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Boykottaufruf gegen Pelztierzüchter zulässig

BGH, Urteil vom 19.01.2016, Az. VI ZR 302/15


Boykottaufruf gegen Pelztierzüchter zulässig

Boykottaufrufe sind heikel. Sie greifen in Persönlichkeitsrechte und – wenn Unternehmen betroffen sind – in das Recht am Gewerbebetrieb ein. Auf der anderen Seite sind Boykottaufrufe, sofern sie nicht mit unwahren Tatsachenbehauptungen unterlegt sind, durch die Meinungsfreiheit geschützt. Daher müssen Gerichte durch Abwägung im Einzelfall herausfinden, welches Schutzinteresse höher zu gewichten ist. Die Rechtsprechung gewährt regelmäßig der Meinungsfreiheit Vorrang, sofern ein Boykottaufruf aus Sorge um Belange der Allgemeinheit und nicht aus eigenem Gewinnstreben erfolgt. Mit der Zulassung eines öffentlichen Aufrufs an die Volksbank, dem Zentralverband Deutscher Pelztierzüchter das Konto zu kündigen, hat der Bundesgerichtshof diese Praxis bestätigt.

Sachverhalt
Das Deutsche Tierschutzbüro e. V. (Beklagter) veröffentlichte auf seiner Webseite einen Aufruf an die Volksbank, dem Zentralverband Deutscher Pelztierzüchter e. V. (Kläger) das Konto zu kündigen. Darin wiesen die Tierschützer mit einer Fotomontage und drastischen Aussagen auf die ihrer Ansicht nach tierquälerischen Haltungsbedingungen von Zuchtnerzen hin. Mit "Tierquälern" Geschäfte zu machen, widerspreche den genossenschaftlichen Werten, mit denen die Volksbanken werben. Falls die Volksbank dem Boykottaufruf nicht nachkommen sollte, behielten sich die Tierschützer vor, die Bankkunden zu informieren, dass "an dem Geld der Bank Blut klebt".

Der Pelztierzüchter-Verband sah in diesem Boykottaufruf einen rechtswidrigen Eingriff in sein Persönlichkeitsrecht und stellte Antrag auf einstweilige Verfügung gegen die Tierschützer. Das Landgericht Osnabrück lehnte diesen ab. Es erkannte weder die Dringlichkeit noch beurteilte es das Handeln der Tierschützer als rechtswidrig. Gegen dieses Urteil erhob der Pelztierzüchter-Verband Beschwerde an das Oberlandesgericht Oldenburg. Dieses war der Meinung, der Boykottaufruf übersteige das Maß der noch zulässigen Beeinträchtigung, da in ein konkretes Vertragsverhältnis eingegriffen werde. Außerdem entfalte der Boykottaufruf eine unzulässige Prangerwirkung und das Tierschutzbüro verbinde damit auch wirtschaftliche Interessen, nämlich ein höheres Spendenaufkommen zu generieren. Das Oberlandesgericht verbot dem Verein daher mit einstweiliger Verfügung die Veröffentlichung des Boykottaufrufs.

Damit waren die Tierschützer nicht zufrieden, weshalb es zur Einleitung des Hauptsacheverfahrens kam. Das Landgericht Osnabrück beurteilte den Boykottaufruf wiederum als zulässig, während ihn das Oberlandesgericht Oldenburg auf Berufung des Pelztierzüchter-Verbands erneut untersagte.

Das Tierschutzbüro erhob gegen dieses Urteil Revision an den Bundesgerichtshof. Dieser gab den Tierschützern recht und ließ den Boykottaufruf mit Urteil vom 19. Januar 2016 zu (Az. VI ZR 302/15).

Urteilsbegründung
Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs betrifft der Boykottaufruf den Pelztierzüchter-Verband in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht, insbesondere in seinem sozialen Geltungsanspruch und seiner wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit. Dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht als einem Rahmenrecht komme aber keine absolute Reichweite zu. Diese müsse vielmehr durch Abwägung der miteinander in Konflikt stehenden Grundrechtspositionen geklärt werden.

Konkret müsse der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers gegen die Meinungsfreiheit des Beklagten abgewogen werden. Wichtig sei dessen Motivation zum Boykottaufruf. Stünden nicht eigene wirtschaftliche Interessen, sondern die Sorge um Belange der Allgemeinheit im Vordergrund, spreche dies für den Vorrang der Meinungsfreiheit.

Der Beklagte verfolge zwar auch ein wirtschaftliches Interesse an der Spenden-Akquise. Dieses konkurriere aber nicht mit dem klägerischen Interesse am Erhalt seines Bankkontos. Es gehe daher beim Boykottaufruf nicht um Förderung fremden Wettbewerbs, sondern um eine Meinungsäußerung im Bereich der Pelztierhaltung.

Der Beklagte verwende keine unzulässigen Druckmittel außerhalb des geistigen Meinungskampfes, etwa die Androhung ernster Nachteile oder die Ausnutzung einer sozialen oder wirtschaftlichen Abhängigkeit.

Der Boykottaufruf sei als Mittel zum Zweck der Verbesserung der Haltungsbedingungen von Pelztieren nicht unverhältnismäßig. Das Maß der nach den Umständen notwendigen Beeinträchtigung des Angegriffenen sei nicht schon dadurch überschritten, dass der Beklagte statt eines Boykottaufrufs einfach seine Ansicht über die Pelztierhaltung hätte äußern können. Gegebenenfalls hätte der Beklagte zwar bei gleich wirksamen Alternativen eine weniger belastende Maßnahme wählen müssen. Die bloße Meinungsäußerung sei gegenüber dem Boykottaufruf jedoch deutlich weniger wirksam.

Ebenso wenig sei das Maß der nach den Umständen angemessenen Beeinträchtigung überschritten. Der Beklagte ziele nicht darauf, dem Kläger jede Möglichkeit auf ein Bankkonto zu nehmen. Dessen sozialer Geltungsanspruch werde durch den Boykottaufruf nicht unangemessen in Mitleidenschaft gezogen. Es sei ja gerade seine Aufgabe, in der öffentlichen Diskussion als Sprachrohr der Pelztierzüchter zu wirken. Auch eine unzulässige Prangerwirkung vermögen die Richter im Boykottaufruf nicht zu erkennen. Schließlich sei der Pelztierzüchter-Verband bereits seit Längerem tierschützerischer Kritik ausgesetzt.

BGH, Urteil vom 19.01.2016, Az. VI ZR 302/15


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