Bezeichnung "Rabauken-Jäger" strafbare Beleidigung?
Das Amtsgericht (AG) in Pasewalk hat mit seinem Urteil vom 20.05.2015 unter dem Az. 711 Js 10447/14 entschieden, dass eine Zeitung einen Jäger, der ein totes Reh hinter sich herzieht, nicht als “Rabauken-Jäger” betiteln darf. Hierin sieht das Gericht eine Beleidigung. Der Jäger fuhr mit seinem Geländewagen, an den er ein Reh angebunden hatte, auf einer öffentlichen Straße.
Der verantwortliche Journalist wurde zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen verurteilt. Er ist als Redakteur bei einer Zeitung im Bundesland Mecklenburg-Vorpommern angestellt. Ein anonymer Dritter beobachtete das Fahrzeug des Jägers auf der viel befahrenen Bundesstraße 109. An der Anhängerkupplung seines Wagens hatte der Jäger den Rehkadaver mit einem Seil befestigt. Der unbekannte Dritte fertigte hiervon eine Fotografie an. Das Reh war einige Tage zuvor durch einen Unfall zu Tode gekommen. Der Jäger zog es mit dem Auto über die Straße, um es ordnungsgemäß zu entsorgen.
Einige Tage darauf berichtete das Blatt "Der Nordkurier" unter der Überschrift „Darf man so ein totes Reh transportieren?” über diesen Vorfall.
Im Rahmen des Berichts wurde das Foto abgebildet. Es zeigte das Fahrzeug des Jägers von hinten ohne erkennbares Kennzeichen. Der Bericht warf die Frage auf, ob die Vorgehensweise des Jägers erlaubt sei. Auch einige Leser empörten sich über den Vorfall und nannten den Mann einen Hobbyjäger ohne Respekt vor toten Lebewesen. Ein Sprecher der Jagdbehörde des Landkreises mutmaßte, der Mann könne zudem gegen das Tierschutzgesetz verstoßen haben, wenn es ein Kitz gegeben haben sollte. Dieses hätte der Jäger auffinden müssen statt es mutterlos zurückzulassen. Zudem widerspreche das Vorgehen des Jägers ethischen und moralischen Wertvorstellungen, welche mit der Jagd verbunden seien. Auch in Notlagen würden Jäger derartiges in der Regel nicht tun.
Nachdem der Fall großes Aufsehen und Empörung auslöste, berichtete der Nordkurier abermals, diesmal unter dem Titel „Rabauken-Jäger erhitzt die Gemüter”. Dem Bericht zufolge müsse der Jäger mit einer Strafe rechnen und würde sich versteckt halten, um den wütenden Anwohnern zu entgehen. Der Vorsitzende der Jagdbehörde sehe den Ruf des Jägerberufs durch den Mann, der sich politisch in der CDU engagiert hatte, in Gefahr.
Nach Erscheinen des Berichts beschwerte sich der Jäger bei dem Angeklagten. Dieser hatte den Begriff „Rabauke” vorgeschlagen. Der Angeklagte kannte die Gründe für das Verhalten des Jägers nicht. Der Text wurde jedoch von der Redaktion gebilligt.
Der Deutsche Presserat hingegen sah in der Art und Weise der Berichterstattung eine Verletzung des Pressekodex. Der Beschwerdeführer sei in seinem sozialen Umfeld identifizierbar. Der Schutz seiner Persönlichkeitsrechte sei nicht berücksichtigt worden. Dieses überwiege das Interesse an der Berichterstattung. Zumindest die Bezeichnung „fieser Wildschleifer” sei eine ungerechtfertigte Ehrverletzung.
Der Angeklagte verwies vor Gericht auf einen Artikel der Bildzeitung mit der Überschrift „Wutsturm gegen den „Rabauken” Weselsky”. Darin heißt es:
„Die renomierte „Börsen-Zeitung” meint, der „Missbrauch des Rechts auf Koalitionsfreiheit durch Rabauken wie Weselsky” könne nicht geduldet werden.”
Gegen seinen Strafbefehl legte der Angeklagte Einspruch ein.
Doch das AG Pasewalk ist der Ansicht, der Angeklagte habe sich strafbar gemacht.
Beleidigung stelle einen rechtswidrigen Angriff auf die Ehre einer Person durch die vorsätzliche Kundgabe einer Missachtung dar. Diese könne den ethischen Wert betreffen oder den beruflichen. Missachtung bringe eine Äußerung zum Ausdruck, wenn nach ihrem Sinngehalt der beleidigten Person sittlicher, personaler oder sozialer Geltungswert abgesprochen wird.
Eine Beleidigung liege vor, wenn dem Betroffenen unsittliches oder illegales Verhalten direkt vorgeworfen oder angenommen wird, derjenige sei eine Person, die zu dem Verhalten imstande sei.
Maßgeblich sei dabei weder Absicht des Äußernden noch das Verständnis des Betroffenen, sondern der Sinn, welchen die Äußerung in den Augen unbeteiligter Personen habe.
In diesem Sinne liege hier eine Beleidigung vor. Auch wenn der Beleidigte nicht namentlich genannt worden sei, sei er doch für sein Umfeld identifizierbar.
AG Pasewalk, Urteil vom 20.05.2015, Az. 711 Js 10447/14