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Ausnahmsweise kein Schulausschluss bei Beleidigung im Internet

VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 12. Mai 2011, Az. 9 S 1056/11


Ausnahmsweise kein Schulausschluss bei Beleidigung im Internet

Der Verwaltungsgerichtshof (VGH) in Baden-Württemberg hat mit seinem Beschluss vom 12. Mai 2011 unter dem Az. 9 S 1056/11 entschieden, dass auch Internet-Aktivitäten, die in der Freizeit getätigt werden, einen schulischen Bezug haben können und unter Umständen geeignet seien, schulische Ordnungsmaßnahmen auszulösen, sofern sie den Schulbetrieb stören.
Die Frage, ob in den Aktivitäten ein schweres Fehlverhalten zu sehen sei, das einen Unterrichtsausschluss zur Folge haben könnte, hängt von weiteren Umständen im Einzelfall und vor allem von der Frage ab, ob Betroffene individualisierbar bezeichnet seien und sich mit der Internetaktivität die speziellen Gefahren des Internets verwirklicht haben.

Damit hat der VGH die Beschwerde zurückgewiesen, die der Antragsgegner gegen den Beschluss der Vorinstanz (Verwaltungsgericht Stuttgart) vom 8. März 2011 eingelegt hatte.
Die Beschwerde hat eine sofortige Erziehungs- und Ordnungsmaßnahme zum Gegenstand.
Sie ist nach Ansicht des VGH nicht begründet, da das VG zu Recht dem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz der Antragstellerin stattgegeben hat.
Das Suspensivinteresse der Antragstellerin habe Vorrang gegenüber dem Interesse des Antragsgegners auf Vollzug der Maßnahme. Es bestünden erhebliche Zweifel daran, dass die Voraussetzungen vorliegen, um die Antragstellerin zeitweilig vom Unterricht auszuschließen. Das sei nur zulässig, wenn der Schüler durch ein schweres oder mehrfaches Fehlverhalten die Erfüllung der schulischen Aufgabe oder Rechte anderer gefährdet. Im vorliegenden Fall sei der Antragstellerin ein Fehlverhalten zwar anzulasten, das durch ihren Blog-Eintrag entstanden sei. Sie habe damit auch die
Pflichten verletzt. Es erscheine jedoch fraglich, ob die Antragstellerin Rechte Dritter in einer derart schwerwiegenden Weise gefährdet habe, dass ein, wenn auch nur eintägiger, Unterrichtsausschluss gerechtfertigt wäre.

Die Antragstellerin hat in einem Internet-Forum einen Eintrag gefertigt, in dem eine Mitschülerin ohne Namensnennung als "Punkbitch", "asozial" und wiederholt als "Assi" bezeichnet, ihr einen Mut zur Hässlichkeit attestierte, behauptete "schließlich darf ich später dein Hartz IV finanzieren". Der Beitrag schließt mit den Worten "Ja des Wort Assi gefällt mir, na und? Ich sag's wenigstens bloß, und bin's nicht." Mit diesem Beitrag hat sie die Mitschülerin in übler Art und Weise beleidigt. Wie an den Reaktionen in der Schule zu merken war, kam diese Beleidigung auch an.
Entschuldbar sei das auch dadurch nicht, dass die Antragstellerin neben anderen Klassenkameraden der Ansicht war, dass die Betroffene zu Unrecht von Lehrern bevorzugt werden würde. Hinzu komme, dass die Antragstellerin die schwierige persönliche Situation der Mitschülerin kannte und in ihrem Beitrag zur Diffamierung ausnutzte. Damit seien die Grenzen der Meinungsfreiheit klar überschritten. Die seitens der Antragstellerin aufgestellten relativierenden Behauptungen liegen neben der Sache.
Bedeutsam sei dabei, dass die Beleidigungen nicht nur in der Klasse verbreitet wurden, sondern auch noch ins Internet gestellt worden seien, wo sie von einem breiten Publikum zur Kenntnis gebracht worden seien. Gerade die Nutzung des Internets mit der damit verbundenen unkontrollierbaren Verbreitung und dem Umstand, dass Inhalte praktisch nicht mehr zurückgenommen werden können, begründe ein erhebliches Fehlverhalten, welches nicht ignoriert werden dürfe. Diese pädagogische Aufgabe sei durch Klassengespräche vorbildlich bewältigt worden.
Auf das Verhalten sei das Schulgesetz anwendbar, weil schulischer Bezug vorliege, auch wenn das Verhalten außerhalb der Schule gezeigt wurde. Wie sich gezeigt habe, habe sich das Fehlverhalten innerhalb der Schule ausgewirkt.
Die Anordnung des Schulausschlusses sollte seitens der Schulleitung als gegenstandslos betrachtet werden, weil der Anhörung der Erziehungsberechtigten nicht stattgefunden habe.
Zudem sei fraglich, ob die Antragstellerin die Rechte der Mitschülerin in einer solch schwerwiegenden Weise gefährdet habe, dass die Verhängung des Unterrichtsausschlusses für einen Tag (!) gerechtfertigt wäre. Die Begründung des Antragsgegners könne insoweit nicht überzeugen. Im vorliegenden Fall sei die Betroffene namentlich nicht genannt worden, daher halte sich das Ausmaß der Verbreitung der Beleidigungen in Grenzen. Insofern bestünden Zweifel an der Verhältnismäßigkeit der Maßnahme.

VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 12. Mai 2011, Az. 9 S 1056/11


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