Drosselung von Internet-Flatrates
Werden Vertragsklauseln innerhalb eines bestehenden Vertrages dahingehend geändert, dass dadurch die Hauptleistungsversprechungen des Vertrages nicht mehr erfüllt werden können, so sind diese Klauseln unwirksam.
Hintergrund des Verfahrens waren Änderungen in Verträgen eines Telekommunikationsunternehmens, welches eine Reduzierung der Datenübertragungsgeschwindigkeit ab einem bestimmten Datenvolumen einführen wollte. Dabei berief es sich auch auf ähnliche Vorgehensweisen seiner Mitbewerber am Markt.
Hierzu stellt das Gericht fest, dass nach BGH-Urteil IV ZR 33/92 nur solche Regelungen nicht der Inhaltskontrolle unterlägen, die Art, Umfang oder Güte einer Leistung umfassten. Anders sei dies jedoch bei jenen Formulierungen in Verträgen, welche die Hauptleistungsversprechungen einschränkten oder gar aushöhlten. Selbst das Ausgestalten oder Verändern dieser zentralen Zusagen sei kontrollfähig. Dieser Sachverhalt sei durch die Änderung der Verträge des Anbieters gegeben, da das Hauptleistungsversprechen durch diese Anpassungen eingeschränkt bzw. verändert worden sei.
Weiterhin wurde klargestellt, dass die Inhaltskontrolle unabhängig vom Wettbewerbsrecht durchzuführen sei und somit Angebote von Mitbewerbern mit ähnlichen Produkte (mit Einschränkungen in den Datenübertragungsraten) außer Acht gelassen werden könnten.
Die Neuregelungen des Anbieters seien somit nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB nichtig, da sie „die Erreichung des Vertragszwecks“ bedrohten (§ 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB).
Es sei auch maßgeblich, den Begriff „Flatrate“ im Verständnis der Kunden zu betrachten. Dieser verstehe den Begriff – insbesondere in Bezug auf das Festnetz – als eine ungehinderte und ohne Einschränkung bestehende Zugangsmöglichkeit zum Internet. Ein Durchschnittskunde erwarte von einer „Flatrate“ eben keine Einschränkungen per se, sondern wolle seine Onlinetätigkeiten ungehindert durchführen können.
Da die geplante Reduzierung den Vertragszweck faktisch unerfüllbar mache, beziehe sich dies auch auf den Durchschnittskunden, nicht etwa nur auf eine kleine Klientel von „Power-Usern“, da es nicht darauf ankomme, ob ein Anwender überhaupt von der Regelung betroffen ist, sondern lediglich die Frage zu beantworten sei, ob er davon betroffen sein könnte.
Weiterhin läge durch die Veränderungen ein Verstoß gegen § 305 c Abs. 1 BGB vor, da es sich um eine für den Kunden überraschende Klausel handele. Der Durchschnittskunde muss demnach eine Formulierung als ungewöhnlich betrachten, wenn sie vom Erscheinungsbild des Vertrages her („Flatrate“ contra Datenübertragungsreduzierung) vom Kunden nicht zu erwarten ist. Außerdem hätten die beanstandeten Klauseln auch drucktechnisch anders hervorgehoben werden müssen, um nicht den Anschein einer Überrumpelung zu erwecken. Auch sei dem Durchschnittskunden nicht zuzumuten, dass er die Formulierungen inhaltlich und in ihrer Konsequenz verstehen müsse, selbst wenn er zuvor durch die Öffentlichkeit bereits davon Kenntnis erhalten habe.
Aber auch die Möglichkeit, Datenübertragungsmengen zukaufen zu können, sei in diesem Zusammenhang unzulässig, da sie eine verbotene Preiserhöhung bedeute.
In der Praxis heißt dies, dass es einem Telekomanbieter untersagt ist, seine bereits bestehenden „Flatrate“-Verträge dahingehend abzuändern, die Datenübertragungsrate, abhängig vom Datenvolumen in einem bestimmten Zeitraum, zu reduzieren. Sofern der Anbieter seine zukünftigen Verträge jedoch sowohl inhaltlich als auch formal entsprechend den gesetzlichen Vorlagen gestaltet, könnte eine solche Regelung durchführbar sein. In Zukunft wird ein Kunde also die Einschränkungen in Telekommunikationsverträgen genauer darauf zu prüfen haben, ob in ihnen wirklich eine „Flatrate“ angeboten wird. Bestehende „Flatrate“-Verträge hingegen sind in dieser Art nicht änderbar.
LG Köln, Urteil vom 30.10.2013, Az. 26 O 211/13