäre angesichts der für die Gesellschaft entstehenden Nachteile nicht verhältnismäßig. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass die Nachteile für die an digitaler Informationsbeschaffung interessierte Gesellschaft die Vorteile für die Rechteinhaber bei weitem überwiegen würden.

Die Bundesregierung erklärt schon seit längerer Zeit, sie wolle die Infrastruktur und damit das Angebot für öffentlich zugängliche WLAN-Netze verbessern und hat einen entsprechenden Gesetzesentwurf vorgelegt, der die Haftungsfrage der Provider abschließend klären soll. Experten stehen diesem Entwurf jedoch nicht uneingeschränkt wohlwollend gegenüber. Unter anderem hat der Bundesrat Änderungen verlangt. In Deutschland besteht eine in den EU-Staaten einmalige Störerhaftung, die aufgrund der bisher noch nicht abschließend geklärten Rechtslage Betriebe und Privatpersonen daran hindert, öffentliche WLAN-Netze zum Wohle aller bereit zu stellen. Durch den umstrittenen Gesetzentwurf der Bundesregierung sind Freifunkprojekte nach wie vor gefährdet, denn die bisher vorherrschende Rechtsauffassung trägt der digitalen Realität keine Rechnung.

EuGH, Schlussanträge des Generalanwaltes vom 16.03.2016, Az. C-484/14


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