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Erotikinhalte und Kunstfreiheit

Erotikinhalte nicht zwingend durch Kunstfreiheit geschützt


Erotikinhalte und Kunstfreiheit

In einem Beschluss vom 16. Dezember 2010 legte das Verwaltungsgericht Berlin fest, dass Internetseiten, die erotische Inhalte anbieten, den Jugendschutz wahren müssen, was keine Verletzung der künstlerischen Freiheit darstellt.

Das gemeinnützige Unternehmen jugendschutz.net, das sich in Zusammenarbeit mit der Kommission für Jugendmedienschutz für die Einhaltung des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags im Internet einsetzt, klagte gegen die Betreiber einer Internetseite, die erotische Literatur, Videos und Fotos verbreitet. Das Unternehmen sah darin jugendgefährdende Inhalte. Die Betreiber der Internetseite verteidigten sich in einer Stellungnahme mit dem Argument, die Inhalte der Seite seien Teil eines Kunstprojektes, das zeitweise auch mit dem Berliner Schriftstellerverband zusammenarbeitete, das eindeutig künstlerische Ziele verfolge. Die abrufbaren Videos seien darüber hinaus auf anderen, ebenfalls ohne Jugendschutz versehenen Internetseiten ohne Einwand veröffentlicht worden. Die Jugendschützer erwiderten, dass der kritisierte Inhalt auch nicht als pornografisch dargestellt werden sollte, eine potenzielle Jugendgefährdung dennoch nicht auszuschließen ist, weshalb die Installation jugendschützender Maßnahmen auf der Internetseite angebracht wäre.

Die Kommission argumentierte, dass die Inhalte "explizit" und teils "anreißerisch" sind, weshalb zumindest erwartet werden kann, dass Jugendliche mit den Werken überfordert und in ihrer Entwicklung beeinträchtigt werden. Die Kunstfreiheit müsse hier hinter den Jugendschutz treten. Die Betreiber des Internetauftritts erwiderten, dass eine Sperrung der Internetseite zwischen 6.00 Uhr und 22.00 Uhr aus Jugendschutzgründen, wie es die Jugendschützer vorschlugen, einer Zensur gleichkäme.

Die Jugendschutzkommission holte dazu die Meinung eines sachverständigen Gremiums ein, der zwar wiederholte, dass der Inhalte zulässig, eine Gefährdung dennoch gegeben sei. Die teilweise sehr detailliert und drastisch beschriebenen Inhalte können nach Auffassung der Prüfenden eine Überforderung für Jugendliche darstellen, da diese den "Erfahrungshorizont" junger Menschen weit überschreiten, eine Beeinträchtigung der Entwicklung Jugendlicher im Sinne des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages kann also durchaus erwartet werden. Außerdem ist die zeitliche Sperrung nicht die einzige Jugendschutzmaßnahme, die der JMStV erwähnt, die Betreiber seien also nicht gezwungen, ihre Seite nur zu unattraktiven Zeiten zu öffnen.

Das Gericht stellte darüber hinaus infrage, ob die Inhalte der Internetseite tatsächlich in den Schutzbereich der laut Art. 5 Abs. 3 GG gewährten "schrankenlosen Kunstfreiheit" fallen. Da die Seite in erster Linie Werke Dritter verbreitet, ist sie, wie eine Bibliothek, nicht durch die Kunstfreiheit, sondern durch die in Art. 5 erwähnte Meinungs- und Kommunikationsfreiheit geschützt. Diese Rechte können aber laut Absatz 2 durch allgemeine Gesetze und aus Jugendschutzgründen eingeschränkt werden. Den Schutz der Kunstfreiheit würde die Seite nur dann genießen, wenn die Betreiber selbst einen großen Teil der Werke verfasst oder sich bei der Verbreitung der Inhalte deutlich engagiert hätten.

Darüber hinaus argumentierten die Richter, dass selbst die künstlerische Freiheit die Forderung eines Jugendschutzfilter nicht zur Zensur machen würde. Art. 1 des Grundgesetzes sichert auch Kindern und Jugendlichen eine freie Entfaltung der Persönlichkeit zu, was gesetzlich Vorrang vor der Kunstfreiheit hat. Der JMStV soll eben diese Entwicklung der Persönlichkeit vor ungeeigneten Einflüssen schützen. Ebenfalls wird mit den jederzeit von Jugendlichen öffentlich abrufbaren Inhalten das nach Art. 6 zugesicherte Erziehungsrecht der Eltern umgangen. Nach dieser Abwägung sahen die Richter keine unberechtigte Einschränkungen der Freiheiten der Seitenbetreiber und die Forderung nach Jugendschutzmaßnahmen wurde daher als legitim angesehen.

VG Berlin, Beschluss vom 16.12.2010, Az. 27 L 355/10


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