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Auch Nachrichtentexte sind urheberrechtlich geschützt

OLG Karlsruhe, Urteil vom 10.08.2011, Az. 6 U 78/10


Auch Nachrichtentexte sind urheberrechtlich geschützt

Eine Nachrichtenagentur und der Betreiber eines Internetmagazins stritten über die Frage, ob Nachrichtentexte als geschützte Schriftwerke Urheberrechtsschutz genießen können. Dies hat das OLG Karlsruhe bejaht. Der Beklagte hatte in seinem Online-Magazin mehrere Nachrichtenmeldungen veröffentlicht, an denen die Klägerin ausschließliche Nutzungs- und Verwertungsrechte für sich beanspruchte. Sie hatte ihn zunächst abgemahnt und sodann wegen der Verletzung ihrer Rechte auf Unterlassung, Schadenersatz und Erstattung von Anwaltskosten geklagt. Das Landgericht hatte die Klage abgewiesen, weil die Texte "nicht Ausdruck einer eigenschöpferischen und eigentümlichen Gedankengestaltung" und daher nicht geschützt seien. Das hat das OLG Karlsruhe in der Berufung anders gesehen. Es hat zunächst eine Anwendung von § 49 Abs. 2 UrhG, bei der es auf eine Urheberrechtsschutzfähigkeit gar nicht angekommen wäre, geprüft und verneint. Die Ausnahmeregelung, die durch Presse oder Funk veröffentlichte Tagesneuigkeiten vom Urheberrechtsschutz ausnimmt, sei nicht anwendbar, weil die verfahrensgegenständlichen Artikel keine reinen Tagesneuigkeiten, sondern auch Hintergrundinformationen enthielten, die dem Leser die Einordnung in einen größeren Kontext ermöglichten. § 49 Abs. 2 UrhG müsse restriktiv ausgelegt werden und scheide aus, wenn der betreffende Text über Faktenberichte hinaus Erläuterungen, Kommentierungen, Ergänzungen oder Betrachtungen enthalte, wie es hier der Fall gewesen sei. Anders als das Landgericht hat das OLG Karlsruhe den vom Beklagten verwendeten Artikeln der klägerischen Nachrichtenagentur jedoch Urheberrechtsschutz zuerkannt, weil sie als "persönliche geistige Schöpfungen" und damit nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG geschützte Schriftwerke zu qualifizieren seien. Auch wenn typische Nachrichtentexte in Print- oder sonstigen Medien sich wegen der im Vordergrund stehenden Tatsacheninhalte rein sprachlich nicht durch einen ausgeprägten individuellen Stil auszeichneten, der bei dieser Art von Texten auch gar nicht erwünscht sei, verleihe allein schon die Art, wie der einzelne Autor an ein Thema herangehe, sich gedanklich damit auseinandersetze, es in einen Kontext stelle, Fakten auswähle und Thema und Sachverhalt in seinem Text darstelle, dem Artikel eine Originalität und individuelle Prägung. Daher fielen auch Nachrichtentexte ohne Wiedergabe der Meinung des Verfassers als geistige Schöpfungen unter den Urheberrechtsschutz, sofern es sich nicht wirklich nur um knappe Meldungen mit rein tatsächlichem Inhalt oder bloße Zusammenstellungen von Informationen handele. Dies decke sich auch mit der durch § 49 UrhG belegten Auffassung des Gesetzgebers, dass Presseartikel grundsätzlich urheberrechtsschutzfähig seien. Das OLG Karlsruhe hat die Texte, um die es in dem Verfahren ging, an diesem Maßstab gemessen und festgestellt, dass sie im Hinblick auf die individuelle Gestaltung und Darstellungsweise allesamt die notwendige "Schöpfungshöhe" erreichten und Werkqualität im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG aufwiesen. Durch die fast unveränderte Übernahme der Texte durch den Beklagten habe dieser eine Vervielfältigung im Sinne von § 16 UrhG vorgenommen und damit das Urheberrecht der Klägerin verletzt. Dass es sich dabei nach Auffassung des Beklagten um einen "branchenüblichen Vorgang" gehandelt habe, rechtfertige den Eingriff in die klägerischen Rechte nicht. Der Beklagte müsse sich zumindest fahrlässiges Handeln vorwerfen lassen. Da die Texte von Nachrichtenredakteuren verfasst worden waren, die zum betreffenden Zeitpunkt bei der Klägerin angestellt waren, ging das OLG davon aus, dass dieser als Arbeitgeberin die ausschließlichen Verwertungs- und Nutzungsrechte daran zustanden und sie daher die für die Klage erforderliche Aktivlegitimation besaß. Das OLG Karlsruhe hat ihr daher nicht nur einen Anspruch auf Unterlassung gegen den Beklagten zuerkannt, sondern auch auf Schadenersatz im Wege der Lizenzanalogie sowie auf Ersatz der für die Abmahnung entstandenen Kosten, und hat den Beklagten entsprechend verurteilt.

OLG Karlsruhe, Urteil vom 10.08.2011, Az. 6 U 78/10


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